Kolumbien: Schweiz setzt ein Zeichen
Die Lage in Kolumbien, einem Schwerpunktland der Schweizer Friedens- und Menschenrechts-Politik, bleibt besorgniserregend prekär.
Die Schweiz hat an der laufenden Session der UNO-Menschenrechts-Kommission in Genf interveniert.
In ihrer Deklaration vor der Menschenrechts-Kommission rief die Schweiz die Regierung Kolumbiens und die anderen Konfliktparteien des Landes dazu auf, die Empfehlungen des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) sofort umzusetzen und das humanitäre Völkerrecht zu respektieren.
Morde, Entführungen, die Rekrutierung von Kindersoldaten und der Einsatz von Antipersonenminen seien ebenso beunruhigend wie die Lage der indigenen Bevölkerung, der Afro-Kolumbianer und der Frauen, die meist Opfer interner Vertreibungen seien, sagte der Schweizer Delegationsleiter bei der UNO in Genf, Jean-Daniel Vigny.
Menschenrechte stärken, Verhandlungen fördern
Vigny sprach am Dienstag vor einer speziellen UNO-Arbeitsgruppe zu Kolumbien. Dies allein sei schon ein wichtiges politisches Zeichen, erklärt Janine Voigt, Kolumbien-Expertin beim Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Die politische Abteilung IV zur zivilen Konfliktbearbeitung im EDA ist seit mehreren Jahren in Kolumbien aktiv: Hauptziele sind die Stärkung der Menschenrechte und Verhandlungslösungen auf diplomatisch-politischer Ebene.
Derzeit präsidiert die Schweiz zudem eine Gruppe von 24 Staaten, die im Vorjahr eine wegweisende Deklaration verabschiedet hatte: Der Regierung unter Präsident Alvaro Uribe wurde Unterstützung zusagt: Unter der Bedingung, dass der Rechtsstaat respektiert und die Empfehlungen des UNHCHR prompt umgesetzt werden.
Empfehlungen nicht befolgt
Dies blieb jedoch aus: Das UNHCHR stellte in einem jüngst veröffentlichten Bericht zur Lage in Kolumbien weiterhin systematische Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts fest und beklagte eine «Zunahme der Klagen über willkürliche oder illegale Verhaftungen, Verschwinden lassen und aussergerichtliche Hinrichtungen».
Aus Sicht der Schweiz kritisierte Vigny vor der Arbeitsgruppe in Genf, dass das Militär mittels eines Anti-Terror-Status nun Aufgaben der Kriminalpolizei übernehmen soll. Die Regierung Kolumbiens müsse individuelle Rechte im Rahmen der internationalen Normen schützen, appellierte Vigny.
Furcht vor noch mehr Repression
Menschenrechts-Organisationen befürchten, dass der Anti-Terror-Gesetzesentwurf zu noch mehr Repression führen wird: Meinungs- und Pressefreiheit würden noch mehr eingeschränkt und Verhaftungen auf blossen Verdacht hin möglich. Zudem sollen dem Militär gar juristische Befugnisse zugestanden werden.
Auch das UNHCHR wies darauf hin, dass der Gesetzesentwurf den Empfehlungen der UNO zuwiderläuft. Uribe hat indes seine militärisch abgestützte Sicherheitspolitik der Verfassung und dem internationalen Recht übergeordnet.
Die Lage im Land – man spricht von der grössten humanitären Krise in der westlichen Hemisphäre – ist immer noch dramatisch: Kolumbien hat weltweit eine der höchsten Zahlen an Gewalt-Todesopfern, Entführungen und Vertriebenen. Dabei werden die meisten Fälle nicht geahndet.
«Trotz der Konfliktsituation muss ein Minimum an Rechtssicherheit geschaffen werden, die von zivilen statt militärischen Instanzen garantiert wird», betont EDA-Expertin Voigt.
Zivilgesellschaft unterstützen
Leidtragende ist die Zivilgesellschaft. Zwischen die Fronten geraten oft indigene Völker. «Es kam wiederholt zu Massakern in unseren Territorien. Diese werden beschlagnahmt und zerstückelt. Wir leben wie Gefangene», berichtet Abadio Green Stocel, Theologe und Präsident der Indigenen-Organisation OIA.
In Genf, Bern und anderen europäischen Städten wirbt er zur Zeit für eine humanitäre Beobachtermission, zumal die Beschlagnahmung von Land durch paramilitärische Verbände und Vertreibungen der Indios andauern.
«Indigene leben gerade in Gebieten mit Bodenschätzen», sagt EDA-Expertin Voigt. «Wir wären bei einer humanitären Kommission zur Beobachtung der Lage dabei», meint sie zum Lobbying der OIA, für die Folgehandlungen müsste aber auch die Regierung Kolumbiens einbezogen werden. Derweil müsse die Zivilbevölkerung für ihre aktive Rolle im Friedensprozess gestärkt und vor Übergriffen der Konfliktparteien geschützt werden, betont Voigt.
swissinfo und Viera Malach, Infosüd
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