
Arbeiten in der Schweiz und im Ausland: Das sind die Fallstricke

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer entscheiden sich für einen hybriden Lebensstil: Sie arbeiten einen Teil des Jahres in der Schweiz und den anderen Teil im Ausland. Diese internationale Mobilität bringt jedoch eine Reihe von Herausforderungen mit sich – vor allem administrativer, steuerlicher und sozialer Art.
Für Melanie Marquez ist es für mehrere Monate im Jahr zum Alltag geworden, in den Schweizer Wintern unter der Sonne Kubas zu arbeiten. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Cyrilla Duforêt besitzt sie eine Firma, die Tourismus- und Sportaufenthalte auf der Karibikinsel anbietet. Daneben betreiben die beiden Bernerinnen ein Fitnessstudio in Bern.
Ihre Spontaneität half ihnen, berufliche Chancen zu ergreifen, als sich diese boten. «Nach einer etwas unklaren Phase wurde uns jedoch klar, dass es wichtig ist, die Dinge administrativ zu klären», sagt Marquez.
Klärung des Steuerdomizils
Wenn man in zwei Ländern tätig ist, muss man sich zunächst die Frage stellen, wo das Einkommen deklariert und die Steuer gezahlt werden soll.
Eine Privatperson, die im Ausland für ein Schweizer Unternehmen erwerbstätig ist und das Unternehmen in dem betreffenden Land keine Betriebsstätte oder Niederlassung hat, muss das Einkommen nur in der Schweiz versteuern, sofern sie sich nicht länger als 183 Tage pro Jahr im Ausland aufhält.
Wer für ein ausländisches Unternehmen im Ausland arbeitet, ist in diesem Land steuerpflichtig, auch wenn man dort selbst nicht steuerlich ansässig ist.
Auch im zweiten Land muss unbedingt geklärt werden, ab wann jemand den Status einer inländisch steuerpflichtigen Person hat. «In der Schweiz steuerlich ansässig zu sein, bedeutet nicht, dass man im anderen Land keine Steuern zahlt», sagt Nicole Töpperwien, Geschäftsführerin von Soliswiss, einer Genossenschaft, die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer berät.
Das Steuerdomizil eines Unternehmens entspricht dem Ort, an dem sich sein eingetragener Sitz oder der Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.

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Zwischen geschäftlich und privat unterscheiden
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen dem Steuerdomizil seines Unternehmens und seinem privaten Steuerdomizil, da diese unterschiedlich sein können.
Im Fall von Marquez und Duforêt ist die Sache einfach: Ihr Unternehmen ist in der Schweiz im Handelsregister eingetragen. Dies ist auch das Land, in dem sie die meiste Zeit des Jahres wohnen.
Dennoch «kommt es häufig zu Konflikten über Wohnsitz und Steuerdomizil. Es ist wichtig, eine möglichst klare Situation zu schaffen und Kohärenz zwischen den verschiedenen Ländern anzustreben», warnt Töpperwien.
Doppelbesteuerung
Grundsätzlich wird eine Person, die als steuerlich in der Schweiz ansässig gilt, in der Schweiz auf ihr gesamtes weltweites Einkommen besteuert, einschliesslich des im Ausland erzielten Einkommens. Dies gilt jedoch nur, sofern kein Steuerabkommen vorliegt.
Die Schweiz hat mit vielen Ländern Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unterzeichnetExterner Link. Diese verhindern, dass eine Person oder ein Unternehmen auf dasselbe Einkommen zweimal besteuert wird. In den DBA wird festgelegt, welches Land welches Einkommen besteuern darf, oder wenn beide Länder ein Recht auf Besteuerung haben (meistens bei Einkommen), wie die Doppelbesteuerung vermieden werden kann.
Man muss am Steuerdomizil in der Regel das weltweite Vermögen und Einkommen deklarieren, selbst wenn in einem anderen Land bereits das ganze oder ein Teil des Einkommens besteuert wurde.
«Falls es kein Abkommen gibt, ist eine Doppelbesteuerung möglich. In manchen Fällen berücksichtigt die Schweiz jedoch, dass bereits in einem anderen Land Steuern gezahlt wurden», sagt Töpperwien.
Die Expertin warnt jedoch: «Wenn man in der Schweiz keine oder nur eine unvollständige Steuererklärung abgibt, kann dies als Steuerhinterziehung gewertet werden – selbst wenn das Einkommen in einem anderen Land versteuert wurde.» Sie fügt hinzu: «Wenn Sie nirgends Steuern zahlen, ist das ein Problem.»
An- und Abmeldung
Parallel dazu verlangen einige Schweizer Gemeinden, dass man sich abmeldet, sobald man mehr als drei aufeinanderfolgende Monate (90 Tage) im Ausland verbringt. Dadurch wird die Person zur Auslandschweizerin oder zum Auslandschweizer, was Auswirkungen auf die Steuern hat.
Laut der Soliswiss-Direktorin sind die meisten Gemeinden entgegenkommend und es ist möglich, längere Aufenthalte von bis zu etwa sechs Monaten auszuhandeln, in Ausnahmefällen sogar bis zu einem Jahr. Die Gemeinden haben einen gewissen Ermessensspielraum. Die Situation ist jedoch von Kanton zu Kanton sowie von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.
«Im Interesse der Transparenz rate ich immer dazu, mit der Gemeinde und der Steuerverwaltung Kontakt aufzunehmen.»

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Finanzen in mehreren Ländern verwalten
Seit über zehn Jahren geniesst Karin* jeden Winter die schneebedeckten Landschaften Skandinaviens. Sie ist Mitinhaberin eines Unternehmens, das touristische Aktivitäten anbietet. Neben dieser Tätigkeit arbeitet sie in der Schweiz als Reisebürokauffrau.
Ein Unternehmen in einem Land zu besitzen, dessen Sprache man nicht beherrscht und dessen Verwaltungsabläufe man nur teilweise kennt, kann sich jedoch als kompliziert erweisen. «Ohne einen Geschäftspartner, der das lokale System kennt, hätte ich diesen Schritt wahrscheinlich nie gewagt», sagt die Schweizerin.
In Fällen wie dem von Karin ist es wichtig, die beruflichen von den persönlichen Finanzen zu trennen und die Geldströme klar zu strukturieren. So lässt sich auch verhindern, dass die Behörden die Tätigkeit anders einschätzen. Daher ist es praktisch unerlässlich, in jedem Land ein Bankkonto zu haben.
Zwar ist es legal, Unternehmen in mehreren Ländern zu besitzen, doch «die Wahl der Unternehmensform und die konkrete Umsetzung sind sehr wichtig, da sie sich auf die Besteuerung und die Sozialversicherung auswirken», betont Töpperwien.
Sozialversicherung: Vorsicht vor teuren Lücken!
In der Schweiz sind alle erwerbstätigen Personen dem schweizerischen Sozialversicherungssystem unterstellt, auch wenn sie nicht in der Schweiz wohnen.
Dasselbe gilt in der Regel auch für jeden anderen Staat. Wenn Sie jedoch in mehreren Ländern arbeiten, bedeutet dies nicht automatisch, dass Sie in jedem Land Beiträge zahlen müssen.
Denn die Schweiz hat mit mehr als fünfzig EU- und EFTA-Staaten sowie 22 weiteren Staaten ausserhalb dieser Zone Sozialversicherungsabkommen abgeschlossenExterner Link.
Innerhalb der EU/EFTA besteht das Ziel darin, die Beitragspflicht auf ein einziges Land zu beschränken – auch bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten.
Die Koordination mit Ländern, mit denen kein Abkommen besteht, ist komplizierter. Sie kann zu zu einer doppelten Beitragspflicht oder zu Beitragslücken führen.
Laut Töpperwien tappen Teilzeit-Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizer oft in die Falle des «administrativen Hin und Her»: Häufige Änderungen des Aufenthaltsstatus (zum Beispiel Anmeldung bei der Gemeinde) schaden der sozialen und steuerlichen Stabilität, besonders im Hinblick auf die Altersvorsorge.
«Für eine gute Altersvorsorge Externer Linkist es von Vorteil, konstant in einem Land Beiträge zu zahlen», rät die Expertin.
Jeder Fall ist einzigartig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie hängen von der Tätigkeit (angestellt, selbständig, entsendet usw.), dem betreffenden Land und dem Vorhandensein oder Fehlen eines Abkommens ab. Es ist daher empfehlenswert, sich direkt an die Ausgleichskasse zu wenden, um die eigene Situation zu besprechen.
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Das soziale Leben leidet
Das Jonglieren zwischen zwei Ländern mag zwar aufregend erscheinen, doch diese Lebensweise hat auch ihre Schattenseiten.
«Man lebt zwischen zwei Welten. Jedes Mal, wenn man in eine der beiden zurückkehrt, muss man erst wieder in sie eintauchen, bevor man sich wieder wie zu Hause fühlt», sagt Marquez. «Die Leute haben manchmal den Eindruck, dass wir ständig in den Ferien sind. Das entspricht aber nicht der Realität», fügt ihre Geschäftspartnerin Duforêt hinzu.
Karin ihrerseits berichtet, wie anstrengend und stressig die Vorbereitungen waren: «Ich musste fast ein Jahr im Voraus eine Wohnung vor Ort suchen, eine Untermieterin oder einen Untermieter für meine Wohnung in der Schweiz finden und sie für jemand anderen bewohnbar machen.»
Die Bernerin gibt zu, dass ihr Freundeskreis unter ihren längeren Abwesenheiten gelitten hat. «Die Zeit vor der Abreise ist mit Arbeit, Familienleben und Vorbereitungen so intensiv, dass kaum Zeit für den Freundeskreis bleibt.»
Planung ist der Schlüssel!
Töpperwien betont, wie wichtig eine gute Planung des beruflichen Vorhabens ist. Dabei sollte man sich von einer Beraterin oder einem Berater begleiten lassen, die oder der auf internationale Steuerfragen und Sozialversicherungsrecht spezialisiert ist.
Denn die wenigsten Expertinnen und Experten kennen sich mit den komplexen Konstellationen aus, besonders wenn es um Länder ausserhalb der EU/EFTA geht.
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
*Name der Redaktion bekannt

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