
Nemo: «Ich bin in einem Raum zwischen Mainstream und Experiment»

Anderthalb Jahre nach dem Triumph am Eurovision Song Contest in Malmö veröffentlicht Nemo mit "Arthouse" das erste Album. Darauf wird der Bereich zwischen Mainstream und Experiment ausgelotet, wie Nemo im Interview mit Keystone-SDA sagt.
(Keystone-SDA) Nemo, vor anderthalb Jahren erlebten Sie am ESC Ihren grossen Triumph. Sie haben sich nun aber viel Zeit gelassen bis zur Veröffentlichung Ihres ersten Albums. Warum?
Das erste Album gibt es nur einmal. Mir war es sehr wichtig, dass es ein Projekt wird, das ich zu hundert Prozent liebe und das alles enthält, was ich mir vorgenommen habe. So etwas braucht Zeit. So viel Zeit war es unter dem Strich aber nicht. Ich musste viel in die Promotion vom ESC-Song «The Code» stecken.
Ihr ESC-Hit «The Code» hat wie eine Art Bonus den letzten Platz auf Ihrem Album. Ging es Ihnen darum, den ganzen ESC-Wirbel etwas abklingen zu lassen?
Ich habe seit «The Code» eine musikalische Reise unternommen, um mich mehr zu finden und zu definieren. Der Entscheid, den ESC-Song an den Schluss zu setzen, war ein musikalischer, der sich nach dem Durchhören aller Titel ergab. Ich stelle mir das Album als Haus vor, das man durchschreitet und am Schluss im Garten landet. Dort befindet sich dann «The Code».
Um beim Haus zu bleiben: Sie nannten Ihr Album «Arthouse». Ist das eine bewusste Abkehr vom Mainstream?
Ich fragte mich, warum es diesen Begriff «Arthouse» nur im Film und nicht auch in der Musik gibt. Es ist ein Genre im Film, das ich sehr gerne mag. Ich selber sehe mich in einem Raum zwischen Mainstream und experimenteller Musik. Es war für mich wichtig, diesen Begriff im Kontext der Musik und dieses Albums zu entdecken und für die Musik, die ich mache, zu generieren. Andererseits ist «Arthouse» ein metaphorischer Ort oder ein Space, in dem die Songs stattfinden. Eben als Haus, in dem die Leute zusammenkommen, wo man das Ganze zelebrieren kann. Ich freue mich mega auf die Tour, die im Herbst dieses «Arthouse» auf die Bühne bringen wird.
Viele Songs auf Ihrem Album sind tanzbar, von Pop bis Rave. Ist dieses Haus ein Dance Club?
Das Haus hat Räume, in denen es sehr dancing abgeht – bei Song «Casanova» stellte ich mir einen grossen Ballsaal vor, «God’s a Raver» könnte das Badezimmer eines Clubs sein. Es gibt aber auch ganz andere Räume: «Unexplainable» stellte ich mir gewissermassen als Estrich vor. Letztlich ist es einfach ein Haus in meinem Kopf mit Räumen zum Tanzen und solchen, in denen man für sich sein kann.
Mit Ihrem expressiven Auftritt mit dem Song «Unexplainable» am ESC in Basel hatten Sie für Irritation gesorgt. Wie gingen Sie damit um?
Ich fand es spannend, diese Reaktionen wahrzunehmen. Wenn die Menschen mit etwas in Kontakt kommen, was sie nicht erwarten, reagieren sie irritiert. Davon lebt die Kunst. Irritation kann dazu führen, dass man Dinge hinterfragt. Ich hoffe, dass ich vermitteln konnte, wie sich viele Leute, queere Leute momentan in dieser Welt fühlen. Mich selber irritiert das Gefühl, nicht verstanden zu werden in dieser Welt.
Und das wollen Sie in der Musik ausdrücken?
Ich bin der Meinung, dass Musik nicht nur Entertainment sein soll, nicht etwas, was nur Freude und schöne Gefühle auslöst. Musik steckt ein ganzes Spektrum ab. Im Film begegnen wir ja auch unangenehmen Momenten, warum soll das nicht in der Musik so sein?
Ihr Album hat beides, tanzbare und positive Emotionen und zugleich inhaltliche Momente der Irritation. Wollen Sie vermitteln, dass auch das Tanzen nicht nur Fröhlichkeit ist?
Das Album lebt vom Kontrast von meiner ureigenen Welt zur Welt, wie sie heute ist. Mein Universum ist ein Umfeld, in dem ich mich extrem wohlfühlen kann. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass dies einen grossen Kontrast zur Welt ausserhalb darstellt. Das ist es wohl, was Sie aus den Songs herausgehört haben.
Eine Frage noch zur rosa Hasenmütze: Warum muss oder warum darf sie sein?
Die Mütze darf jetzt wieder sein, weil es kälter wird. Ich musste im Sommer auf sie verzichten. Ich freue mich also sehr auf die Winterzeit, in der sich Ihre Frage nicht mehr so stellen wird. Ich mag sie, sie ist wie eine Perücke, die meinen Kopf auf eine schöne Art ergänzt.