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Micheline Calmy-Rey 100 Tage im Amt

Micheline Calmy-Rey: In der Öffentlichkeit beliebt, im Bundeshaus weniger. Keystone

Micheline Calmy-Rey hat sich anders verhalten als andere Bundesratsmitglieder in ihren ersten hundert Tagen. Sie hat nicht abwartend zugehört, sondern ging forsch in die Offensive.

Der Stil gefällt in der Bevölkerung, aber nicht überall im Bundeshaus.

Wenn Politikerinnen oder Politiker gut in der Bevölkerung ankommen, werden sie als «Populisten» bezeichnet. Während dieser Begriff bei SVP-Nationalrat Christoph Blocher nicht immer einen positiven Anstrich hat, wird die in Umfragen belegte Popularität der SP-Bundesrätin oft im positiven Sinn ausgelegt.

Ihre Aktionen, sei es das Treffen mit US-Aussenminister Colin Powell oder die humanitäre Konferenz in Genf, überraschten und waren ein erstes Zeichen ihrer «öffentlichen Diplomatie». Eine Diplomatie, die sich von der sonst eher stillen Schweizer Aussenpolitik unterscheidet.

Der Flop mit der Zivilopfer-Liste

Zu weit ging die Vorsteherin des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) dagegen mit der Idee, eine Liste mit den zivilen Opfern in Irak ins Internet zu stellen. Die Absprache im Departement fehlte offensichtlich, die Realisierung war zu wenig durchdacht und das Ganze schlecht kommuniziert.

So bietet sie den anderen Regierungsparteien Angriffsfläche. Von «Naivität» und «Eigenmächtigkeit» ist dann schnell die Rede. Wie viel Neid dabei in den Kommentaren mitschwingt, ist schwer zu sagen.

Unmut und Kritik

Offensichtlich ist aber, dass sie ihren Bundesratskollegen die Show gestohlen hat, was diese nicht alle goutiert haben. Gerade Bundespräsident Pascal Couchepin, aber auch Verteidigungsminister Samuel Schmid äusserten entsprechend ihren Unmut.

Auch die Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates zeigte sich mit der Amtsführung der Aussenministerin unzufrieden. Sie setze die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Aussenpolitik aufs Spiel, hiess es Ende Woche.

Anpassung nötig

Calmy-Rey ist eine zu erfahrene Politikerin, als dass sie sich von der Kritik einschüchtern lassen würde. Zudem wird damit kaum ihr Elan gebremst, den sie auf ihrer ersten Auslandreise gezeigt hat.

Allerdings wird die Genferin mit Walliser Wurzeln wohl nicht darum herum kommen, ihren Stil zu ändern. Ähnlich wie Vorgängerin Ruth Dreifuss wird sich Calmy-Rey zumindest teilweise anpassen müssen.

Anpassen vor allem daran, dass sie nicht mehr Staatsrätin, sondern Bundesrätin ist. Das Regieren in Bern, mit einer ungleich grösseren und mehrheitlich deutschsprachigen Menge von Medienleuten, kann nicht gleich funktionieren wie vorher in Genf.

Von Genf nach Bern

Als Genfer Finanzdirektorin setzte Calmy-Rey auf den persönlichen Kontakt. Schon dort fiel sie durch ihre forsche Art auf, wirkte im Interview offen, präsentierte Ideen und brachte frischen Wind in ihr Amt.

Ähnlich wie sie damals mit neuen Ideen und Projekten überraschte, viel erreichte, sich aber nicht nur Freunde machte, wirbelt sie jetzt in Bundesbern.

Nach den ersten hundert Tagen ist es für die Aussenministerin nicht zu spät, den Schaden zu begrenzen und aus den ersten Erfahrungen zu lernen. Mit Hilfe von erfahrenen Expertinnen und Diplomaten könnte sie ihre guten Ideen gezielter und durchdachter vorbringen.

Vorschusslorbeeren

Damit sollte es für Calmy-Rey möglich sein, den Vorschusslorbeeren, die sie zu Beginn erhalten hatte, gerecht zu werden. Mit einer transparenteren, aktiveren Aussenpolitik als ihre Vorgänger. Mit einer Politik, die durch die Verankerung im Departement und der Regierung glaubwürdig transportiert werden kann.

swissinfo und Kathrin Naegeli (sda)

Micheline Calmy-Rey ist nach hundert Tagen im Amt zum innenpolitischen Streitobjekt geworden. Eigentlich sollte die neue Bundesrätin ins Aussenministerium abgeschoben werden. Doch von dort aus spielte sie sich immer wieder ins Rampenlicht der Schweizer Politik.

Dafür erntete sie mächtig Applaus von ihren Anhängern und Anhängerinnen und von ihren Gegnern erst mal ein Stirnrunzeln. Aus diesem ist nun klar und scharf artikulierte Kritik geworden.

Zuerst feuerte die Aussenpolitische Kommission des Ständerates
einen heftigen Schuss vor den Bug der kecken Aussenministerin. Vor allem mit Verweis ihrer nichtpraktikablen Idee, eine Liste der Zivilopfer im Irak-Krieg zu publizieren.

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