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Menschliches Versagen führte zu Crossair-Absturz

Sieben Passagiere und drei Besatzungs-Mitglieder kamen beim Absturz ums Leben. Keystone

Zehn Menschen starben beim Absturz einer Crossair-Maschine im Januar 2000 bei Nassenwil im Kanton Zürich. Verantwortlich dafür ist laut dem Büro für Flugunfall-Untersuchungen (BFU) menschliches Versagen.

Der am Montag publizierte BFU-Bericht rügt auch die Ausbildung der beiden Piloten.

Die Saab 340B war am 10. Januar 2000 in Zürich-Kloten zu einem Linienflug nach Dresden gestartet und kurz darauf mit den sieben Passagieren und drei Besatzungsmitgliedern in Nassenwil am Boden zerschellt.

Das Büro für Flugunfall-Untersuchungen (BFU) listet in dem am Montag veröffentlichten Untersuchungs-Bericht fünf Punkte auf, die zum Kontrollverlust über das Flugzeug geführt hatten:

– Die Besatzung reagierte unzweckmässig auf die Änderung der Instrumenten-Abflugroute durch den Kontrollturm.

– Der Kopilot machte ohne Auftrag des Kommandanten eine Eingabe ins Flugmanagement-System (FMS), welche die Änderung des Instrumentenabflugs betraf. Dabei unterliess er die Wahl einer Drehrichtung.

– Der Kommandant verzichtete unter Instrumentenflug-Bedingungen und während der arbeitsintensiven Flugphase des Steigflugs auf den Einsatz des Autopiloten.

– Der Kommandant steuerte sodann die Maschine in eine Steilspirale nach rechts, weil er laut BFU mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die räumliche Orientierung verloren hatte.

– Der Kopilot seinerseits traf nur unzureichende Massnahmen, um den Spiralsturz zu verhindern oder abzufangen.

Ungenügende Kommunikation

Fünf weitere Faktoren können gemäss den Flugunfallexperten zum Absturz beigetragen haben. Dazu gehört der Umstand, dass der moldawische Kommandant von der Crossair “nicht systematisch mit den Eigenheiten westlicher Systeme und Cockpitverfahren vertraut gemacht” wurde.

Erwähnt werden auch die Sprachkenntnisse. Zwar sei das Englisch des Kommandanten für Routineoperationen im Cockpit genügend gewesen. In Nicht-Standard- und Notsituationen müsse dagegen an der Sprachkompetenz gezweifelt werden.

Im ganzen dokumentierten Ablauf der Zusammenarbeit von Kommandant und Kopilot während des Unfallflugs sei – mit einer Ausnahme – nur das absolut nötige Minimum an Kommunikation festzustellen. “Zusammenfassend kann man sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen Kommandant und Kopilot nicht gut war”, sagte BFU-Chef Jean Overney auf Anfrage.

Unter Medikamenteneinfluss

Möglicherweise waren laut Bericht die Fähigkeiten des Kommandanten auch durch ein Medikament eingeschränkt. Im Muskelgewebe wurden Spuren eines rezeptpflichtigen, russischen Beruhigungsmittels gefunden.

Laut BFU blieb der Kommandant möglicherweise auch einseitig auf Wahrnehmungen fixiert, die ihm eine Drehrichtung nach links suggerierten. Er griff zugleich unter Stress bei der Interpretation der Fluglage-Anzeigeinstrumente auf ein früher gelerntes Reaktionsmuster zurück.

Als weiteren möglichen Punkt nennt der Bericht, dass die Besatzung nach Änderung des Instrumentenabflugs unzweckmässige Prioritäten gesetzt habe und einseitig konzentriert geblieben sei.

Das Crossair-Pilotencorps hatte damals wegen rascher Expansion und wegen des ausgetrockneten Arbeitsmarktes relativ viele ausländische Mitarbeiter mit verschiedener Grundausbildung erhalten. Viele hätten über eine relativ kurze Berufserfahrung in verschiedenen fliegerischen Kulturen verfügt, heisst es im Bericht.

Sicherheits-Empfehlungen



Der Absturz der Crossair-Maschine hat in der Schweizer Luftfahrt zu neuen Sicherheits-Vorschriften geführt. Im Laufe der Untersuchung verfasste das BFU elf Sicherheitsempfehlungen zu Handen des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL), die teilweise in neue Sicherheitsvorschriften mündeten.

Wie das BAZL am Montag bekannt gab, wurden zudem bei der damaligen Firma Crossair spezielle Anpassungen angeordnet.

Diese betrafen das Vorgehen beim Programmieren des Flight Management Systems (FMS) und die Bedienung des Autopiloten. Dabei seien die Besatzungen angehalten worden, den Autopiloten immer dann zuzuschalten, wenn sie sich in Flugphasen mit hoher Arbeitsbelastung befänden, unter anderem auch während der Programmierung des FMS.

Was die Validierung (Anerkennung) ausländischer Pilotenlizenzen betrifft, so änderte das BAZL seine Praxis aufgrund der Einführung der europäischen Normen, der Joint Aviation Requirements (JAR).

Die Voraussetzungen für die Übernahme einer Lizenz aus Ländern, die nicht JAR anwenden, wurden strenger. So gibt es beispielsweise künftig keine Lizenz mehr, wenn der Pilot nicht zuvor von einen Fliegerarzt in der Schweiz untersucht wurde.

Trotz Einsprachen veröffentlicht



Der Untersuchungsbericht konnte am Montag trotz hängiger Einsprachen veröffentlicht werden, weil eine Verordnungsänderung des Bundesrats in Kraft trat.

Bisher konnten nur Schlussberichte publiziert werden. Zuvor mussten alle Einsprachen bei der Eidgenössischen Flugunfallkommission erledigt sein.

swissinfo und Agenturen

Am 10. Januar 2000 stürzte eine Saab 340 der Crossair bei Nassenwil im Kanton Zürich ab
Drei Besatzungs-Mitglieder und sieben Passagiere kamen ums Leben
Der Schlussbericht über die Unfallursache war schon auf Ende 2001 erwartet worden

Das BFU war bereits im August 2002 in einem ersten Entwurf zu den selben Schlüssen gelangt.

Moritz Suter, der ehemalige Crossair-Chef, erhob im März 2003 Rekurs gegen den Bericht.

Der Bericht über den Absturz der Saab 340B der Crossair enthält seiner Ansicht nach sachliche und materielle Fehler.

Die Eidg. Flugunfall-Kommission (EFUK) wird den Rekurs Suters bis anfangs 2004 prüfen.

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