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Paul Klee und seine Zeit

Paul Klee, Tod auf d. Schlachtfeld, 1914, 172. (Feder auf Papier auf Karton, 9/8,5 x 17,3/17,6 cm). ZKP/Schenkung Livia Klee

Paul Klee ist zwar in der Schweiz geboren und gestorben, einen grossen Teil seines Lebens verbrachte er aber in Deutschland.

Dort liess er sich zum Kunstmaler ausbilden und dort feierte er den Höhepunkt seiner Karriere.

Gleichzeitig erlebte er in Deutschland auch schwierige Jahre in einer historisch äusserst bewegten Zeit: den ersten Weltkrieg, das Ende des zweiten Reichs, die Versuche der Weimarer Republik bis zum Aufkommen des Nationalsozialismus und nicht zu vergessen die Zeit des aufstrebenden Sozialismus in Europa.

Aus Klees Schriften spricht eine Art skeptische Distanz gegenüber politischen Systemen, weil er sich «zuerst als autonome und vor allem unkonventionelle Einzelperson» sah, wie die Soziologin und Kunsthistorikerin Rosalina Battiston gegenüber swissinfo erklärt.

Darin sei Klee ein moderner Mensch gewesen, vor allem ein moderner Künstler, ein Avantgardist, der das Volk respektiert habe. Paradoxerweise habe er eher eine gewisse Elite angesprochen.

Der grosse Krieg

«Ich trug diesen Krieg seit langem in mir. Deshalb betrifft er mich innerlich nicht», schrieb Klee in seinem Tagebuch. Den ersten Weltkrieg, der im August 1914 ausgebrochen war, thematisierte Klee in zwölf Werken. Sie waren zugleich abstrakt und expressiv.

Trotzdem kann man Klee laut Battiston nicht als politischen Künstler bezeichnen. Gleichwohl sei er nicht apolitisch gewesen: «Er interessierte sich für Politik, aber er wollte nicht, dass seine Kunst durch die Politik instrumentalisiert wird.»

Wie viele Liberale glaubte er an einen schnellen Sieg der Deutschen, musste sich aber eines Besseren belehren lassen. Klee wurde 1916 eingezogen und zuerst einem Reserveregiment zugeteilt, danach der Flugschule Gersthofen als Finanzsekretär.

Er konnte während des ganzen Kriegs zeichnen und erfuhr später, dass er dank seines Vaters nicht an die Front musste. «Er war privilegiert», bemerkt Rosalina Battiston.

Der Sozialismus

«Paul Klee glaubte an die allgemein gültigen Prinzipien der Gerechtigkeit, aber er identifizierte sich nie mit einem System», erklärt Battiston weiter.

«Wenn der Sozialismus jedem das Milieu lässt, das ihm passt, dann bin ich auch Sozialistin. Aber (…) mir fehlt der Glaube», schreibt seine zukünftige Frau Lily Stumpf, die sich zu jener Zeit ihren bürgerlichen Kreisen entfremdet und engen Kontakt zu den nach München geflohenen russischen Anarchisten pflegt.

Ein Monat vor dem Ende der kommunistischen Räterepublik München (1918 – 1919) trat Klee dem Revolutionären Aktionskomitee der Künstler bei: «Mein Werk und meine sonstige künstlerische Kraft und Erkenntnis stehen zur Verfügung!»

Wegen seiner Verbindung zur Linken wird er schliesslich 1920 vom Bauhaus in Weimar angestellt, in jenem Weimar, wo nach der deutschen Niederlage und der Abdankung von Wilhelm II. 1919 die Republik gegründet wurde.

Aber Klee hatte Mühe, die Ziele der Bewegung mit seinem Leben und seiner Arbeit in Einklang zu bringen. 1931 verliess er das Bauhaus und folgte einer Berufung an die Düsseldorfer Akademie.

Das Aufkommen des Nationalsozialismus

Am 20. Januar 1933 kamen die Nationalsozialisten an die Macht und setzten der Weimarer Republik ein Ende. «Dass dem Ganzen je zu helfen sei, glaube ich nicht mehr. Das Volk ist zu ungeeignet für reale Dinge, dumm in dieser Hinsicht», schrieb Klee seiner Frau.

Er stand zu diesem Zeitpunkt auf dem Gipfel seiner Karriere und war ein international viel beachteter Künstler. Die weit tragenden Konsequenzen der nationalsozialistischen Machtübernahme hatte er unterschätzt. Obwohl er ein Zeugnis über seine arische Herkunft vorlegte, entliess ihn die Akademie Düsseldorf.

Am 23. Dezember 1933 kehrte er nach Bern zurück. Dort beantragte er die Schweizer Staatsbürgerschaft, denn wie sein Vater war er Deutscher. Soweit sollte es jedoch nicht kommen, er starb kurz vor seiner Einbürgerung.

1937 organisierten die Nazis in München die Ausstellung «Entartete Kunst». Sie zeigten dort rund 700 Werke von Vertretern der Moderne, darunter auch siebzehn Arbeiten von Klee. Gleichzeitig liessen sie die Bilder der Modernen aus allen deutschen Museen entfernen.

Klees letzte Jahre waren einerseits geprägt von seinem persönlichen Drama durch die Krankheit, unter der er seit 1935 litt, und durch die kollektive Katastrophe, die die Nazis ausgelöst hatten. Trotzdem hielt Klee weiter Distanz.

«Dabei war er in der Schweiz dreifach diskriminiert», hält Battiston fest: «Als ‹bolschewistischer Künstler›, als Deutscher und als linker Intellektueller, der er nie war.»

Einige Historiker beschuldigten Klee vielmehr, er sei zu bürgerlich geworden. Für Christine Hopfengart, Konservatorin des Zentrums Paul Klee, ist Klees Einstellung gegenüber seiner Zeit jedoch eher seiner analytischen Natur zuzuschreiben: «Paul Klee war nicht Akteur, sondern Beobachter.»

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Paul Klee kommt am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee bei Bern zur Welt.

1898 zieht er nach München, um an der Kunstakademie zu studieren.

1906 heiratet er die Pianistin Lily Stumpf. Ihr Sohn wird 1907 geboren.

1916 wird er von der deutschen Armee eingezogen. Als Reservist hat er die Musse, um weiter zu malen.

1920 wird er als Professor ans Bauhaus in Weimar berufen.

1931 nimmt er eine Professur an der Düsseldorfer Akademie der Künste an.

1933, nachdem ihn die Nazis aus dem Schuldienst entlassen haben, kehrt er mit seiner Frau in die Schweiz zurück.

Am 29. Juni 1940 stirbt Paul Klee in Locarno-Muralto an den Folgen einer seltenen Krankheit.

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