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Armdrücken zwischen Rauchern und Nichtrauchern

Rauchen in geschlossenen Räumen, in denen gearbeitet wird oder die öffentlich zugänglich sind? Gemäss einer ersten Umfrage könnte dies verboten werden – doch der Ausgang der Abstimmung am 23. September ist noch offen. Keystone

Der Vorschlag, das Rauchen in geschlossenen öffentlichen Räumen und Arbeitsplätzen gesamtschweizerisch zu verbieten, würde vom Stimmvolk grünes Licht erhalten. Dies zeigt eine Umfrage der SRG SSR. Doch es könnte an der Urne auch noch auf Rot umschwenken.

In der ersten Umfrage zu den Abstimmungen vom 23. September 2012 hätten 59% die Initiative “Schutz vor Passivrauchen” angenommen, 36% hätten sie abgelehnt, 5% waren noch unentschlossen.

Dies zeigt die Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR. Die Ergebnisse zeigten aber auch, dass der Ausgang des Kampfes zwischen Rauchern und Nichtrauchern stark von der Mobilisierung für den Urnengang abhängen wird.

Gegenwärtig erlaubt das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen Restaurants und Hotels, Personal in Raucher-Räumen zu beschäftigen. In Betrieben, die kleiner als 80 Quadratmeter sind, darf geraucht werden, sofern eine kantonale Bewilligung vorliegt.

Diese Möglichkeiten würden nicht mehr bestehen, sollte die Volksinitiative zum Schutz vor Passivrauchen am 23. September angenommen werden.

Unterstützung erhält diese vor allem von Nichtrauchern, die sich in der Umfrage zu 64% dafür aussprechen, während 27% dieser Gruppe das Volksbegehren ablehnen und 5% unentschlossen sind. Ganz anders sieht es bei den Rauchern aus, die zu 74% Nein votieren wollen und von denen lediglich 26% dem Begehren zustimmen. Etwas gemischter die Haltung der Gelegenheitsraucher: Von diesen stimmen 53% dafür, 43% dagegen und 4% sind unentschlossen.

Für die Initiative spricht auch die grosse Unterstützung von Verbänden: Nicht weniger als 50 medizinische, gesundheitliche und gewerkschaftliche Organisationen sprechen sich für das von der Lungenliga Schweiz angeführte Begehren aus.

Kommt dazu, dass sich von den Rauchern lediglich 28% ganz sicher sind, am Urnengang teilnehmen zu wollen. Unter den Nichtrauchern wollen dies 42%, unter den Gelegenheitsrauchern 31%.

Doch die Abstimmungskampagne war zum Zeitpunkt der Umfrage zwischen dem 6. und 11. August noch gar nicht richtig angelaufen, erklärt Politologin Martina Imfeld vom Institut gfs.bern. Daher sei der Ausgang dieser Partie noch weitgehend offen.

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Föderalismus ist keine heilige Kuh mehr

Beide Lager hätten stichhaltige Argumente auf ihrer Seite, beobachtet Imfeld. Gegen die Initiative spreche das Argument, dass es sich um eine weitere Verschärfung handle, da das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen erst seit Mai 2010 in Kraft sei.

Dieses Gesetz erlaube es den Kantonen bereits, strengere Regeln einzuführen. Das haben bis heute 15 von ihnen getan: alle verbieten das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und erlauben nur separate Raucher-Räume (Fumoirs). Sieben dieser Kantone erlauben eine Bedienung in diesen Räumen, acht von ihnen haben dies verboten.

Dieses Mosaik von Regelungen könnte sich aber zu Gunsten der Initiative auswirken. So wurde denn auch in der Umfrage das Argument am meisten gutgeheissen, es brauche eine einheitliche Regelung in der gesamten Eidgenossenschaft.

Den Schweizerinnen und Schweizern scheint der Föderalismus also nicht mehr heilig zu sein. Man habe in den letzten zehn Jahren “eine leichte Tendenz zur Zentralisierung” festgestellt, hält Studienleiter Claude Longchamp von gfs.bern fest. In mehr als einer Abstimmung habe sich das Stimmvolk für Lösungen ausgesprochen, die einheitliche Vorschriften für das ganze Land vorgesehen hätten.

Trotzdem seien die Befürworter der Volksinitiative “Schutz vor Passivrauchen” weit entfernt davon, einen Start-Ziel-Sieg erwarten zu können. Im Normalfall holen Initiativen zu Beginn der Umfragereihen immer eine Mehrheit. Im Verlaufe der Abstimmungskampagnen nimmt die Unterstützung ab, und in den meisten Fällen kommt es an der Urne zu einem Nein, wie die Politologen erklären.

Weiteres Ja, das vielleicht ein Nein wird

Auch die Volksinitiative “Sicheres Wohnen im Alter” könnte dieses Schicksal erleiden. Diese will pensionierte Haus- und Wohnungseigentümer von der Grundsteuer auf dem Eigenmietwert ihrer Liegenschaft befreien. Dieses fiktive Einkommen entspricht in etwa der Miete, die erzielt werden könnte, wenn die Liegenschaft vermietet wäre.

Im Gegenzug sollen die Hypothekarzinsen nicht mehr abgezogen werden können und auch die andern Abzüge (Unterhalt, Renovation) wären stark eingeschränkt und an klare Bedingungen geknüpft.

Der vom Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) vorgeschlagene Verfassungstext wird in der ersten Umfrage mit 55% angenommen, 25% sind dagegen und ganze 20% haben sich noch keine Meinung gemacht.

Die grosse Unsicherheit bei diesem Thema könnte das Pendel im Verlauf des Abstimmungskampfes also auch noch in die andere Richtung schwingen lassen. Nur 27% der Befragten haben erklärt, sie würden an der Abstimmung über diese Vorlage ganz bestimmt ein Ja einlegen, 28% sind “eher dafür”. Gemäss den Erfahrungen der Politologen ändern jene, die sich in Umfragen “eher” in eine gewisse Richtung äussern, bis zur Abstimmung oft noch ihre Meinung.

In diesem speziellen Fall sehen die Forscher aber ein Element, das der Initiative einen leichten Vorteil verschaffen könnte: Zumindest bis zum Moment der Umfrage verfügten die Gegner noch über kein Argument, das eine Mehrheit hätte überzeugen können. Im Gegenteil sind die drei wichtigsten Argumente der Befürworter alle mehrheitsfähig: Der Eigenmietwert sei eine Schuldenfalle, Schuldenlose würden bestraft, die geltende Besteuerung sei ungerecht, sagen sie.

Ja zur Jugendmusikförderung

Um genauere Trends zum Ausgang der Abstimmung über die Initiativen zum Passivrauchen und Wohnen im Alter zu erhalten, muss auf jeden Fall die zweite Umfrage abgewartet werden, denn noch ist alles möglich.

Klarer sieht es bei der dritten Vorlage aus, die am 23. September an die Urne kommt. Der Bundesbeschluss zur Jugendmusikförderung findet in der ersten Umfrage eine breite Unterstützung von 68%; 23% sind dagegen, 9% noch unentschlossen.

Der Bundesbeschluss verlangt, dass Bund und Kantone die Musikausbildung fördern und Prinzipien für den Zugang von Jugendlichen zur Musikpraxis und für die Förderung der Begabtesten festlegen sollen. Es handelt sich dabei um einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative “Jugend + Musik”. Diese war zurückgezogen worden, weil sich die Initianten mit dem Gegenentwurf zufrieden erklärt hatten.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) ist die einzige Partei, die sich dem Anliegen klar entgegenstellt. Doch ihre Basis scheint der Parteilinie nicht zu folgen: Die FDP-Wählerschaft sprach sich mit 32% bestimmt dafür aus, mit 33% eher dafür, was zu einem Ja-Anteil von satten 65% führt.

Das Institut gfs.bern befragte zwischen dem 6. und 11. August eine repräsentativ ausgewählte Anzahl von 1203 Stimmberechtigten aus allen Sprachregionen der Schweiz per Telefon.

Aus Datenschutzgründen stellen die Bundesbehörden die Adressen von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern nicht mehr zur Verfügung. Daher werden sie in den Umfragen der SRG SSR zu Abstimmungen und Wahlen nicht mehr berücksichtigt.

Der Stichprobenfehler der Resultate liegt bei +/- 2.9%.

Auch für die dritte Abstimmung in diesem Jahr scheint das Interesse eher gering zu sein. In der ersten Umfrage gaben lediglich 38% der Befragten an, dass sie bestimmt an die Urne gehen würden.

Bei den Sprachregionen sind grosse Unterschiede feststellbar: In der italienischsprachigen Schweiz liegt die Stimmbeteiligung bei 24%, in der französischsprachigen Schweiz bei 37% und in der deutschsprachigen Schweiz bei 43%.

Aufgrund ihrer Erfahrungen schätzen die Politologen von gfs.bern, dass die Beteiligung schliesslich etwa 40% betragen wird. Dies sei eine unterdurchschnittliche Stimmbeteiligung verglichen mit dem Durchschnitt von etwa 45% der letzten vier Jahre, so die Spezialisten.

Dieses Jahr lag die Teilnahme bei den fünf Vorlagen der Abstimmung vom 11. März zwischen 43,1 und 45,1% und bei den drei Themen vom 17. Juni zwischen 37,7 und 38%.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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