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Museum der 5. Schweiz in Gefahr

Das Museum im Schloss Penthes befindet sich an einer wunderbaren Lage.. ge.ch / M. Faustino

Genf will laut den Museumsverantwortlichen den Pachtvertrag mit der privaten Stiftung im Schloss Penthes nicht verlängern. Die Behörden wollen bis Ende Jahr zu einer Entscheidung gelangen.

Seit seinem 30-jährigen Bestehen befindet sich das Auslandschweizer-Museum im Schloss Penthes, einem begehrten Grundstück mit Blick auf die Stadt Genf. Nun droht die Nichtverlängerung des Mietvertrags auf den 31. Januar 2012.

Dies ist die Befürchtung von Guy Mettan, des Präsidenten des Grossen Rates, des Genfer Kantonsparlamentes. “Seit 2008 bemüht sich die Stiftung, den Mietvertrag um weitere 30 Jahre zu verlängern. Die Genfer Behörden haben bislang noch keine Zustimmung erteilt. Sie haben im Gegenteil wissen lassen, dass sie andere Nutzungen für Schloss Penthes in Betracht ziehen”, erklärt Mettan in einer im Parlament eingereichten Motion.

Museumsdirektor Anselm Zurfluh sagt, die an Mark Müller, den Leiter der Abteilung für Hochbau und Informationstechnik (DCTI), geleiteten Briefe in dieser Sache seien seit 2008 unbeantwortet geblieben.

Stiftungspräsident, Bénédict de Tscharner kritisiert dieses Verhalten: “Uns hat das Schweigen des Kantons gestört, obwohl wir zahlreiche Anfragen gestartet haben. Als wir hartnäckig blieben, reagierten die Behörden mit der Ankündigung, eine Arbeitsgruppe zu schaffen, welche sich mit der Zukunft des Areals beschäftigen sollte – aus der Perspektive eines anderen Nutzens, vor allem im Kontext des internationalen Genfs.”

Antwort in Aussicht

Das von swissinfo.ch kontaktierte Departement von Mark Müller wollte keine klaren Aussagen machen. “Es sind Gespräche im Gange”, erklärt dessen Kommunikationsverantwortlicher Laurent Forestier.

DCTI-Generalsekretär Robert Monin, präzisiert: “Wir haben nicht die Absicht, das Museum und seine Stiftung diskussionslos gehen zu lassen. Ihr möglicher Transfer ist eine Option unter anderen. Die Arbeit der Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Dossier beschäftigt und in der auch Museumsvertreter sitzen, wird uns erlauben, Ende Jahr dem Staatsrat sämtliche Optionen zu präsentieren.”

Die Museumsverantwortlichen bestreiten die Zuständigkeit des DCTI nicht, über das dem Kanton gehörende Grundstück zu bestimmen. “Aber wenn wir keinen neuen Mietvertrag erhalten, bedeutet dies das Ende des Auslandschweizer-Museums, und das betrifft die ganze Schweiz”, sagt Anselm Zurfluh.

Auch Stiftungsräte haben begonnen, sich zu manifestieren. So hat der ehemalige Kulturminister Pascal Couchepin einen Unterstützungsbrief an den Leiter des DCTI geschickt, aber auch Jacques-Simon Eggli, Präsident der Auslandschweizer-Organisation ASO, wurde aktiv.

“Der Genfer Staatsrat – die Kantonsregierung – sollte Gespräche mit der Stiftung aufnehmen, an denen geklärt werden sollte, ob die Aktivitäten hier oder an einem anderen Ort weitergeführt werden können. Eine Entscheidung sollte so rasch als möglich gefunden werden”, sagt Jacques-Simon Eggli gegenüber swissinfo.ch. Er sieht im Moment für seine Organisation keine andere Möglichkeit, sich einzubringen.

“Dieses Museum ist interessant für alle Schweizer, ob sie nun im Ausland leben oder nicht”, sagt der ASO-Präsident. “Seine Lage in Genf rechtfertigt sich auch dadurch, weil es immer heisst, die Präsenz der Schweiz im internationalen Genf müsse gestärkt werden.”

Kaum reproduzierbare schwierige Kombination

Ohne klare Zukunftsperspektive ist das Museum heute teilweise gelähmt. Es kann nicht auf mittlere Sicht geplant werden, keine Ausstellungen, keine Entwicklungen des Museums und auch nicht die Suche nach Sponsoren.

Eine lästige Blockade, denn die Museumsverantwortlichen betonen, dass sie keinerlei Subventionen beanspruchten. Ein Teil des Budgets von rund 700’000 Franken wird einersseits durch Spenden aufgebracht und andererseits durch die Einkünfte des Restaurants und der Konferenzräume.

“Die Kombination zwischen dem von internationalen Funktionären sehr gut frequentierten Restaurant und dem Konferenzzentrum erlaubt es uns, das Museum am Leben zu erhalten. So erhalten wir für temporäre Ausstellungen und Projekte zum Teil Gelder von Sponsoren, die nur spezifische Projekte finanzieren wollen und nicht den Betrieb des ganzen Museums”, sagt Bénédict de Tscharner.

Mit anderen Worten: Die verantwortlichen des Museums können sich bei einem Umzug die Zukunft des Museums für Auslandschweizer nicht vorstellen. Auch wenn sie bereit sind, mit dem Kanton Genf die künftige Zuteilung des Schloss Penthes zu diskutieren.

“Unser Museum hat sicher Fehler und Schwächen”, bekennt Bénédict de Tscharner. “Aber seit 30 Jahren hat unsere Stiftung investiert, renoviert, gepflegt und diesen Ort gefördert. Wir haben einen Platz erlangt im kulturellen und internationalen Genf.”

Eine solide Geschichtsschreibung

Das Museum Penthes sei darüber hinaus einzigartig in der Schweiz: “Unser Museum zeigt nicht nur ein soziologisches Phänomen wie die Auswanderung aus der Schweiz über die Jahrhunderte. Wir konzentrieren uns vor allem auf aussergewöhnliche Persönlichkeiten, Militärs, Forscher und Wissenschafter. Schweizer eben, die mit der Welt interagieren”, sagt Bénédict de Tscharner.

Gerade dieser Themenbereich wurde laut dem Historiker Marc Perrenoud, einem der Autoren des Historischen Lexikons der Schweiz, in den letzten Jahren von der Forschung gern aufgenommen.

Das Museum von Schloss Penthes sammelt und zeigt historische Gegenstände und Zeugnisse zur Geschichte der Auslandschweizer vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Die Sammlung umfasst Originaldokumente, wie zum Beispiel militärische Patente und Abschiede, Verträge, Briefe, Tagebücher, Presseerzeugnisse, Landkarten, Photographien, Briefmarken, Reiseberichte usw.

Die Sammlung enthält auch alte und neue Literatur, Stiche, Porträts und Ansichten, Skulpturen, Waffen, Uniformen und Kleider, Fahnen, Medaillen und Orden, Möbel, persönliche Effekten.

Dabei handelt es sich ausschliesslich um Gegenstände, die Teil des schweizerischen und internationalen geschichtlichen Erbes bilden.

Im Jahr 1860 gab es 30 Schweizer Vereine im Ausland, 1880 deren 84, fünf Jahre später waren es 142, 1928 bereits deren 800, 1965 gab es wieder etwas weniger, nämlich 700.

Heute existieren mehr als 750 Schweizer Vereine und Institutionen im Ausland, die von der Auslandschweizer-Organisation (ASO) anerkannt sind.

1850 lebten 50’000 Schweizer im Ausland, 1880 deren 250’000, 1895 waren es 330’000 und vor 1914 fast 380’000.

2009 waren 684’974 Schweizer bei den diplomatischen Vertretungen im Ausland registriert. Im Jahr 2000 waren es noch 580’396.

(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

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