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Stille Stromfresser: Rechenzentren wachsen rasant in der Schweiz

Das Rechenzentrum von Green in Lupfig.
Unscheinbar, aber viel Energie verschlingend: Ein Rechenzentrum in der Schweiz. Keystone / Christian Beutler

In der Schweiz entstehen immer grössere Rechenzentren – auch wegen KI. Die Folgen: Erhöhter Wasserbedarf, ungenutztes Potenzial bei der Abwärme und rasant steigender Stromverbrauch. Bis 2030 könnten sie bis zu 15% des Stroms verschlingen, zeigt eine Analyse von SRF.

In Dielsdorf, einem Dorf im Kanton Zürich, das lange Zeit landwirtschaftlich geprägt war, ging die landwirtschaftlich genutzte Fläche in 40 Jahren um fast ein Fünftel zurück.

Besonders in den letzten vier Jahren veränderte sich Dielsdorf rasant. Die Felder verwandeln sich – von der Landwirtschaft zur Datenwirtschaft.

2023 ging das erste Hochleistungsrechenzentrum von Green.ch, einem der grössten Anbieter von digitalen Diensten in der Schweiz, ans Netz. Zwei weitere befinden sich im Bau.

Zusammen sollen die drei Rechenzentren eine Gesamtleistung von 35 Megawatt erreichen. Sind 2026 alle in Betrieb, werden sie sieben Mal so viel Strom brauchen wie der Rest der Gemeinde Dielsdorf oder rund ein Zehntel der ganzen Stadt Zürich.

Um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, bauen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) ein neues Unterwerk direkt auf dem Campusgelände.

Vorher (2020) und nachher (2025): Ansicht des Standorts, an dem der Green.ch-Campus in Dielsdorf gebaut wird. Die drei neuen Hochleistungs-Rechenzentren sind rot umrandet, die neue Transformatorenstation blau:

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Flächen wie diese bieten aufgrund ihrer flachen Topografie und Grösse ideale Bedingungen für den Bau von Rechenzentren. Dielsdorf liegt nur unweit von Zürich, dem Sitz vieler Konzerne und Unternehmen aus der Finanzindustrie und Dienstleistungsbranche.

Doch Dielsdorf ist kein Einzelfall. Fast ein Dutzend neue, leistungsfähige Rechenzentren wurden kürzlich gebaut oder werden in den nächsten Jahren eröffnet.

Eine Welt ohne Rechenzentren ist undenkbar geworden. In solch riesigen Gebäuden voller Hochleistungscomputer, die aufwändig gewartet und gekühlt werden, findet vieles davon statt, was wir im Internet tun.

Seit der Verbreitung von Anwendungen von Tools mit künstlicher Intelligenz wie ChatGPT ist die Nachfrage nach Rechenleistung nochmals gestiegen.

KI benötigt ein Vielfaches an Rechenleistung und ist nicht nur bei der privaten Nutzung immer beliebter. Viele Unternehmen setzen inzwischen auf KI für Datenanalysen, Trendprognosen, personalisierte Empfehlungen oder Werbung.

Immer mehr Firmen einmieten sich in Rechenzentren in der Schweiz und benutzen dort einen Teil der Server. Darunter sind Google, Amazon und Microsoft. Microsoft hat eben erst angekündigt, 400 Mio. US-Dollar in Schweizer Rechenzentren zu investieren, für Cloud und KI.

Den Beitrag der SRF-Sendung «10 vor 10» (24. Juni 2025) ansehen:

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Bis zu 15 Prozent des Stroms bis 2030

Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf unsere Landschaft und Energieinfrastruktur. Laut einer Studie der Hochschule Luzern im Auftrag des Bundesamts für Energie verbrauchten Rechenzentren in der Schweiz im Jahr 2019 rund 2.1 Terawattstunden Strom, etwa 3.6 Prozent des Landesverbrauchs.

Adrian Altenburger, Studienautor und Professor an der Hochschule Luzern, schätzt gegenüber SRF, dass ihr Anteil heute bereits bei sechs bis acht  Prozent liegt und – bei künftig landesweit konstantem Stromverbrauch – bis 2030 auf bis zu 15 Prozent anwachsen könnte. Das wäre mehr als der gesamte Kanton Zürich im Jahr 2023 verbrauchte.

Genaue Informationen über Rechenzentren werden oft nicht kommuniziert. SRF Data hat über 120 Rechenzentren kartiert und schafft so erstmals einen Überblick über eine wachsende Branche.

Die vollständige Version des grossen multimedialen Formats von SRF ist hierExterner Link abrufbar.

Die Daten zeigen: Dort, wo die digitale Infrastruktur die besten Bedingungen bietet, werden am ehesten Rechenzentren gebaut.

Gut ausgebaute Glasfaser- (grüne Flächen auf der Karte) sowie Stromnetze (gelbe Linien auf der Karte) sind wichtig für den Standort eines Rechenzentrums.

Das ist zum Beispiel in der Zentralschweiz der Fall, in städtischen Regionen wie Genf und Zürich sowie beim «Stern von Laufenburg», einem der wichtigsten Knotenpunkte des europäischen Stromnetzes, wo Anfang Mai der Bau der grössten Batterie der Welt begonnen wurde.

Trotz des Drucks durch neue Stromfresser – eine Netzüberlastung droht derzeit nicht laut Adrian Altenburger von der Hochschule Luzern.

Trotzdem: Ein Szenario wie im Grossraum Dublin, wo ein Moratorium für neue Rechenzentren bis 2028 verhängt wurde, kann Altenburger für die Zukunft nicht ausschliessen. Irlands Rechenzentren verbrauchten im Jahr 2023 fast 21 Prozent des gesamten irischen Stroms.

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Schweiz entwickelt sich zu einem europäischen Zentrum für Rechenzentren

Der Ruf der Schweiz für strengen Datenschutz, ihre politische Stabilität, die Verfügbarkeit grüner Energie, ein tiefes Erdbebenrisiko und Zürich als aufstrebender KI-Hub tragen dazu bei, dass die Schweiz in Europa inzwischen eine der höchsten Dichten an Rechenzentren pro Kopf aufweist. 

Seit 2017 rückte das Land mit der steigenden Nachfrage nach Rechenzentren zunehmend in den Fokus internationaler Investoren.

Die SRF-Analyse zeigt: Der Einstieg kapitalkräftiger Investoren hat den Markt verändert. Rechenzentren in der Schweiz werden immer grösser und leistungsfähiger.

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Der Boom hiesiger Rechenzentren hat viele Vorteile, wie etwa der verbesserte Datenschutz oder dass Internetdienste für die Schweizer Bevölkerung schneller werden.

Doch aktuelle Beispiele zeigen: Der Bau neuer Rechenzentren bringt auch Probleme und Konfliktpotenzial mit sich.

Erhöhte Wassernutzung

Zum Beispiel Beringen: Im Jahr 2026 soll im Schaffhauser Dorf eines der leistungsstärksten Rechenzentren der Schweiz eröffnet werden. Es wird so viel Strom brauchen, wie drei Viertel dessen, was der ganze Kanton Schaffhausen im Jahr 2022 verbrauchte.

Um den Strombedarf des Rechenzentrums decken zu können, sieht sich das Elektrizitätswerk des Kanton Schaffhausens gezwungen, ein neues Unterwerk zu bauen, finanziert durch den Betreiber.

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Doch Rechenzentren verschlingen nicht nur Unmengen von Strom, sie benötigen je nach Kühltechnologie auch viel Wasser, um die heisslaufenden Serverfarmen kühlen zu können. 

In Beringen bewilligte der Gemeinderat eine Menge von immerhin 55’000 Kubikmetern oder 110 gefüllten Swimmingpools pro Jahr. Ob das reicht, hängt aber von den klimatischen Bedingungen vor Ort ab. Wenn es im Sommer zu heiss wird, bräuchte es mehr Kühlwasser.

Im Fall einer längeren Trockenperiode müsste auf das Grundwasser oder auf die Wasserversorgung aus Nachbargemeinden zurückgegriffen werden, um den Betrieb des Rechenzentrums sicherzustellen.

Oft werden solche Rechenzentren mit aufbereitetem Trinkwasser gekühlt, obwohl auch Grauwasser oder Seewasser möglich wären.

Andere Rechenzentren wie in Dielsdorf nutzen geschlossene Kühlkreisläufe und brauchen dementsprechend wenig Wasser.

Verschwendete Abwärme

Ein weiterer Konfliktpunkt ist, dass oft keine Lösung für die Abwärme gefunden wird, die durch den Betrieb eines Rechenzentrums entsteht. 

In Beringen wurde der Bau bewilligt, bevor klar war, wie die Abwärme genutzt werden kann. Eine Studie zeigte später: Nur dreissig Prozent der Abwärme hätte lokal verwendet werden können.

Nun könnte ein Speichersee überschüssige Wärme für den Winter speichern und auch die Stadt Schaffhausen soll Abnehmerin werden.

Ähnlich ist es auch in Winterthur, wo derzeit vier Rechenzentren von insgesamt 40 Megawatt Leistung gebaut werden. Gehen sie ans Netz, wird der Stromverbrauch Winterthurs um rund fünfzig Prozent ansteigen. Die Rechenzentren sind nachhaltig konzipiert und sie planen, die Unmengen an Abwärme, die sie produzieren, ins Fernwärmenetz zu speisen.

Bloss: 700 Meter weiter steht die Kehrichtverwertungsanlage des Stadtwerks Winterthur, das rund zwanzig Prozent des Wärmebedarfs der Stadt abdeckt. Die Abwärme der Rechenzentren würde hier ein Netz beliefern, das schon beliefert wird.

Nun will Winterthur sein Netz ausbauen und die Server-Abwärme zumindest an besonders wärmeintensiven Tagen im Winter nutzen.

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Doch auch wenn die Abwärme genutzt werden kann, fehlt es an langfristiger Planungssicherheit, wenn Rechenzentren als Wärmeversorger eingeplant werden.

Denn private Rechenzentren sind an wirtschaftliche Faktoren gebunden und die Nutzung ihrer Abwärme hängt unter anderem von der Verlängerung zeitlich befristeter Mietverträge und einer stabilen Nachfrageentwicklung ab.

Der kürzliche Rückzug von Microsoft aus mehreren geplanten Rechenzentrumsprojekten verdeutlicht, wie stark solche Projekte einer Unsicherheit unterliegen.

KI bewusster einsetzen

Rechenzentren sind das Rückgrat unserer digitalisierten Welt, doch sie bringen auch grosse Umweltkosten mit sich. Diese sind auch den Betreibern von den Rechenzentren bewusst. Deshalb sind viele Betreiber in der Schweiz bemüht, ihre Rechenzentren mit hundert Prozent erneuerbarer Energien zu betreiben.

Angela Müller, Geschäftsleiterin der NGO Algorithmwatch Schweiz, plädiert ihrerseits dafür, KI bewusst einzusetzen, statt gedankenlos überall da, wo es technisch möglich sei.

«Es gibt spannende KI-Anwendungen, die uns tatsächlich dabei helfen können, ökologische Herausforderungen zu bewältigen. KI-Systeme, die in Zahnbürsten eingebaut werden oder unsere E-Mails schreiben, haben damit aber relativ wenig zu tun.»

SRF hat die Daten, auf denen die Analyse zu diesem Artikel basiert, aus verschiedenen Quellen gesammelt. Darunter: Netzwoche.chExterner LinkDatacentermap.comExterner LinkDatacenterplatform.comExterner Link und den Webseiten der jeweiligen Rechenzentren-Betreiber.

Die Informationen wurden so gut es ging eigenhändig verifiziert und teilweise aufdatiert. Bei Rechenzentren ohne ausgewiesene Nutzfläche erfolgte eine Flächenschätzung anhand von Satellitenbildanalysen.

Zusätzlich zur Basiskarte von Swisstopo wurde das GlasfasernetzExterner Link durch den Breitbildatlas des Bundesamtes für Kommunikation und das Netz elektrischer Anlagen über 36kV (Geodienste.chExterner Link) des Bundesamts für Energie dargestellt.

Bearbeitung: Pauline Turuban

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