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Rentner-Blog: Altern, wo es einem gefällt

Bloggen ist nicht nur etwas für Junge. Keystone

Viele Rentnerinnen und Rentner kehren der Schweiz nach der Pensionierung den Rücken und suchen im Ausland ihr zweites Glück.

Nun gibt es einen Blog für ausgewanderte Pensionäre. Eine Plattform zum Austausch von Erfahrungen im neuen Alltag.

Unter Palmen statt im Nebel sitzen und die Meeresbrise auf der Haut geniessen – so stellen sich heute viele den Lebensabend vor. Die Auswanderung nach der Pensionierung liegt im Trend: In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer verdoppelt, die sich den Traum von einem Lebensabend im Ausland erfüllen.

Doch eine Auswanderung im Alter will gut überlegt sein.

Wie verhält es sich mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Pensionskasse? Was passiert, wenn man pflegebedürftig wird? Wie schwierig ist der Neuanfang im Alter?

Infos aus erster Hand

Oft würden Pensionäre, die mit dem Gedanken spielen, auszuwandern, diesen wieder fallen lassen. Und zwar, weil sie nicht wissen, wo sie sich informieren sollen, sagt der Blog-Verantwortliche Richard Züsli gegenüber swissinfo: “Die Website von Careguide soll diesen Leuten helfen, ihren Traum zu verwirklichen.”

Seit diesem Herbst gibt es nun einen Blog, wo Rentner über ihren Ruhestand im Ausland berichten. Wer mit dem Gedanken spielt, im Alter in andere Gefilde auszuwandern, bekommt hier Informationen aus erster Hand.

Da sind zum Beispiel Hedy und Hans Peter Blaser, die seit 1999 zwischen der Schweiz und der Bresse in Frankreich pendeln. Oder die 76-jährige Schweizer Sängerin und Schauspielerin Ines Torelli, die mit ihrem Ehemann Edi Baur seit 1995 in Nova Scotia in Kanada lebt.

Kleinkarierte Schweizer

Torelli schreibt über neue Freunde, günstige Ärzte, Steuern, Stürme und Landschaften ohne Zäune. Und über schlechte Erfahrungen mit Schweizer Nachbarn.

“Wer im kleinkarierten Milieu aufgewachsen ist, wird wohl immer kleinkariert denken. Man kann durch Auswandern die Umgebung, aber nicht sich selber ändern”, schreibt Hansrudolf Kutter im Blog.

Er sei deshalb nach der Pensionierung in der Schweiz geblieben. Allerdings bereite im hier die zunehmende Ausländerfeindlichkeit Sorge: “Ist es nicht so, dass Sie in Kanada als Ausländer weniger Diskriminierung erfahren, als ein Ausländer hier in der Schweiz?”

Spitzenreiter im Surfen

Wollen denn Rentner überhaupt bloggen? In der Schweiz sind es jedenfalls nicht mehr nur die Jungen, die im Internet surfen. Gemäss dem Medienberater Karl Vögeli sind die Schweizer Senioren im europäischen Vergleich Spitzenreiter: 37% der über 65-Jährigen nutzen das Internet.

“Ich finde die Idee grossartig”, sagt Ines Torelli, die noch bis zum 11. November aus Nova Scotia berichtet, über den Rentner-Blog. “Bei der Auswanderung ist man froh um Hinweise von privater Seite.”

Menschen, die aus eigener Erfahrung berichten, würden etwa im Gegensatz zu einem Hausverkäufer sagen, wie es wirklich sei. Es sei nicht alles Gold, was glänzt.

Sie selbst hatte bei ihrer Auswanderung noch “überhaupt keinen Zugang zum Computer”, surft erst seit ein paar Jahren.

Altersheim ohne Lichterlöschen

In der Umgebung seien bereits mehrere ausgewanderte Schweizer in die Schweiz zurückgekehrt – auch wegen der Fürsorge im Alter.

Sie sei jedoch mit der Situation in Kanada zufrieden, denn hier hätten sie eher “die Chance” jemanden zu finden, der bei ihnen wohnt und sie pflegt. In Nova Scotia habe es viele Rentner, die hier ihren Ruhestand geniessen. “Hier ist es wie in einem wunderschönen Altersheim mit freiem Ausgang und keinem Lichterlöschen um neun Uhr.”

Kennt Ines Torelli, die Ikone der Schweizer Folklore, kein Heimweh? Wenn sie Ländlermusik höre, komme ihr schon mal das Augenwasser. Trotzdem könne sie sich nicht mehr vorstellen, in der Schweiz zu leben. Bei ihrem letzten Besuch in Zürich fühlte sie sich richtig als “Fremdling”.

Sucht Sie mit dem Blog im fernen Kanada nicht doch den Kontakt zu den Schweizern? Es gehe einfach um den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen Auswanderern. Leute, die ähnliche Erfahrungen gemacht hätten. Die ausgewandert sind, weil sie in der Schweiz keine Zukunft mehr sahen. Um der Kleinräumigkeit und dem Lärm zu entfliehen.

Schlaraffenland oder Paradies

So war es auch bei Torelli. “Ich hatte nichts mehr zu verlieren in der Schweiz”, sagt sie. Drei ihrer Kollegen, mit denen sie beruflich zusammen gearbeitet hatte, waren innert kurzer Zeit gestorben.

Auch mit der Idylle am Greifensee, wo sie und ihr Mann 1970 ein Bauernhaus gekauft hatten, war es vorbei. Sie hat die Autos gezählt, die pro Tag an ihrem Haus vorbei rauschten – es waren über 1800.

“Die Schweiz ist für mich das Schlaraffenland und Nova Scotia ist für mich das Paradies. Man muss nicht alles haben, um im Paradies zu leben. Man muss unterscheiden können, was wichtig ist und was nicht – und das geniessen, was man hat.”

swissinfo, Corinne Buchser

Gemäss dem Eidgenössischen Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) lebten 2006 mehr als 100’000 über 65-jährige Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.

Die beliebtesten Destinationen sind Deutschland und Frankreich. Mit einigem Abstand folgen die USA, Italien, Spanien und Kanada.

Viele Ältere kehren der Schweiz jedoch nur während der kalten Jahreszeit den Rücken.

Wer auswandert, muss sich in der Schweiz abmelden und beim zuständigen Konsulat im Ausland anmelden.

Zudem sollten sich Auswanderungswillige bei ihrer Krankenkasse, der Pensionskasse sowie der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) über die Folgen informieren.

Die Schweiz hat mit über 30 Staaten, darunter allen EU/EFTA-Staaten, Sozialversicherungs-Abkommen abgeschlossen.

Im Rentner-Blog von Careguide berichten alle drei Wochen andere Schweizerinnen und Schweizer aus ihrem Ruhestand im Ausland.

Nach der Sängerin und Schauspielerin Ines Torelli folgt die Seniorin Lilo Röding von der Costa Blanca in Spanien.

Der Blog vermittelt Tipps und Tricks für Auswanderer im Alter.

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