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Lohndebatte ist noch längst nicht beendet

Zu hoch die einen, zu niedrig die anderen: die Löhne werden in der Schweiz weiterhin zu politischen Konflikten führen. Ex-press

Auch nach der klaren Ablehnung der Volksinitiative 1:12, welche den höchsten Lohn in einem Unternehmen auf das Zwölffache des tiefsten Lohns begrenzt hätte, bleibt die Frage nach gerechten Löhnen auf der politischen Agenda der Schweiz. Doch der Fokus bewegt sich nun auf den Mindestlohn zu.

Die 1:12-Initiative verfolgte nicht nur den Zweck, überrissenen Managerlöhnen einen Riegel zu schieben, sondern wollte umgekehrt auch eine Anhebung der untersten Einkommen bewirken.

Genau dieses Ziel verfolgt explizit eine weitere Volksinitiative, die unter dem Namen «Für den Schutz fairer Löhne» vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lanciert wurde und zurzeit im Parlament hängig ist. Diese Initiative sieht einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde vor, was rund 4000 Franken pro Monat entspricht.

Gemäss dem Ökonomen Beat Kappeler würde die Annahme dieser Initiative einen Paradigmenwechsel für die Schweiz bedeuten: «Bisher wurden die Mindestlöhne immer zwischen den Sozialpartnern, das heisst Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, ausgehandelt, und dies in den unterschiedlichen Branchen, in Abhängigkeit von Produktivität und Möglichkeiten der Unternehmungen.»

«In der Schweiz gibt es keine Tradition von staatlich festgelegten Löhnen», hält seinerseits Bernard Degen fest, der an der Universität Basel zur Wirtschaftsgeschichte forscht. Doch die Debatte um die Mindestlöhne hat gemäss Degen «eine gewisse Sensibilität» für die Situation am unteren Ende der Lohnskala gebracht.

Aus den Statistiken geht hervor, dass die unteren Einkommen in den letzten Jahren prozentual stärker gestiegen sind als die Einkommen der unteren Mitte. Am meisten zugelegt haben aber die oberen Einkommen.

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Drei Nein an den Schweizer Urnen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Am heissesten war im Vorfeld der Abstimmung die Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» diskutiert worden. Dieses Volksbegehren verlangte, dass die bestbezahlten Leute in einem Unternehmen pro Monat maximal so viel verdienen, wie jene Angestellten mit dem tiefsten Salär in einem Jahr. Gemäss der abschliessenden Hochrechnung der SRG SSR, erstellt durch das Forschungsinstitut gfs.bern, kommt…

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Reaktion im Detailhandel

So sind im Detailhandel, in dem Niedriglöhne verbreitet sind, schon Auswirkungen der Debatte festzustellen. Die grossen Detailhändler haben Lohnerhöhungen beschlossen.

Die Supermarktkette Lidl etwa wird ab Dezember einen Mindestlohn von 4000 Franken brutto garantieren, Denner folgt im Januar mit 3975 Franken, während Migros und Coop 3800 Franken plus einen 13. Monatslohn bezahlen werden. Aldi bezahlt ab Januar 2014 einen Mindestlohn von 4200 Franken. Für Friseure wird der Mindestlohn hingegen auf 3600 Franken steigen.

Zudem hat die Regierung des Kantons Neuenburg dem Parlament soeben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen Mindestlohn von 20 Franken pro Stunde im Kanton vorschreibt. Nach den Vorstellungen der Exekutive sollte diese Regelung 2015 in Kraft treten.

Wenn dies der Fall sein sollte, wäre Neuenburg der erste Kanton der Schweiz, der einen Mindestlohn einführt. Der Grundsatz war in einer kantonalen Volksinitiative enthalten, die vor zwei Jahren vom Stimmvolk angenommen worden war. Eine ähnliche Initiative wurde mittlerweile auch im Kanton Jura gutgeheissen.

Gemäss kürzlich publizierter Daten des Bundesamts für Statistik belief sich der monatliche Bruttomedianlohn im Jahr 2010 für Beschäftige in Vollzeitäquivalenten auf 5979 Franken.

Der monatliche Bruttomedianlohn der oberen Kader belief sich im privaten Sektor auf 10’195 Franken und auf 16’526 im öffentlichen (Bund), jener der Topmanager lag bei 22’755 Franken im privaten und bei 21’548 im öffentlichen Sektor.

10% der Arbeitnehmenden verdienten weniger als 3953 Franken, 10% dagegen mehr als 10’833 Franken.

Der Anteil der Vollzeitstellen, die mit weniger als 4000 Franken brutto pro Monat entlöhnt werden, ist von 12,4% (2008) auf 10% im Jahr 2010 gesunken.

Der Anteil der Tieflohnstellen unterscheidet sich je nach Wirtschaftstätigkeit stark. So betrug er im Detailhandel 21,9%, im Gastgewerbe 43,9%, in der Chemischen Industrie aber nur 2,9%.

Nahezu 65% der Vollzeitbeschäftigten mit Löhnen unter 4000 Franken sind Frauen.

(Quelle: Bundesamt für Statistik)

Einfluss von Deutschland

Das Schicksal der nationalen Initiative könnte auch von der Mindestlohn-Debatte in Deutschland beeinflusst werden. «Wenn Deutschland den staatlich festgelegten Mindestlohn einführen sollte, dürfte dies zumindest auf die deutschsprachige Schweiz ausstrahlen, auch wenn der Mindestlohn in Deutschland wesentlich tiefer liegt», meint Degen.

Für Kappeler hingegen könnte gerade wegen des grossen Unterschieds der möglichen Mindestlöhne zwischen der Schweiz und Deutschland die SGB-Initiative vom Volk abgelehnt werden.

«Wenn man die 22 Franken mit den Mindestlöhnen anderer Länder vergleicht, sieht man erst, wie viel höher der Ansatz in der Schweiz ist. In den USA beträgt der Mindestlohn 7 Dollar, in Deutschland diskutiert man über umgerechnet 11 Franken, d.h. die Hälfte des von der SGB-Initiative vorgesehenen Lohnes.»

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«Doch man muss auch sehen, dass die Preise in der Schweiz zu den höchsten in Europa gehören», entgegnet Rafael Lalive, Professor für Wirtschaft an der Universität Lausanne. «Die Initiative mit ihren Mindestlöhnen muss in Bezug auf die Kaufkraft gesehen werden.»

Auch wenn es noch zu früh ist, um Vorhersagen zum Schicksal der Initiative zu gesetzlich festgelegten Mindestlöhnen zu machen, ist eine Sache jetzt schon klar: Die Debatte wird stark ideologisch geprägt sein.

«Seriöse Unternehmen, die in der Mehrheit sind, bezahlen heute schon höhere Mindestlöhne: Wenn die Arbeitgeberverbände die Initiative bekämpfen sollten, wäre es folglich nur aus ideologischen Gründen», hält Bernard Degen fest.

Probleme mit Abzocker-Initiative

Eine weitere Baustelle in Lohnfragen ist die Umsetzung der so genannten «Abzocker-Initiative» von Thomas Minder, die im März vom Stimmvolk angenommen wurde. Diese sieht vor, dass der Eigentümer (Aktionär/-in) jährlich an der Generalversammlung über die Gesamtsumme aller Entschädigungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats abstimmen kann. Zudem gibt es ein Verbot von Abgangsentschädigungen und Begrüssungsmillionen.

Die Annahme der Initiative hatte die Öffentlichkeit besänftigt, die sich gegen die Millionenlöhne und Boni von Managern grosser Unternehmen aufgelehnt hatte. Denn diese Löhne wurden auch bezahlt, wenn die Unternehmen rote Zahlen schrieben. Jetzt wartet das Volk auf die konkrete Umsetzung der Minder-Initiative.

Die entsprechende Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Gesellschaften ist am 20. November vom Bundesrat verabschiedet worden. Sie wird auf den 1. Januar 2014 in Kraft gesetzt und wird so lange gültig sein, bis die eidgenössischen Räte ein Ausführungsgesetz erlassen haben.

Doch die Verordnung ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Nach Meinung der Initianten wird die Volksinitiative auf diese Weise verwässert. Ein Hauptkritikpunkt dreht sich um das Verbot von Abgangs- und anderen Entschädigungen sowie die Bussen bei Verstoss gegen die Regeln.

Die Formulierung in der Verordnung lasse bei den Antrittsprämien zu viele Hintertüren offen, kritisiert das Komitee. Thomas Minder findet zudem, dass den Gesellschaften mit zwei Jahren eine zu lange Übergangsfrist zugestanden werden soll.

Drohung mit zweiter Initiative

«Ich denke aber, dass sich die betroffenen Gesellschaften schon im nächsten Frühjahr anpassen werden. Sie hatten dann immerhin ein Jahr, um sich vorzubereiten. Und es ist immer besser, selbst zu handeln, als zum Handeln gezwungen zu werden», hält Beat Kappeler fest.

Doch schon jetzt ist klar, dass es harte Auseinandersetzungen bei der Debatte um das Ausführungsgesetz der Abzocker-Initiative geben wird. Thomas Minder hat bereits angekündigt, dass er eine neue Volksinitiative lancieren wird, falls die Ziele seiner ersten Initiative nicht entsprechend umgesetzt werden sollten.

«Es gibt bereits einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1982. Damals hat das Parlament die Banken von der Anwendung der Preisüberwachung ausgeschlossen, die mit der Annahme der Eidgenössischen Volksinitiative ‹Zur Verhinderung missbräuchlicher Preise› verbunden war. Die Konsumentenvereinigungen haben das nicht hingenommen und mit Erfolg eine zweite Initiative lanciert», sagt Kappeler. Regierung und Parlament sollten sich daran erinnern.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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