Sorgen um Davos: Kann sich das WEF noch retten?
Die Schweizer Organisation hinter dem Weltwirtschaftsforum steht nach einer Reihe von Skandalen vor einem Krisenmoment. Insiderinnen und Insidern zufolge könnte ihre Zukunft vom Erfolg des nächsten Forums im Januar 2026 abhängen.
Anfang August wurde dem Verwaltungsrat des Weltwirtschaftsforums ein 37-seitiger vertraulicher Bericht vorgelegt. Es war der Höhepunkt einer umfassenden, monatelangen Untersuchung, die eine der sichtbarsten Institutionen der internationalen Politik- und Geschäftswelt in Atem gehalten hatte – und die sich auf den Mann konzentrierte, der sie aufgebaut hatte.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, hatten Ermittelnde unter der Leitung der Schweizer Anwaltskanzlei Homburger mehr als 100’000 E-Mails durchforstet, 65’000 weitere Dokumente überprüft und 59 aktuelle und ehemalige Mitarbeitende in 86 Sitzungen befragt.
Es sollte geklärt werden, ob Klaus Schwab, der 87-jährige Gründer des WEF, und seine Frau Hilde, das Forum nicht nur zu einem privaten Besitztum, sondern auch zu einer persönlichen Geldmaschine gemacht hatten.
Das Fazit war eindeutig: Es konnte kein kriminelles Fehlverhalten nachgewiesen werden. Zwar hatte es Unregelmässigkeiten gegeben: Ausgaben ohne klare geschäftliche Rechtfertigung, verschwommene Grenzen zwischen persönlichen und beruflichen Ausgaben, unangenehme E-Mails, schlechte Personalführung. Nichts davon war jedoch illegal.
Für Schwab sollten die Erkenntnisse eine Rechtfertigung sein. In derselben Woche forderte er in einer angespannten Sitzung des Verwaltungsrats, dem unter anderem EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Blackrock-Chef Larry Fink und andere einflussreiche Personen angehörten, eine finanzielle Einigung sowie eine öffentliche Anerkennung, dass die Vorwürfe gegen ihn und seine Frau falsch waren.
Für einige andere Anwesende bestätigte der Bericht jedoch ein tieferliegendes Problem: ein Muster einseitiger Entscheidfindung und unklarer Führung durch einen Gründer, der das Forum lange Zeit wie ein Familienunternehmen geleitet hatte.
Als die in Genf ansässige Organisation schliesslich am 15. August ihre Stellungnahme veröffentlichte, war der Ton vorsichtig: «Geringfügige Unregelmässigkeiten, die aus verschwommenen Grenzen zwischen persönlichen Beiträgen und Forumstätigkeiten resultieren, spiegeln tiefes Engagement wider und nicht die Absicht von Fehlverhalten», hiess es.
Fink und Roche-Vizepräsident André Hoffmann wurden zu interimistischen Co-Vorsitzenden ernannt. Schwab wurde der Titel des Ehrenvorsitzenden nicht gewährt.
Das «nächste Kapitel» des Forums, so die Stellungnahme, «wird von der ursprünglichen Mission geleitet, die Klaus Schwab entwickelt hat: Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenzubringen, um den Zustand der Welt zu verbessern».
Mehr
WEF-Vorsitzender Schwab erklärt sofortigen Rücktritt
Jahrzehntelang hatte diese Mission enormes Gewicht. Das jährliche Treffen in Davos zog Staatsoberhäupter, Tech-Giganten und Kulturfiguren an – eine neutrale alpine Bühne, auf der unter dem Banner der Schweizer Diplomatie ein Konsens der Eliten geschmiedet wurde.
Die Diskussionsrunden gaben den Ton für die Selbstreflexion des globalen Kapitalismus vor, während in den Korridoren die Energie von Geschäftsabschlüssen und Diplomatie spürbar war.
Obwohl Davos manchmal als reine Plauderrunde abgetan wurde, hat es gelegentlich Ergebnisse jenseits des Networkings hervorgebracht.
So war es 1988 Schauplatz einer Entspannung der griechisch-türkischen Beziehungen, als die beiden Länder am Rand der Veranstaltung eine Friedenserklärung unterzeichneten.
In den 1990er-Jahren ermöglichte es den wirtschaftlichen Dialog zwischen Schimon Peres und arabischen Führern nach den Oslo-Abkommen.
Bill Gates nutzte die Plattform in den 2000er-Jahren, um grosse Impfstoff-Finanzierungsinitiativen ins Leben zu rufen.
Doch die Welt, die einst dorthin strömte, hat sich verändert. Davos segelt gegen den Wind. Der Multilateralismus ist auf dem Rückzug, der Protektionismus nimmt zu und die Rivalität der Grossmächte – zwischen den USA und China sowie dem Westen und dem globalen Süden – verändert die globale Regierungsführung.
Anstatt ein Kapitel zu schliessen, markierte der Bericht den Höhepunkt einer langsamen, schmerzhaften Auflösung – nicht nur von Schwabs Vermächtnis, sondern der Institution selbst.
Das Forum verlor nicht nur seinen Gründer, sondern auch seinen einflussreichen Interimsvorsitzenden, den emeritierten Nestlé-Verwaltungsratspräsidenten Peter Brabeck-Letmathe, der sich mit Schwab überwarf.
Intern angeschlagen und extern geschwächt steht das Forum an einem ungewissen Punkt, während es sich auf seine nächste Austragung im Januar 2026 in Davos vorbereitet. Die Einladungen mit dem Thema «Ein Geist des Dialogs» gingen diese Woche an die registrierten Teilnehmenden aus aller Welt.
«Das WEF steht möglicherweise vor seiner grössten Herausforderung seit der Gründung im Jahr 1971. Es sieht sich mit mehreren Gegenwinden konfrontiert: dem Rückzug aus der Globalisierung, dem weit verbreiteten Misstrauen gegenüber Eliten und dem abrupten Ende der Führung durch Klaus Schwab», sagt James Breiding, Autor von «Swiss Made: The Untold Story Behind Switzerland’s Success».
«Das nächste Treffen ist nicht nur wichtig – es könnte über Sein oder Nichtsein entscheiden.»
Mehr
Wirtschaft von SWI swissinfo.ch kompakt
Anfang April 2025 teilte Schwab dem WEF-Vorstand mit, dass er nach 54 Jahren als Galionsfigur des Forums zurückzutreten plane.
Er stand unter Druck, sowohl von innerhalb des Vorstands als auch von aussen, nach einer früheren internen Untersuchung zur Arbeitsplatzkultur des Forums, die durch einen Bericht des Wall Street Journal ausgelöst worden war.
Die im vergangenen Jahr vom Vorstand angeordnete Untersuchung hatte keine illegalen Handlungen festgestellt, aber weit verbreitete Frustration mit der Führung und Governance aufgedeckt.
Schwab nannte dem Vorstand jedoch kein Datum für seinen Abgang und reiste kurz darauf nach Frankfurt, um Lagarde zu treffen und ihre eventuelle Nachfolge als Vorsitzende zu besprechen – ein Schritt, der ihn, wäre er früher eingeleitet worden, bis 2027 im Amt hätte halten können, wenn ihre Amtszeit als EZB-Chefin enden wird.
Weniger als zwei Wochen später traf ein Whistleblower-Dossier ein. Der an den Vorstand gesandte Brief beschuldigte Schwab, Ressourcen des Forums für private Zwecke verwendet zu haben: Hotelmassagen, Familienreisen und internationale Reisen ohne klaren geschäftlichen Zweck.
Es wurde behauptet, bestimmte Länder würden im Flaggschiff-Bericht des Forums zur globalen Wettbewerbsfähigkeit bevorzugt und weiter, Schwab beabsichtige, Tantiemen aus Büchern einzustreichen, deren Produktionskosten von der Organisation gedeckt worden waren – eine Summe von angeblich 1,5 Millionen Franken.
Es gab weitere Behauptungen: dass er eigenmächtig ein kostspieliges Metaverse-Projekt lanciert habe; dass er und Hilde Schwab den Zugang für Mitarbeitende zur luxuriösen Villa Mundi in Genf eingeschränkt hätten, die vom WEF gekauft und renoviert worden war; und dass seine Frau private Reisen der Organisation in Rechnung gestellt habe.
Schwab wurde auch beschuldigt, Mitarbeitende dafür einzusetzen, um eine persönliche Kampagne für den Friedensnobelpreis zu verfolgen.
«Ich werde mich immer fragen, ob dieses Treffen mit Lagarde alles in Gang gesetzt hat», sagt ein hochrangiger WEF-Mitarbeiter. «Es schien, als wäre jemand empört gewesen, dass er beabsichtigte, noch ein paar Jahre zu bleiben.»
Die Vorwürfe erwiesen sich als verhängnisvoll: Schwab trat zurück und das Forum beauftragte die Kanzlei Homburger mit der Durchführung einer unabhängigen Untersuchung.
Wütend leitete der Gründer parallel dazu rechtliche Schritte ein, um seinen Namen reinzuwaschen: Er reichte in Genf eine Strafanzeige gegen Unbekannt ein und im Juni eine Zivilklage, in der er das Forum selbst als Gegenpartei nannte, wie die FT erfahren hat.
«Das war kein Schritt gegen den Vorstand», sagt jemand, der mit dem Fall vertraut ist. «Es ging darum, sicherzustellen, dass Klaus seinen Fall vor Gericht fair behandelt sehen konnte.»
Insiderinnen und Insider sagen, die Untersuchung der Anwältinnen und Anwälte sei intensiv, aber fair gewesen.
«Sie waren gründlich. Der Prozess beim zweiten Mal war wie Tag und Nacht. Bei der ersten Untersuchung fühlte ich mich, als würde mir etwas vorgeworfen. Beim zweiten Mal versicherten sie mir Anonymität und niemand konnte Vergeltung suchen», sagt eine Person, die für beide Untersuchungen befragt wurde.
«Ich und andere, mit denen ich gesprochen habe und die ebenfalls befragt wurden, hatten das Gefühl, dass wir ehrlich sein konnten.»
Als der Homburger-Bericht im August eintraf, stellte sich heraus, dass die meisten Vorwürfe, einschliesslich der schwerwiegendsten, unbegründet waren.
Laut dem Bericht – der nicht öffentlich gemacht wurde, von dem die Financial Times aber Teile eingesehen hat – überprüften die Ermittelnden 45’000 Spesenpositionen der Schwabs.
Die Steuerberatung BDO fand knapp 5000 Franken an privaten Kosten, die über 13 Jahre hinweg fälschlicherweise in Rechnung gestellt worden waren. Diese Fehler waren laut dem Bericht nicht «verschleiert».
Die Ermittlerinnen und Ermittler konnten nicht feststellen, ob es mehr war. Die Reisekosten waren hoch, aber es wurde festgestellt, dass sie geschäftlich begründet waren.
Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Altersdiskriminierung wurden abgewiesen. Auch die Vorwürfe der schlechten Behandlung von Angestellten waren unbegründet, obwohl der Bericht verwirrende Prozesse und eine schwache Führung bemängelte.
Die Kontroverse um den Global Competitiveness Report wurde als verfahrenstechnische Angelegenheit eingestuft. Schwab hatte darauf gedrängt, die Methodik zu aktualisieren, um die digitale Bereitschaft der Länder zu berücksichtigen.
Dies hätte zu neuen Länder-Rankings geführt. So wäre Indien in der Ausgabe 2017/18 beispielsweise auf Platz 77 statt 40 gefallen.
Da Schwab befürchtete, dass die Änderung willkürlich erscheinen könnte, kehrte er zum alten Modell zurück, fügte jedoch einen Anhang hinzu, der die Änderung erklärte.
Er äusserte auch Befürchtungen, dass die Änderungen für das Vereinigte Königreich, das von Platz sieben auf zwei gesprungen wäre, «vom Brexit-Lager ausgenutzt» hätten werden können.
Mehr
So lobbyieren Schweizer Firmen in Brüssel – und am WEF
Der Vorstand hatte der Metaverse-Initiative unter der Marke «Global Collaboration Village» grünes Licht gegeben und Schwabs Sohn Olivier nach einem Auswahlverfahren in eine Führungsposition berufen.
Ebenso wurde die Villa Mundi mit Zustimmung des Vorstands erworben und renoviert, und Schwabs Innenarchitekt wurde ausgewählt, weil er seine Leistungen zu einem Preis unter den Marktpreisen angeboten hatte. Es gab keine Beweise dafür, dass der Zugang unfair eingeschränkt worden war.
Andere Vorwürfe, etwa zu Geschenken in Form eines russischen Teeservices oder von Tiffany-Manschettenknöpfen, konnten nicht verifiziert werden. Das Forum führte kein formelles Inventar. Die Ermittelnden stellten jedoch fest, dass Hilde Schwab bei einer Gelegenheit ein teures Gemälde aus ethischen Gründen abgelehnt hatte.
Nichts davon stellte kriminelles Verhalten dar. Doch für viele Stiftungsratsmitglieder und Führungskräfte bestätigte der Bericht ein tieferliegendes Problem: Schwabs unkontrollierbare Macht.
So hatte er sogar erwogen, das Hauptquartier des Forums nach Dubai zu verlegen, wie der Homburger-Bericht enthüllte – ein Plan, der letztendlich aufgegeben wurde, der aber den meisten Stiftungsratsmitgliedern zum damaligen Zeitpunkt unbekannt war.
«Klaus führte das Forum wie ein Gründer ein Startup führt», sagt eine dem Vorstand nahestehende Person. «Ja, vieles wurde formell genehmigt. Aber niemand hielt ihn in Schach. Viele Vorstandsmitglieder waren dort als Belohnung. Wenige waren bereit oder interessiert daran, sich ihm zu widersetzen.»
Der Bericht bestätigte eine schwache Aufsicht sowie verschwommene Grenzen zwischen persönlichen und institutionellen Interessen. Doch weil kein kriminelles Handeln festgestellt wurde, geriet der Vorstand in ein peinliches Dilemma: Schwabs Klage und der anhaltende Skandal überschatteten die Vorbereitungen für Davos 2026.
«Als der Bericht vorgestellt wurde, waren einige Stiftungsmitglieder wirklich schockiert. Sie hatten erwartet, dass er schuldig sei, aber es stand nichts Derartiges darin», sagt ein Stiftungsratsmitglied. «Es war offensichtlich, dass wir einen Deal machen und weitermachen mussten.»
Brabeck-Letmathe, der Interimsvorsitzende, trat sofort nach der Einigung mit Schwab zurück. In einem Brief an den Stiftungsrat und den WEF-Geschäftsführer Børge Brende verwies er auf ein toxisches Arbeitsumfeld.
Er war ein früher Unterstützer und langjähriger Befürworter von Schwab und stark in das Forum involviert. Die beiden Männer sprechen heute nicht mehr miteinander.
Die Einigung umfasste eine finanzielle Regelung einschliesslich einer Pensionsvereinbarung, eine offizielle Erklärung, die Schwab von Fehlverhalten freisprach, sowie eine klare Trennung zwischen dem Gründer und seiner Organisation. Der Entscheid, den Bericht nicht öffentlich zu machen, löste jedoch Vorwürfe der Schönfärberei aus.
«Einige nannten es Schönfärberei. Das war es nicht», sagt ein Forums-Mitarbeiter in einer Führungsposition. «Klaus konnte schwierig und arrogant sein und seine Meinung fünfmal am Tag ändern, aber er hat sich nicht selbst bereichert. Er ist keine schlechte Person.»
Dennoch bleibt die Moral intern fragil. «Auf Lateinisch sagt man: ‘Cui bono?’ Ich bin mir nicht sicher, wer davon profitiert hat», sagt ein anderer Mitarbeiter.
«Klaus hat verloren, Brabeck hat verloren, der Vorstand war gespalten, der Ruf des Forums hat einen Schlag erhalten… Wenn die Absicht des Whistleblowers nur darin bestand, Klaus loszuwerden, fühlt es sich wie ein Pyrrhussieg an.»
Schwab fühlt sich laut seinem Umfeld der Würde beraubt, die er zu verdienen glaubt. Er gründete das Forum im Jahr 1971 mit eigenem Kapital und entwickelte es von einem Nischen-Management-Symposium zu einer globalen Institution mit quasi-diplomatischem Einfluss und einem Jahresumsatz von mehr als einer halben Milliarde Dollar.
Er mag das Forum und seine wichtigste Veranstaltung mikrogemanagt haben, so heisst es, aber er glaubte, im besten Interesse der Organisation zu handeln.
«Er gab dem Forum sein Leben, und ohne ihn wäre es nicht das, was es heute ist», sagt eine ihm nahestehende Person. «Jetzt herrscht das Gefühl vor, dass ihm alles weggenommen wird – nicht nur die Position, sondern auch das Vermächtnis.»
Die Ironie ist, sagen Insiderinnen und Insider, dass die internen Turbulenzen des WEF das Schicksal der multilateralen Ordnung widerspiegeln, die es einst verfochten hat.
Die Krise des Forums markiert das Ende einer Ära – der Zeit nach dem Kalten Krieg mit globaler Integration, Marktoptimismus und liberalem Institutionalismus. Diese Ära brachte Davos hervor – und Davos verkörperte diese jahrzehntelang.
Doch die Welt von 2025 sieht ganz anders aus. Die Weltwirtschaft ist fragmentiert, die Klimapolitik prägt nationale Agenden und neue Technologien verkomplizieren die Zukunftsbetrachtung von Gesellschaften.
Die Grundprämisse des WEF, dass der Dialog unter Eliten Gräben überbrücken kann, wirkt zunehmend unzeitgemäss, zumal seine Sprache über das «Zurücksetzen» des Kapitalismus und die Gestaltung globaler Zukünfte haltlose Behauptungen von Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretikern befeuert hat, wonach das WEF Krisen orchestriere, um die Kontrolle von oben über gewöhnliche Menschen auszuweiten.
Rivalen haben diese Lücke gefüllt. So hat sich die Münchner Sicherheitskonferenz über die Verteidigung hinaus zu einer breiteren geopolitischen Debatte ausgedehnt.
Riads staatlich unterstützte Future Investment Initiative, die auch als «Davos in der Wüste» bezeichnet wird, bietet eine glänzende Alternative. Und auch China fördert seine eigenen Dialoge unter dem Banner der Neuen Seidenstrasse.
«Davos hat immer widerspiegelt, was in der weiteren Welt geschah», sagt Thierry Malleret, Co-Autor mehrerer Bücher mit Schwab, dessen nächstes Buch den Titel «Tod von Davos» trägt.
«Es hatte Glanz, weil der Westen von seiner eigenen Macht berauscht war – und das ist vorbei. Multipolarität ist die Zukunft. Es wird Veranstaltungen in China, Riad und Aspen geben – und das europäische Davos wird langsam in die Bedeutungslosigkeit gleiten.»
Das Überleben des Forums hängt nun davon ab, ob es sich – strukturell, kulturell und politisch – für eine Welt neu erfinden kann, die nicht mehr an den Elitenkonsens glaubt, sagen Malleret und andere.
Das wird mehr als neue Co-Vorsitzende erfordern, es wird eine Abrechnung mit den eigenen Grenzen sowie mit der Gegenreaktion gegen die Globalisierung verlangen, die es feiert.
Der unmittelbare Test wird im Januar kommen. Blackrock-Chef Fink hat sich persönlich eingebracht – und weitaus mehr, als manche erwartet hatten –, um die Anwesenheit amerikanischer Superstars sicherzustellen, so eine mit der Planung vertraute Person.
Auch andere Schwergewichte aus der Wirtschaft im Vorstand werden unter Druck gesetzt, aktiv zu werden, um Weltführer und Industrietitanen nach Davos zu bringen, damit die zahlenden Teilnehmenden sehen können, was sie kaufen. WEF-Geschäftsführer Brende ist kürzlich ununterbrochen durch Europa und Lateinamerika gereist.
Mitarbeitende sagen, die Einsätze seien hoch. «Es gibt die Befürchtung, dass, wenn wir kein gutes Davos liefern, einige Partner die Beziehung überdenken könnten», sagt der WEF-Manager.
Eine Person steht besonders hoch auf der Einladungsliste. «Sie sollten auf Trump zielen», sagt Breiding. «Er hat Einberufungsmacht, besonders im Silicon Valley.»
Ein Stiftungsmitglied bestätigte «vielversprechende» Diskussionen über die Sicherstellung der Anwesenheit des US-Präsidenten, der während seiner ersten Amtszeit zweimal persönlich teilnahm.
«Der ganze Fokus liegt darauf, die nächste Veranstaltung zu einem Erfolg zu machen», sagt das Stiftungsmitglied. «Larry Fink hat die besten Chancen, das zu schaffen.»
Ein WEF-Sprecher sagte, es gebe eine «Rekordteilnahme» von Partnerinnen und Partnern in dieser Phase des Registrierungsprozesses.
Jenseits von Davos 2026 steht das Forum jedoch vor einer tieferen Herausforderung: der Relevanz. Kritikerinnen und Kritiker sagen, seine Inhalte seien flacher geworden und seine Podien würden von konventioneller Weisheit dominiert.
«Früher hat es die Grenzen verschoben», sagt eine ehemalige Führungskraft. «Jetzt ist es politisch korrekt und wird von Sponsoren und Beratenden dominiert. Niemand will hören, was Macron in Davos zu sagen hat.»
Einige haben vorgeschlagen, sich für Bereiche zu öffnen, gegen die sich Schwab geäussert hatte. Beispielsweise Rüstungsunternehmen: «Verteidigung wird in Europa nach der russischen Invasion der Ukraine und Trump als öffentliches Gut neu charakterisiert. Das könnte eine Richtung sein», sagt eine ehemalige WEF-Führungskraft.
Andere argumentieren, dass der Wert des Forums darin liege, was es immer noch am besten könne: Zusammenkunft und Dialog.
Dennoch bleibt abzuwarten, wozu das aktuelle Management fähig ist. Brabeck-Letmathe war auch ein wichtiger Teilnehmer an Vorstandsaktivitäten und -angelegenheiten.
«Sobald sie den Januar überstanden haben, braucht das Forum ein völliges Umdenken», sagt ein leitender Manager. «Aber ich bin mir nicht sicher, ob der aktuelle Vorstand diese Denkweise hat.»
Doch selbst auf den höchsten Ebenen wird anerkannt, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss. «Das WEF hat absolut einen Existenzgrund. Es ist wichtiger denn je», sagt ein Stiftungsratsmitglied.
«Aber es verlor seinen Weg, als es versuchte, ein ‘Impact-Forum’ zu werden. Es war dazu gedacht, anderen zu helfen, nicht selbst Ergebnisse zu liefern. Das Forum sollte anderen dabei helfen, den Zustand der Welt zu verbessern, statt zu beanspruchen, dies allein zu tun.»
Copyright The Financial Times Limited 2025
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch