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Eine bunte Truppe, die den Kompromiss garantiert

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die bisherige Schweizer Regierung auch die neue sein wird. Die Chancen der Kandidatin der Grünen sind gering. Keystone / Alexandra Wey

Am Mittwoch ist Bundesratswahl. Seit die Grünen im Oktober einen Erdrutschsieg einfuhren, diskutiert die Schweiz, ob es Zeit für eine grüne Vertretung in der Regierung ist. Ein Blick auf die Geschichte der Zauberformel gibt Antwort. Sie lautet: Ja, irgendwann.

Weder Mehrheits- noch Koalitionsregierung: Der Schweizer Bundesrat ist ein bunter Verein. Das spiegelt die Fähigkeit der Schweiz zum Kompromiss. Und es wahrt die Stabilität im politischen System der direkten Demokratie.

Es war ein langer Prozess, der zur heutigen Parteizusammensetzung der Schweizer Regierung geführt hat. Entscheidend für die Verteilung der sieben Regierungssitze ist die politische Kraft der Parteien. Diese wird jedoch nicht nur an der Vertretung im Parlament gemessen, sondern auch an der Fähigkeit, mit der direkten Demokratie zu jonglieren. Konkret: Mit der Fähigkeit, bei Volksabstimmungen Mehrheiten zu erzielen.

Das folgende Video erklärt die Mechanismen der parteipolitischen Sitzverteilung im Bundesrat, der seit der Gründung des modernen Bundesstaates 1848 stets sieben Mitglieder hatte.

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Kurz erklärt: Wie funktioniert eine Schweizer Bundesratswahl?

Wer mit dem politischen System der Schweiz wenig vertraut ist, ist allenfalls dankbar, einige seiner Eigenheiten kennenzulernen.

Zunächst ist die Schweizer Regierung ein Kollegium, in dem alle sieben Mitglieder die gleichen Rechte und Befugnisse haben.

In der Schweiz gibt es keinen Regierungschef, so wie es auch keinen Staatschef gibt.

Es gibt auch keine Misstrauensvoten oder Vertrauensabstimmungen.

Jeder Bundesrat ist für ein Ministerium zuständig, das als Departement bezeichnet wird. Die Entscheidungen aber werden vom Kollegium gemeinsam getroffen. Es tritt einmal pro Woche zusammen, um hinter verschlossenen Türen zu diskutieren und abzustimmen.

Jeder Gesetzentwurf, die ein Minister dem Parlament vorlegen will, muss daher zuerst eine Mehrheit der Stimmen im Bundesrat erhalten. Der gesamte Bundesrat leitet das Dossier dann an das Parlament weiter.

Das hat zur Folge, dass in jedem Prozess Einigkeit und Kompromisslösungen schon innerhalb der Regierung eingeleitet werden. Dieses Prinzip, das jedem Entscheidungsmechanismus zugrunde liegt, nennen Fachleute konkordative Demokratie. Bekannter ist das Prinzip als Konkordanz.

Eine Regierungsstruktur, an der alle, oder zumindest die wichtigsten Parteien vertreten sind, drängt sich daher auf. Sie erhöht die Erfolgsaussichten der Vorschläge des Bundesrates deutlich.

Erstens, damit die Regierungsentscheide die Hürden des Parlaments überstehen. Zweitens, um zu verhindern, dass sie danach in einem Referendum wieder gekippt werden. Denn nachdem sie durch die Mühlen des Parlaments gegangen sind, müssen Gesetzesentwürfe in der Schweiz auch vor dem Volk bestehen.

Dies unterscheidet die Schweiz entscheidend von Ländern mit repräsentativer Demokratie. Der Bundesrat wird zwar vom Parlament gewählt. Das Volk greift nicht in diese Wahl ein. Aber ein Damoklesschwert hängt über jeder seinen Entscheidungen. Um Erfolg zu haben, muss die Schweizer Regierung daher viel mehr als nur die parlamentarische Mehrheit hinter sich scharen.

Dieser Umstand hat dazu geführt, dass Bundesrat seine Zusammensetzung im Lauf der Zeit anpassen musste. Bei seiner Gründung 1848 war es noch ein einfarbiges Kollegium. Die FDP hatte eine absolute Mehrheit im Parlament, und es gab noch keine Volksabstimmungen und Volksinitiativen auf Bundesebene. Über 100 Jahre später, 1959, bestand sie schliesslich aus vier Parteien.

Diese sogenannte Zauberformel wurde bislang beibehalten, allerdings mit einer Änderung in der Verteilung der sieben Regierungssitze. Durch die Änderung ihres jeweiligen Wahlgewichts wurde die Anzahl der Sitze von SVP und CVP umgekehrt: Erstere hat nun zwei Sitze, während zweitere nur einen hat. 

Kai Reusser / swissinfo.ch

Der Aufstieg der Grüne 2019 schafft jedoch eine neue Ausgangslage. Wahrscheinlich, aber nicht sofort, steht ein Wechsel an. Nach Schweizer Tradition brauchen Veränderungen Zeit, wie die Grafik zeigt.

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