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Presseschau vom 27.05.2003

Die umstrittenen Rentenpläne von Sozialminister Pascal Couchepin prangen auf praktisch allen Titelseiten der Schweizer Tagespresse.

Die “Schelte” der Kommentatoren fällt weit weniger heftig aus als jene der Öffentlichkeit und der politischen Parteien.

“Alle gegen Couchepin”, titelt der BUND. Er sei der Böse. Von Links und Rechts werde er für seine AHV-Ideen abgewatscht.

Ein schöner Teil der Schelte sei jedoch Wahlkampf. Denn: “Eigentlich wissen alle, dass es nicht weitergehen kann wie bisher.”

Ob denn länger arbeiten schlimm sei, fragt der BUND. Die Antwort liefert er gleich mit: “Nicht für alle”.

Rentenalter 65 sei von Bismarck erfunden worden. Die Schweizer AHV-Väter hätten später diese Zahl übernommen.

“AHV-Schocker Couchepin sieht rot”, titelt der BLICK. Er vergleiche Gewerkschafts-Bosse und Blocher mit den Swissair-Versagern.

Politiker sollten vorausschauen

Bundespräsident Couchepin habe Anpassungen auf den Tisch gelegt, die es wert seien, genauer geprüft zu werden, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.

Allerdings lasse sich heute noch nicht voraussagen, was in zwölf Jahren sein werde. “Die Gesetzgebung ist deshalb herausgefordert, eine Ordnung mit Spielräumen und Möglichkeiten zu raschen Anpassungen an die jeweiligen Gegebenheiten zu finden.”

Der TAGES ANZEIGER fragt: “Woher aber nimmt unser Sozialminister die Gewissheit, dass über 65-Jährige in zwanzig Jahren eine Stelle finden?”

Es die Pflicht der Politiker, vorauszuschauen, findet der TAGI: “Aber nur soweit wie sie sehen können”.

Bei der AHV seien das etwa zehn Jahre. Erst später werde man beurteilen können, wie die AHV im Jahr 2025 aussehen soll.

Weitere Alternativen

“Die Politiker – und das Volk brauchen sich dabei nicht auf Couchepins Alternativen zu beschränken.” Als Alternativen betrachtet der TAGI eine nationale Erbschaftssteuer oder eine Rentenreduktion für Vielverdiener.

“Pascal Couchepin wird einst mitentscheiden dürfen – wenn nicht als Bundesrat, dann zumindest als stimmender Rentner.”

Die NEUE LUZERNER ZEITUNG kommentiert Couchepins Kampagne folgendermassen: “Ob Provokation oder nicht, ob starker Couchepin oder schwaches Bundesratskollektiv oder wahlfiebergeprägtes Parteiengeschrei: Die Schweiz muss sich mit den Auswirkungen veränderter Bevölkerungsstrukturen auseinandersetzen”.

Fragwürdige Europafähigkeit

Vorsicht sei bei dieser Auseinandersetzung einzig vor sturen Neinsagern jeglicher Couleur geboten, wenn wir Schweizer nicht Gefahr laufen wollten, in der Sozialpolitik fragwürdige “Europafähigkeit” zu erlangen.

Auch die BERNER ZEITUNG wirft einen Blick über die Landesgrenzen: “Wir sind mit dem Problem nicht allein: In unseren Nachbarländern toben heftige Auseinandersetzungen um Rentenreformen. (…) Den Rentensystemen droht der Kollaps”.

In der Schweiz stünden wir mit unserem 3-Säulen-System noch vergleichsweise gut da, obwohl auch bei uns Handlungsbedarf bestehe. Einen Lösungsansatz sieht die BZ in einem auf die “Fähigkeit der Älteren zugeschnittenen zweiten Arbeitsmarkt. Sonst produzieren wir mit dem höheren Rentenalter vor allem Arbeitslose und menschliche Tragödien. Zahlen wird dann einfach eine andere Kasse.”

swissinfo, Etienne Strebel

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