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Wikipedia feiert zehnten Geburtstag

Wikipedia - ein Gemeinschaftswerk von Hundertausenden von Menschen. Keystone

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia feiert ihr 10-Jahre-Jubiläum. Das rege genutzte Internet-Nachschlagewerk löste immer wieder Diskussionen zu Fragen der Objektivität und Kontrolle aus.

Das Wissensnetz Wikipedia wurde am 15. Januar 2001 in den USA lanciert.

Heute zählt das Online-Lexikon weltweit über 17 Millionen Artikel in rund 270 Sprachen.

Wikipedia gehört heute zu den zehn meistbesuchten Webseiten: Jeden Tag werden über 430 Millionen Seiten aufgerufen.

Auch in der Schweiz trifft die erfolgreiche Online-Enzyklopädie auf Anerkennung: Am 26. Januar 2011 erhält Wikipedia-Begründer Jimmy Wales in Rüschlikon bei Zürich den Gottlieb-Duttweiler-Preis für “seine Verdienste um die Demokratisierung des Wissenszugangs”.

Wikipedia wurde indes auch immer wieder scharf kritisiert. So wurde die Webseite etwa 2005 von einer Sammelklage bedroht (“Wikipedia Class Action”), bei der sich Personen, die sich durch Fehler und verleumderische Informationen verletzt fühlten, zusammenschlossen hatten.

Im Fall von John Seigenthalter, dem Berater von John Fitzgerald Kennedy, stand etwa in einem Wikipedia-Artikel zu lesen, dass dieser in Verbindung mit den Morden an John F. Kennedy und dessen Bruder Robert gestanden haben soll.

Labor für interaktives Internet

Laut Olivier Glassey, Dozent an der Universität Lausanne und Spezialist für neue Medien, ist Wikipedia durchaus eine Erfolgsgeschichte: “Innerhalb von zehn Jahren haben Hundertausende von Menschen zur Schaffung einer enormen Wissensquelle beigetragen, die kostenlos zugänglich ist – auch wenn sie nicht perfekt ist. Es gibt in unserer Zeit nicht viele vergleichbare Beispiele”, sagte er gegenüber swissinfo.ch.

Wikipedia sei bereits lange bevor es soziale Netzwerke gab ein Labor für interaktives Internet gewesen. Mit Wikipedia konnte man im Internet nicht nur Informationen erhalten, sondern auch selbst welche kreieren.

Für Glassey hat Wikipedia auch viele wichtige Diskussionen in Bezug auf Objektivität und Wahrheit ausgelöst, die das Internet allgemein betreffen: “Es gibt im Internet eine Fülle von Informationen, die wir täglich nutzen, auch wenn wir nicht immer Gewissheit über deren Vertrauenswürdigkeit haben.”

Adminstratoren wachen über Enzyklopädie

Anfangs war man der Ansicht, dass möglichst grosse Offenheit der Qualität dienlich ist.

Später wurden indes verschiedene Instrumente für die Wikipedia-Gemeinde eingeführt, um Fehlinformationen zu vermeiden.

Heute ist es wesentlich schwieriger geworden, neue Inhalte beizutragen: Von der Wikipedia-Community gewählte Administratoren wachen über die Enzyklopädie.

In klaren Fällen von Manipulation haben sie die Möglichkeit, ganze Einträge oder auch nur Teile davon zu löschen. Unvollständige Beiträge oder solche, die von anderen Verfassern übersetzt wurden oder Diskussionen auslösten, werden klar gekennzeichnet.

Es seien auch Anstrengungen gemacht worden, um Verleumdungen möglichst schnell vom Netz zu nehmen und die Nutzer dafür zu sensibilisieren, namentlich in Bezug auf Biografien und Quellenangaben, so Frédéric Schütz, Pressesprecher von Wikimedia Schweiz.

Wikipedia habe einst als eines der schnellsten Medien gegolten; dies habe sich in der Zwischenzeit etwas verändert. So würden etwa kontroverse Beiträge nicht sofort aktualisiert.

Dank der grossen Anzahl von Artikeln könnten bei einem unvorgesehenen Ereignis zudem bereits bestehende Artikel aktualisiert werden, ohne gleich neue verfassen zu müssen.

Neutralität dank Diversität

Seit einigen Jahren stagniert die Anzahl der Wikipedia-Autoren: “Die Wikipedia-Community braucht neue Personen, um den Generationenwechsel zu garantieren”, sagt Glassey.

Es sei wichtig, dass Wikipedia-Autoren möglichst verschiedene kulturelle Hintergründe hätten, damit Ereignisse differenziert analysiert werden könnten. “Mittels Diversität kann eine gewisse Neutralität geschaffen werden”, so Glassey.

Einer möglichen Zusammenarbeit mit bedeutenden Firmen oder Persönlichkeiten – wie etwa jene von Wikimedia Frankreich mit der Nationalbibliothek – steht Glassey skeptisch gegenüber: “Wikipedia muss darauf bedacht sein, dass es für alle zugänglich bleibt.”

Würde die Community vorwiegend aus Akademikern bestehen, könnte dies die Basis laut Glassey einschüchtern und davor abhalten, noch Beiträge zu verfassen. “Wikipedia ist keine Austauschsplattform von Experten.”

Dem pflichtet auch Frédéric Schütz bei: “Das Online-Lexikon soll einfach nützlich sein.”

Der Begriff Wikipedia setzt sich aus Wiki, was auf Hawaiianisch “schnell” bedeutet, und “Encyclopedia” (Englisch für Enzyklopädie) zusammen.

Wikis sind Websites, die es jedem Internetnutzer ermöglichen, daran mitzuarbeiten.

Bestand hat, was von der Gemeinschaft akzeptiert wird.

Als erste entstand Anfang 2001 die englischsprachige Wikipedia. Alle Sprachprojekte werden von der US-amerikanischen Wikimedia Foundation betrieben.

Wikipedia, die “freie Enzyklopädie”, räumt jedermann das Recht ein, Inhalte – sofern Ursprungsautoren und Versionsgeschichte genannt werden – auch kommerziell zu nutzen, zu ändern und zu verbreiten.

(Übertragung aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

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