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Studieren zu Hause – der Computer als Hörsaal

Wer studieren oder sich weiterbilden will, tut dies in der Regel an einer Universität, einer Fachhochschule oder allenfalls im Fernstudium - oder an der ersten virtuellen Schweizer-Uni im Kanton Uri.

Online studieren macht unabhängig von Ort und Zeit, lässt aber soziale Kontakte weitgehend vermissen.

“Wir wollen mit den konventionellen Universitäten weder in Konkurrenz treten noch ihnen mit elektronischen Mitteln den Garaus machen”, betont Klaus Blum, Mitbegründer und operativer Leiter von Educatis. Die Uni in Altdorf verstehe sich als Ergänzung zu den staatlichen Universitäten.

Das Angebot der ersten privaten Online-Uni in der Schweiz richtet sich denn auch nicht an Erststudierende, sondern an Akademiker weltweit, die sich mit einem MBA-Studium (Master of Business Administration) fortbilden wollen.

Die private Educatis University ist vom Bergkanton Uri anerkannt worden, allerdings erst provisorisch – bis zum 31. Oktober 2007. Die Akkreditierung (Qualitätsprüfung) der Schweizerischen Universitäts-Konferenz (SUK) steht noch aus.

Kein Plaudern in der Mensa

Für Konstantin Theile, Präsident und Gründer von Educatis, ist klar, dass sich E-Learning für das Basisstudium nicht eignet: “Dort muss der junge Mensch, neben dem Wissen, vor allem soziale Kompetenz erlernen. Das geht nicht so gut über das Internet.”

Man müsse sich genau überlegen, wo das Virtuelle sinnvoll sei und wo nicht. Reine Wissensvermittlung zum Beispiel eigne sich bestens, so Theile. “Dann kann sich der Professor auf Diskussionen konzentrieren und Schwerpunkte setzen.”

Im Graduate Bereich, wo der Student bereits wisse, wie man lernt, sieht Theile im virtuellen Raum optimale Möglichkeiten. “Hier kann man den Horizont über weltweite Kontakte und Netzwerke erweitern.”

Und das hat Educatis im Sinn: “Wir bauen ein Netzwerk mit internationalen Universitäten auf, so dass die Studenten auch Seminare besuchen können”, betont Klaus Blum.

Die Vorteile des virtuellen Lernens

Laut Educatis sind bereits 80 Professoren aus rund 20 Ländern involviert und 38 Studierende eingeschrieben, vor allem aus Deutschland. Im nächsten Jahr sollen es mehrere Hundert sein – aus aller Welt.

Denn ob in Hongkong, Altdorf, Sao Paolo oder Warschau: ein virtuelles Studium ist von überall her möglich. Zudem kann der Zeitpunkt des Lernens individuell gewählt werden, was für Berufstätige und Eltern attraktiv ist. Und man braucht sich nicht in überfüllte Hörsäle zu zwängen.

“Neu ist virtuelles Lernen in der Schweiz allerdings nicht”, sagt Doris Bianchi von der Schweizerischen Universitäts-Konferenz (SUK) gegenüber swissinfo. Es gebe dies zum Beispiel bereits an der Fernfachhochschule im Wallis. Und auch der Bund fördere mit seinem “Virtuellen Campus Schweiz” das E-Learning, allerdings nicht als ganze Studiengänge.

Im weiteren studieren Hunderte von Schweizerinnen und Schweizern an der Fernuniversität im deutschen Hagen, deren Abschlüsse von der Schweiz anerkannt sind. Soweit ist die neue Urner Uni noch lange nicht.

Zuständig sind die Kantone

Nach der provisorischen Anerkennung durch den Kanton Uri hat Educatis bei der Universitäts-Konferenz um Akkreditierung ersucht. Man habe jedoch festgestellt, dass diese Uni erst im Entstehen sei, erklärt Doris Bianchi von der SUK.

Private Institutionen seien in einem liberalen Staat grundsätzlich zulässig. Für die SUK ist vor allem wichtig, dass kantonale Anerkennungen an Qualitätsmerkmale gekoppelt sind, damit keine rechtsfreien Räume entstehen.

Skeptisch über die Anerkennung im Kanton Uri äussert sich auch Gabriela Fuchs, Kommunikationsbeauftragte bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK):

“Wir sorgen uns um die Qualität an den Unis. Es ist problematisch, dass ein Kanton eine Universität anerkennen kann, ohne dass diese von der SUK eine Akkreditierung erhalten hat.”

Durch gutes Produkt überzeugen

Ziel der Online-Uni Educatis ist es, in den nächsten zwei Jahren in die Liste der Schweizerischen Universitäts-Konferenz aufgenommen und später auch im EU-Raum anerkannt zu werden.

Dass das nicht einfach sein wird, ist den Educatis-Initianten klar: “Es ist natürlich, dass man an die Sache kritisch herangeht, es gibt ja auch viele Pseudo-Unis. Wir müssen einfach mit Leistung überzeugen”, betont Klaus Blum.

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Educatis gibt es seit 1999. Seit dem 1. Oktober 2003 ist Educatis als private Universität im Kanton Uri anerkannt.
Der Sitz befindet sich in Altdorf, Uri.
Studierende: 38
2004 sollen es rund 250 – 350 sein.
Lehrkörper: 80 Professoren aus 20 Ländern sollen mitmachen.
Ein MBA kostet 8250 Euro.

Der virtuelle Campus Schweiz ist ein Programm des Bundes und fördert das Lernen via Internet auf Hochschulebene.
Studierende sind nicht mehr an einen engen Vorlesungsplan gebunden. Zur Zeit werden in 50 Projekten aus verschiedenen Fachgebieten Online-Kurse vorbereitet.
Das Budget für die 2004 – 2007 beträgt 30 Mio. Franken.

Schweizer, die ein Fern-Hochstudium machen, sind meist an der deutschen Fernuniversität Hagen eingeschrieben, die in der Schweiz anerkannt ist.

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