Gemeinden fehlen junge Kommunalpolitiker
Schweizer Gemeinden haben zunehmend Mühe, junge Menschen für ein politisches Amt zu rekrutieren, obwohl gemäss einer Studie grundsätzlich jeder fünfte junge Erwachsene bereit wäre, sich politisch zu engagieren.
Die Schweiz hat über 2000 Gemeinden. Gemäss der Umfrage der Hochschule Chur haben mehr als Zweidrittel der Gemeinden Mühe, junge Erwachsene für ein politisches Amt zu finden. So sind im ganzen Land nur 760 junge Erwachsene in einer Gemeinde-Exekutive tätig, schätzen die Forscher.
Jahr der Milizarbeit
Mit dem Jahr der MilizarbeitExterner Link will der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) die Öffentlichkeit auf die Krise des Schweizerischen Milizsystems aufmerksam machen.
Um eine vertiefte interdisziplinäre Diskussion zu fördern, organisiert der SGV im Jahr 2019 schweizweite Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit Partnern aus verschiedenen Sektoren.
Diskussionen zwischen Experten und der Öffentlichkeit sollten Impulse für Reformen geben, die nach Ansicht des SGV dringend notwendig sind, um das Milizsystem zu stärken und zu entwickeln.
swissinfo.ch ist Medienpartner des «Jahres der Milizarbeit» und wird regelmässig Artikel zu diesem Thema veröffentlichen.
Da liege ein grosses Potential brach, sagt Studienleiter Curdin Derungs von der Hochschule Chur. Sie hätten festgestellt, «dass das Rekrutierungspotential vorhanden ist. Es gebe noch eine grosse Minderheit von 20 Prozent an, dass sie Interesse hätten, ein Amt in der Gemeindepolitik zu übernehmen.»
Zeichen der Hoffnung
Dass jeder fünfte junge Erwachsene grundsätzlich bereit wäre, sich politisch zu engagieren sei ein Zeichen der Hoffnung. Aber, so sagen die Forscher, die Gemeinden gingen zu wenig auf die 25- bis 35-Jährigen zu: «Es braucht eine bessere Ansprache der jungen Erwachsenen. Wir stellen fest, dass nur ungefähr zehn Prozent der jungen Erwachsenen überhaupt einmal angefragt wurden, ein solches Amt zu übernehmen. Das ist sehr wenig.»
Und die jungen Erwachsenen wüssten auch zu wenig, dass die Gemeinden an ihnen interessiert seien und dass sie sich selber für ein Amt bewerben könnten.
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Persönliche Ansprache wichtig
Das Nachwuchsproblem beginne schon bei der Mobilisierung. Wenn die 25- bis 35-Jährigen zum Beispiel nie an der Gemeindeversammlung teilnähmen, dann seien sie nicht in das politische Geschehen involviert.
Curdin Derungs schlägt den Gemeinden deshalb vor, sie sollten die jungen Erwachsenen vor der Gemeindeversammlung persönlich ansprechen: «Es geht auch darum, die bestehenden Institutionen Jugend-gerechter zu machen. Das Erste wäre schon mal zu versuchen, über Whatsapp und SMS die Jungen zu mobilisieren.»
Spezielle Internetseite für Gemeinden
Wenn die Gemeinden einen direkten Kontakt zu den 25- bis 35-Jährigen suchten, könnten sie das Potential besser ausschöpfen, glaubt Derungs.
Nun haben die Churer Forscher (zusammen mit dem Schweizerischen Gemeindeverband) eine spezielle InternetseiteExterner Link aufgeschaltet. Dort finden die Gemeinden eine Reihe von Empfehlungen, wie sie ihre Rekrutierungsprobleme angehen und so das Milizsystem am Leben erhalten können.
Das Potenzial der Jungen ignoriert
Eine Umfrage der Hochschule Chur unter 602 Gemeinden ergab, dass mehr als ein Drittel von diesen «erhebliche Schwierigkeiten» bei der Besetzung von Gemeindeämtern hat. Ein noch höherer Anteil der befragten Gemeinden (70%) gab an, nur mit Mühe junge Erwachsene für die Kommunalpolitik gewinnen zu können, besonders für die Exekutive.
Die Altersgruppe der unter 35-Jährigen ist in den Gemeinden stark unterrepräsentiert: Gemäss Schätzungen üben nur 760 Personen im Alter unter 35 Jahren ein Gemeindeamt aus, also nur rund ein Tausendstel der insgesamt 832’000 Wahlberechtigten. In lediglich einer von 20 Gemeinden ist die Altersgruppe «Unter 35 Jahre» vertreten.
In der von der Hochschule Chur durchgeführten repräsentativen Umfrage wurde jedoch festgestellt, dass 20% der jungen Erwachsenen an der Übernahme eines kommunalen Amts interessiert sind. Das ist mehr Potenzial als erwartet, betonen die Forscher. Allerdings wurden 90% der unter 35-Jährigen noch nie für eine Kandidatur angefragt.
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