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Zurück: Silberplatten aus dem 15. Jahrhundert

Auf den Silberplatten wird das Leben des Heiligen Bernard von Clairvaux dargestellt. Hier: Eine Frau wird von einem Dämon erlöst. (Schweizerisches Landesmuseum)

Das Landesmuseum und das Historische Museum Basel sind um eine Attraktion reicher: Vier historische Silberplatten. Ihre Geschichte wirft auch ein Licht darauf, wie sich der Umgang mit religiöser Kunst durch die Jahrhunderte verändert hat.

“Wenn man die Geschichte von Anfang an betrachtet, also bei der Auflösung des Klosters St. Urban im Kanton Luzern, 1847, die vergleichbar ist mit der Säkularisierung der Klöster im Gebiet des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, die 1802 oder 1806 aufgelöst wurden, ist der Weg, den die Silberplatten genommen haben, schon exemplarisch für Objekte des Kunsthandwerk”, sagt Burkard von Roda, Direktor des Historischen Museums Basel.

Für 700’000 Franken zurückgekauft

Ab 1972 bis 2009 wurden die zu einer Kassette montierten Platten als Leihgabe im Britischen Museum ausgestellt. “In der Regel ist es so, dass die Stücke, die heute in öffentlichen Sammlungen ausgestellt sind, nicht mehr in den Verkauf gelangen”, sagt Burkard von Roda.

Es sei deshalb nicht ganz einfach gewesen, das Britische Museum zu überzeugen, dass die Platten in die Schweiz gehörten. Der Verein für das Historische Museum Basel, das Schweizerische Landesmuseum, der Kanton Basel Stadt und die Gottfried Keller-Stiftung haben sich an der Finanzierung beteiligt. “Alles in allem haben die vier Platten 700’000 Franken gekostet”, sagt von Roda.

Den immateriellen Wert der Silberplatten sieht er vor allem darin, dass diese Arbeiten sehr selten sind. “Die Silberplatten sind für die Schweiz wichtig, weil sie von einem der bedeutendsten Schweizer Künstler aus dem 16.Jahrhundert datiert und signiert sind”, sagt von Roda dazu, “in grösserer Zahl sind bisher nur Arbeiten auf Papier von ihm vorhanden.”

Kloster St. Urban aufgelöst

Nach dem Sonderbundskrieg in der Schweiz, der eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen katholischen und liberalen Machtansprüchen war und den die katholischen Kantone verloren, wurden im Kanton Luzern Klöster aufgelöst.

Anders als zur Zeit des Bildersturms, als kirchliche Kunstwerke aus reformatorischem Eifer zerstört wurden, ging es bei der Versteigerung der Klosterschätze im 19. Jahrhundert nicht in erster Linie um ideologische Anliegen, sondern um die Tilgung von Kriegsschulden. Der Wert der Objekte war bekannt und wurde als hoch eingeschätzt, deshalb sollten die kirchlichen Schätze der Luzerner Klöster in Paris versteigert werden.

Kirchenschätze sollten zu Geld gemacht werden

Darunter befand sich laut dem Pariser Auktionskatalog von 1851 auch eine Büste des heiligen Bernard von Clairvaux, deren Sockel mit acht Silberplatten geschmückt war.

Diese Platten hatte Urs Graf gefertigt, ein Goldschmied, Kupferstecher, Glasmaler und Zeichner für Holzschnitte, der in Basel, Strassburg und Solothurn tätig war.

Doch Papst Pius IX. liess diese Verkaufsaktion nicht zu; 1851 kaufte er kurz entschlossen die Auktion en bloc und liess die Kunstschätze in den Vatikan überführen.

Schier ketzerische figürliche Darstellungen

Aus unbekanntem Grund jedoch behielt Papst Pius IX. die acht Silberplatten nicht im Vatikan. Er liess diese vom Sockel abtrennen und verkaufte sie für 45 Schweizer Franken an einen Händler in Frankfurt. Die Büste des heiligen Bernard von Clairvaux ist seitdem verschollen.

Die Forschung vermutet, dass dem Papst die figürlichen Abbildungen auf den Silberplatten etwas zu forsch waren. Die Bildergeschichte in den acht Abbildungen erzählen das Leben des heiligen Bernards, in einer für heutige Betrachter unterhaltsamen Art und Weise.

Es wurden Figuren dargestellt, wie sie nicht in das Weltbild des damaligen Papstes passten, schreibt das Historische Museum Basel in einer Hintergrundinformation, beispielsweise “der Reisläufer” oder “der Narr”.

Für die Kommunion gebraucht

Vier der wertvollen Silberplatten wurden 1886 von der Eidgenossenschaft als “vaterländische Altertümer” aus Köln repatriiert. Via Frankfurt waren sie nach Köln gekommen. Später gelangten sie in den Besitz des 1890 neu gegründeten Landesmuseums der Schweiz.

Die andern vier Platten wurden in Birmingham zu einer Schmuckkassette zusammengefügt. Sie waren im Kunsthandel via Frankreich nach England gelangt. Diese Schmuckkassette wurde ab 1925 in der St, George’s Hanover Square-Kirche für die Kommunion eingesetzt. Erst Anfang der 70er-Jahre erkannte ein Spezialist die Signatur von Urs Graf auf den Zeichnungen und damit den Wert des ganzen Objekts. So fanden sie den Weg ins Britische Museum.

Dass die Büste selbst irgendeinmal wieder auftaucht, schliesst von Roda nicht aus. Bis am 28.2. 2010 sind alle acht Silberplatten im Historischen Museum Basel ausgestellt. Danach gehen sechs in das Landesmuseum in Zürich.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Bernard von Clairvaux wurde 1090 bei Dijon geboren. Er verstarb 1163 in Clairvaux. Er war ein mittelalterlicher Abt, Kreuzzugsprediger und Mystiker. 1113 trat Bernard in das 1098 gegründete Kloster Citeaux, von dem sich der Name des Ordens, der Zisterzienser ableitet, ein.

Schon zwei Jahre später wurde er ausgeschickt, um ein neues Kloster zu gründen. Von dieser Abtei ging eine Erneuerung des klösterlichen Gemeinschaftslebens als auch der klösterlichen Baukunst aus. Der Zisterzienserorden wurde damals die strenge Alternative zum Benediktinerorden.

Bernard von Clairvaux wurde 1174 heiliggesprochen.

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