Enkelkinder von Einwanderern können den roten Pass künftig schneller und billiger beantragen. Das Schweizer Stimmvolk sagt Ja zur Reform des Einbürgerungsverfahrens und zwar deutlich. Für die rechtskonservative Partei SVP bedeutet das eine weitere Niederlage in ihrem Kernthema, der Ausländerpolitik.
Nun also doch: Im vierten Anlauf stimmen Volk und Kantone für eine erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation. 60,4 Prozent der Stimmenden und 17 Kantone sagten Ja.
«Der Bundesrat nimmt das Ja der Bevölkerung mit grosser Genugtuung zur Kenntnis», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Abend vor den Medien. «Heute freue ich mich vor allem für diese jungen Menschen, die bei uns bestens integriert sind – sie gehören zu uns.» Es werde sich nun zeigen, wieviele der Drittgeneratiönler von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch machen würden.
In den nächsten Tagen beginne die Referendumsfrist zu laufen. Wenn kein Referendum eingehe, könne sich der Bundesrat an die Umsetzung des Gesetzes machen. «Ich gehe davon aus, dass die erleichterte Einbürgerung spätestens in einem Jahr in Kraft ist.»
Der Kompromiss
Eine ausländische Person dritter Generation darf ein Gesuch nur bis zu ihrem 25. Geburtstag einreichen. Sie muss in der Schweiz geboren und im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) sowie während mindestens fünf Jahren hier zur Schule gegangen sein. Auch ein Elternteil muss mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelebt und hier mindestens fünf Jahre die Schule besucht sowie eine Niederlassungsbewilligung erworben haben. Schliesslich muss auch ein Grosselternteil schon das Aufenthaltsrecht in der Schweiz gehabt haben.
Resultat eines Kompromisses
Die Vorlage war das Resultat eines Kompromisses. Im Verlauf der parlamentarischen Debatten wurden die Bedingungen für eine erleichterte Einbürgerung verschärft. Ausser der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP waren alle Parteien mit dem Kompromiss zufrieden.
Für die SVP bedeutet das heutige Ja eine weitere Niederlage in der Ausländerpolitik. Im letzten Jahr hatte sie bereits die Abstimmungen zur Durchsetzungsinitiative und zum neuen Asylgesetz verloren. Das Stimmvolk habe den Versprechungen Glauben geschenkt, dass die «sogenannte» dritte Generation immer gut integriert sei und es keine Kontrollen mehr auf Gemeindeebene brauche, lautete die Reaktion der Partei nach dem heutigen Ja.
Linke sieht Signal für offene Schweiz
Aus Sicht der Befürworter ist das klare Ja zur erleichterten Einbürgerung ein Signal für eine offene und tolerante Schweiz. Trotz einer «unehrlichen» und «rassistisch» geprägten Kampagne der Gegner hätten sich die Stimmbürger nicht täuschen lassen, schrieb die sozialdemokratische Partei SP. Von einem «grossartigen Sieg» sprach die SP-Abgeordnete Ada Marra, welche die Verfassungsänderung vor acht Jahren angestossen hatte.
Noch deutlicher äussertenn sich die Grünen. Die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation sei «überfällig» gewesen. Nun müsse der Zugang auch für andere Gruppen von Ausländerinnen und Ausländern erleichtert werden. Zufrieden zeigten sich auch die bürgerlichen Mitteparteien. Junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation seien meist nicht von gleichaltrigen Schweizerinnen und Schweizern zu unterscheiden, so die Christlichdemokratische Volkspartei CVP. Wichtig sei aber, dass es keinen Automatismus gebe. Als «Selbstverständlichkeit» für eine fortschrittliche Schweiz bezeichnet die BDP den Entscheid.
Vierter Anlauf erfolgreich
Dreimal hatte das Schweizer Stimmvolk Vorlagen zur erleichterten Einbürgerung bachab geschickt, das letzte Mal 2004. Damals stimmte eine knappe Mehrheit gegen die automatische Einbürgerung von Ausländern und Ausländerinnen der dritten Generation. Auch eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation wurde abgelehnt.
Die heutige Vorlage ging weniger weit: Sie betrifft nur die dritte Generation und sieht keine automatische Einbürgerung vor. Darin sieht gfs.bern denn auch einen der Hauptgründe für das heutige Ja: «Wir sehen weniger einen grossen Wandel in der Sache. Vielmehr war die Vorlage moderater als alle bisherigen», heisst es auf der Internetseite des Forschungsinstituts.
Mehr
Mehr
Iva Petrusic verkörpert die dritte Einwanderer-Generation
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Ich weiss, wer ich bin, und ich fühle mich wohl mit dem, was ich bin.» In den funkelnden Augen von Iva Petrusic zeigen sich das Selbstbewusstsein und die Besonnenheit jener Leute, die wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Mit 20 Jahren hat die junge Frau gelernt, in zwei Kulturen zurecht zu kommen, in…
Welche psychischen Herausforderungen mussten Sie nach Ihrer Auswanderung aus der Schweiz überwinden?
Trotz der Freude auf etwas Neues, kann Auswandern psychisch belastend sein. Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen – auch vertraulich via E-Mail möglich.
Wie kann die Monopolisierung der KI durch mächtige Länder und Unternehmen verhindert werden?
KI hat das Potenzial, viele Probleme der Welt zu lösen. Aber die reichsten Länder und Technologieunternehmen könnten versuchen, diese Vorteile zu beanspruchen.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Sollen Immigranten-Grosskinder den Schweizer Pass leichter erhalten?
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Auch wenn bereits Ihre Grossmutter und Ihr Grossvater in der Schweiz gelebt haben, hilft Ihnen das als Ausländer oder Ausländerin nicht unbedingt weiter, wenn Sie den Schweizer Pass erwerben wollen. Zurzeit gilt für junge Ausländer und Ausländerinnen der dritten Generation der gleiche Einbürgerungs-Prozess wie für deren Eltern und Grosseltern – ausser sie sind mit einem…
Standardisiert in der Bundesverwaltung einbürgern? Nein!
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Neu soll für unter 25-Jährige ein standardisiertes Einbürgerungsverfahren im schriftlichen Verfahren gelten. Die Zentralverwaltung in Bern würde aufgrund der Akten für alle Jungen in der ganzen Schweiz entscheiden. Im Zusammenhang mit dieser Vorlage ist der Begriff der «dritten Generation» irreführend: Ein Grosselternteil muss ein Aufenthaltsrecht besessen haben. Dabei kann es sich auch um eine vorläufige…
Nach drei Generationen muss Integration nicht bewiesen werden!
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Am 12. Februar kann das Schweizer Stimmvolk darüber abstimmen, ob junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation Anspruch auf eine erleichterte Einbürgerung erhalten sollen, wenn sie diese beantragen. Die erleichterte Einbürgerung würde nicht automatisch geschehen, denn die Betroffenen müssten ihren Willen bekunden, und zwar vor ihrem 25. Geburtstag. Ausserdem blieben die Bedingungen für den Zugang…
Nein, die Schweiz ist nicht «Einbürgerungs-Weltmeisterin»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Wenn man die Zahlen verschiedener Länder vergleicht, sind wir bei den Einbürgerungen quasi Weltmeisterin», sagte der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor kürzlich in einer TV-Debatte in der Sendung «Infrarouge» des Westschweizer Fernsehens RTS. Es ging dabei um die erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation. Über das Thema wird in der Schweiz am 12.…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Pro Jahr werden etwa 8000 Personen, die in der Schweiz leben, aufgrund des erleichterten Verfahrens eingebürgert, das ist etwa ein Viertel aller Einbürgerungen. swissinfo.ch hat mit einigen Antragstellern gesprochen, von denen zwei noch auf ihren Entscheid warten. Obschon nicht repräsentativ, weist diese Stichprobe auf ein System hin, dem es an Fairness und Konsistenz mangelt. Einige…
Warum dieses plötzliche Interesse am Schweizer Pass?
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Festlich gekleidet betreten rund 300 Leute ruhig den historischen Gemeindesaal im Viertel Plainpalais und nehmen ihren Sitz für die bevorstehende Vereidigungszeremonie für neue Genfer und damit Schweizer Bürgerinnen und Bürger ein. Für viele der Anwesenden ist dieser symbolträchtige Moment der Höhepunkt eines langen Prozesses. Während sie geduldig warten, tippen einige auf ihrem Telefon herum, andere…
2015 wollten nach Rückgang wieder mehr den Schweizer Pass
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Laut dem Sonntagsblick zeigen aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik, dass die Einbürgerungen von Ausländern zwischen 2006 und 2014 um 38 Prozent abgenommen haben. Dies betrifft jedoch nur Einbürgerungen über den konventionellen Weg, und nicht die vereinfachte Einbürgerung für Ehepartner von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie die Adoption von Kindern. 2015 allerdings fand eine Umkehr…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Schweiz gehört zu den Ländern mit den höchsten Anteilen an ausländischen Personen im Land. Ein Rückblick auf 166 Jahre Einwanderung in Grafiken.
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch