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Tropischer Kuhtod beunruhigt Schweizer Experten

Der betroffene Betrieb ausserhalb von Chur. Keystone

Eine in der Schweiz praktisch unbekannte tropische Krankheit sorgt für Angst unter Bauern und Experten.

Im Graubünden soll eine Herde von 300 Rindern notgeschlachtet werden. Der Besitzer will um seine Rinder kämpfen.

Weil einige der Rinder seit dem Ausbruch (aber vor der Entdeckung) der Krankheit «Anaplasmose» verkauft wurden, sei es möglich, dass diese die Erreger in sich trügen.

«Falls diese Rinder von Zecken gebissen werden und die Blutsauger zu anderen Tieren wandern, könnte sich die Krankheit weiter ausbreiten», sagt Professor Ueli Braun von der Klinik für Wiederkäuer- und Pferdemedizin der Universität Zürich gegenüber swissinfo. «Ich denke aber, dass diese Gefahr klein ist.»

Die verkauften Rinder seien lokalisiert worden. «Es wird bestimmt noch eine Woche dauern, bis bekannt wird, ob verkaufte Rinder angesteckt sind. Sie werden zur Zeit untersucht.»

Besitzer kämpft um Rinder

Der betroffene Bündner Viehhändler will nun einen Teil der Herde retten. Rund einem Drittel der Rinder gehe es gut, sagte er am Dienstag. Durch den Verlust aller 300 Tiere würde ihm ein Verlust von einer Million Franken entstehen.

Die Schweiz war auf diese tropische Krankheit klar nicht vorbereitet. «98 der 300 Kühe zeigen lebensbedrohliche Blutwerte», sagt Braun.

Denn die wenigsten Kühe in der Schweiz seien immun gegen die so genannte Anaplasmose. Darum sei diese Herde auch so stark von der Krankheit betroffen.

Blutsauger stecken an

Die Gallenseuche (Anaplasmose) ist eine bakterielle Krankheit. Sie wird vor allem durch Zecken, Mücken und andere Blutsauger übertragen.

Wie Ueli Braun erklärt, werden die roten Blutkörperchen durch einen Parasiten angegriffen und zerstört. Die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit liege zwischen 2 und 6 Wochen.

Tod durch Schwäche

Die Tiere leiden an hochgradiger Blutarmut und Fieber und sterben nach kurzer Krankheit an Schwäche. Es können dabei auch tollwutartige Erscheinungen auftreten.

Die Gallenseuche ist in den Tropen und Subtropen verbreitet. Vor allem die Viehbestände in den USA, Australien und im südlichen Afrika sind häufig von Fällen betroffen. Dort wird die Krankheit auch Texasfieber genannt.

In Europa ist einzig Frankreich auf seiner tropischen Insel La Réunion akut betroffen. Weltweit sind rund 300 Mio. Tiere durch die Erkrankung gefährdet.

Zeckenstiche machen immun

In Südamerika ist die Krankheit ansteckend. Dort haben die Tiere eine natürliche Immunität entwickelt.

«Wenn man in Brasilien ein Tier kauft, kommt es in Quarantäne, bevor es zur Herde gelassen wird», sagt der brasilianische Veterinär Marcio Folly vom Freiburgischen Agro-Lebensmittellabor gegenüber swissinfo.

«Dann wird das Tier während sieben Tagen mit Zecken gestochen. Eine Art natürliche Impfung, und es funktioniert!» Doch in unseren Breitengraden könne die Krankheit grossen Schaden anrichten.

«Die Krankheit ist nicht auf den Menschen übertragbar», beruhigt Folly.

Zwei mögliche Übertragungen

Wie Marcio Folly ausführt, kann eine Ansteckung durch Insekten oder durch das Benutzen der gleichen Spritze bei mehreren Kühen geschehen. «Wir nennen das die mechanische Übertragung der Krankheit.»

Anaplasmose ist eine heilbare Krankheit. Doch die Behandlung ist teuer und dauert lange. Mit Antibiotika und Bluttransfusionen können Kühe gerettet werden.

Während der Behandlung kann die Milch nicht verwertet werden, und erfolgreich behandelte Kühe bleiben ihr Leben lang Träger des Bakteriums. Kälber bis zum 9. Monat sind gegen die Krankheit resistent.

An der Universität Zürich wurden im Juli zwei Kühe erfolgreich behandelt. «Doch wir können nicht Transfusionen bei einer ganzen Herde durchführen», sagt Ueli Braun.

Herkunft der Erreger unklar

Anaplasmose war in der Schweiz zum letzten Mal vor 18 Jahren aufgetreten. Doch Ueli Braun betont, dies sei nur eine kleine Herde gewesen.

Über die Herkunft der Erreger kann vorerst nur gerätselt werden. Braun: «Wir denken, dass die Krankheit von ausserhalb der Schweiz in die Herde kam, doch sicher sind wir noch nicht.»

Christian Raaflaub, swissinfo

1,7 Millionen Rinder und Kühe in der Schweiz
Name der Krankheit: Gallenseuche (Anaplasmose)
Hauptsächlicher Überträger: Zecken
300 Millionen Tiere weltweit gefährdet
Krankheit auf Menschen nicht übertragbar

Rund 300 Rinder eines Viehhändlers bei Chur (GR) sollen notgeschlachtet werden. Knapp ein Drittel davon zeigte laut Experten lebensbedrohliche Blutwerte.

Vor der Entdeckung der Gallenseuche (Anaplasmose) wurden einige Rinder verkauft. Darum befürchten die Behörden nun eine weitere Ausbreitung der Krankheit.

Der betroffene Viehhändler will nicht alle Tiere schlachten lassen. Rund einem Drittel der Rinder gehe es gut, sagte er.

Die Krankheit kommt im Normalfall in tropischen und subtropischen Ländern vor, wo die Tiere zum Teil immun dagegen sind oder gemacht werden können.

Die Krankheit wird durch Zeckenbisse übertragen. Die Krankheit ist auf Menschen nicht übertragbar.

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