Junge Auslandschweizer erzählen von ihrer Integration in der Schweiz

Wie integriert man sich in der Schweiz, wenn man im Ausland aufgewachsen ist? Welche Herausforderungen stellen sich im Berufs- oder Studentenleben sowie im Alltag? Drei junge Auslandschweizer, die in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind, haben ihre Erfahrungen in einem vom Auslandschweizer Jugendparlament organisierten Webinar geteilt.
Am Sonntagabend, dem 2. März, schalteten sich rund fünfzig junge Menschen aus der ganzen Welt per Computer dem Webinar zu, das das Auslandschweizer Jugendparlament (Youth Parliament of the Swiss Abroad, YPSAExterner Link) für sie organisiert hatte.
Gastgeber war der Präsident des Auslandschweizer Jugendparlaments, Max Groenveld, der in den Niederlanden lebt. Die besonderen Gäste: Luis Gostin und Paul Baumann, beide aus Chile, sowie Ramon Velazquez Aba aus Venezuela.
Diese drei jungen Männer haben gemeinsam, dass sie die Schweizer Staatsbürgerschaft von ihren Eltern geerbt haben, aber im Ausland aufgewachsen sind. Getrieben vom Wunsch, ihr Herkunftsland zu entdecken, sind sie in die Schweiz gezogen.
Die Schweizer Kokosnuss
Obwohl sie jeweils mit etwas anderen Herausforderungen konfrontiert waren, nennen alle drei die soziale Integration als eine der grössten Herausforderungen.
Im Vergleich zur südamerikanischen Kultur, die von Anfang an sehr offen sei, brauche es in der Schweiz Zeit, um Freundschaften aufzubauen. «Die Schweizer Gesellschaft ist wie eine Kokosnuss», sagt Paul Baumann. «Es ist schwierig hineinzukommen, aber wenn man einmal drin ist, ist sie sehr freundlich.»
Ramon Velazquez Aba weist darauf hin, dass in der Schweiz viele Menschen jahrelang gemeinsam zur Schule gehen. Daher sei es für Neuankömmlinge schwierig, in ihren Freundeskreisen Fuss zu fassen, «selbst wenn man einen Schweizer Pass hat».
Einmal etabliert, sind die Freundschaften jedoch stark und dauerhaft, stellen sie alle fest.
Eine «andere» Pünktlichkeit
Das Klischee der Schweizer Pünktlichkeit blieb nicht unerwähnt. Paul Baumann spricht sogar von einer «anderen» Pünktlichkeit, bei der zu früh zu kommen genauso unhöflich sei wie zu spät.
Der junge Chilene hatte tatsächlich Schwierigkeiten, sich an diese extreme Pünktlichkeit zu gewöhnen, die im Privatleben gilt, aber im Berufs- oder Studentenleben noch wichtiger ist. «Man muss absolut alles pünktlich abgeben», betont er. Inzwischen schätze er es aber, dass «alles bei der Arbeit gut organisiert ist und reibungslos abläuft».
Ein Arbeitsmarkt, der nicht so leicht zugänglich ist
Paul Baumann ist Architekt. Er kam in die Schweiz, um einen Master in Architektur zu machen, und fand nur zwei Monate nach Abschluss seines Studiums eine Stelle.
Eine ganz andere Erfahrung als jene von Luis Gostin, der in Chile Musik studiert und anschliessend in der Schweiz eine Ausbildung in der IT-Entwicklung und -programmierung absolviert hat und derzeit auf Jobsuche ist.
«Ich habe überall Bewerbungen geschickt, sogar für Jobs an Supermarkt-Kassen», sagt er. Jungen Auslandschweizer:innen, die sich hier niederlassen wollen, rät er dringend, vor der Stellensuche einen Schweizer Abschluss zu erwerben, da es sonst «kompliziert» werden könnte.
Ramon Velazquez Aba bestätigt Luis Gostins Einschätzung: «Der Schweizer Arbeitsmarkt ist offen, man muss aber viele Bewerbungen schicken.»
Die Sprache ist der Schlüssel
In diesem Zusammenhang betonen die drei jungen Männer, wie wichtig es ist, zumindest die Sprache der Region zu sprechen, in der man lebt.
Luis Gostin zögerte nicht, finanzielle Unterstützung zu beantragen, um Deutschkurse zu besuchen und seine Sprachkenntnisse zu verbessern: «Ich wurde nie nach einem Zertifikat gefragt, aber es ist klar, dass gute Deutschkenntnisse bei der Jobsuche in der Schweiz entscheidend sind. Es hilft auch, um sich leichter zu integrieren.»
Der junge Chilene erklärt, dass für Schweizer Bürger:innen, die aus dem Ausland zurückkehren, Integrationsprogramme und finanzielle Unterstützung vorgesehen sind. «Aber die Bedingungen sind streng und jeder Fall wird individuell analysiert».
Günstigeres Studium als anderswo
Die Schweiz ist als Hochpreisinsel bekannt. Ramon Velazquez Aba warnt, dass die Mieten im Vergleich zu vielen Ländern der Welt übermässig teuer sind und dass die Wohnungssuche, insbesondere in Genf und Zürich besonders schwierig sein kann.
Die drei jungen Männer betonen jedoch, dass die Studiengebühren an der Universität sehr erschwinglich sind, verglichen mit Chile zum Beispiel. «Ausserdem sind die Schweizer Universitäten sehr gut bewertet und international ausgerichtet», sagt Paul Baumann.
Die Aufnahme an einer Universität kann laut Ramon Velazquez Aba auch sehr wettbewerbsintensiv sein. Er kam dank eines Stipendiums zum Violinstudium in die Schweiz und hat die Erfahrung gemacht, dass in seinem Studiengang nur sehr wenige Plätze verfügbar sind.

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Die Frage nach dem Militärdienst
Das Thema Militärdienst führte zu einer langen Diskussion.
Luis Gostin erinnert daran, dass junge Männer verpflichtet sind, ihren Militärdienst zu leisten, wenn sie vor dem 24. Lebensjahr in die Schweiz kommen. Nach diesem Alter ist er nicht mehr obligatorisch, aber bis zum 37. Lebensjahr muss eine Wehrpflichtersatzabgabe bezahlt werden.
«Es gibt verschiedene Formen des Dienstes, wie zum Beispiel den Zivildienst. Ich persönlich habe mich dafür entschieden, die Wehrpflichtersatzabgabe zu zahlen, anstatt zu dienen», sagt Ramon Velazquez Aba.
Auch wenn der Militärdienst von vielen als Zwang angesehen werde, weist Paul Baumann darauf hin, dass in der Schweiz «Unternehmen den Militärdienst schätzen. Sogar Universitäten betrachten ihn als positive Erfahrung.»

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Ausdauer ist gefragt
Ramon Velazquez Aba und Paul Baumann fühlen sich gut in der Schweiz integriert und sind glücklich, hier zu leben. Luis Gostin hat eine etwas kompliziertere Erfahrung gemacht als seine Kameraden, aber alle sind sich einig, dass Geduld und Entschlossenheit die Schlüssel zum Erfolg in der Schweiz sind. Sei es bei der sozialen Integration oder bei der Suche nach einem Job oder einer Wohnung.
Editiert von Samuel Jaberg; Übertragung aus dem Französischen mit der Hilfe vom KI-Tool Claude: Claire Micallef

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