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Reserviert und nicht erschienen: Jetzt greifen Beizen durch

Gäste im Restaurant
Manchmal reservieren Gäste in mehreren Lokalen und melden sich nicht ab. Keystone / Ti-Press / Pablo Gianinazzi

Einen Tisch in einem Restaurant reservieren und dann doch nicht erscheinen? Das ist in der Schweiz keine Seltenheit. Restaurants ergreifen dagegen Massnahmen. Einige verlangen bei der Reservierung die Kreditkartennummer und belasten diese bei Bedarf.

«No Show» – so nennt sich die Praxis, in einem Restaurant einen Tisch zu reservieren, aber dann zum vereinbarten Zeitpunkt nicht aufzutauchen, ohne das Restaurant zu benachrichtigen.

Gilles Meystre ist Präsident von Gastro-Vaud und Vizepräsident von Gastro-Suisse, des Verbands des Gastgewerbes. In den Cafés und Restaurants, die er vertritt, ist «No Show» ein wiederkehrendes Phänomen.

«Es kommt vor allem an den Wochenenden vor, in den Städten und bei jungen Leuten, die dazu neigen, in mehreren Lokalen gleichzeitig zu reservieren», sagt Meystre gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS).

«Es ist eine Praxis, die zunimmt. Eine Person, die nicht erscheint, bedeutet für den Restaurantbesitzer einen Umsatzverlust.»

Laut der Tageszeitung «24 Heures» und der Reservierungsplattform «The Fork» kommt «No Show» in der Schweiz in 1.9 Prozent der Fälle vor. Mit anderen Worten, Kunden erscheinen bei einer von 50 Reservierungen nicht.

Meystre ergänzt diese Zahlen: «2021 zeigte eine Umfrage, dass 86 Prozent der Reservierungen in Lokalen kurzfristig storniert wurden. Und 60 Prozent der Lokale verzeichneten einen Anstieg der No Shows.»

Angesichts dieser Situation verlangen einige Lokale bei der Reservierung eine Kreditkartennummer. Meystre hält das für gerechtfertigt. «Wenn Sie sich beim Arzt anmelden und nicht hingehen können, wird Ihnen der nicht wahrgenommene Besuch in Rechnung gestellt», betont er.

«Wenn Sie in ein Hotel gehen, wird eine Kreditkartennummer verlangt. Aber bevor man so weit geht, gibt es andere Lösungen wie Online-Plattformen.»

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Ist es legal, im Voraus eine Belastung vorzunehmen? «Ja. Allein die Tatsache, dass man anruft und einen Tisch reserviert, ist bereits ein Vertrag», sagt Meystre.

«Wenn Sie Ihren Vertrag nicht einhalten, also nicht im Restaurant erscheinen, liegt es am Restaurantbesitzer, nachzuweisen, dass ihm ein Schaden entstanden ist.»

Juristischer Weg sollte vermieden werden

Reservierungsplattformen verlangen oft viele Daten von der Kundschaft, wie Name, Vorname, Telefonnummer und Kreditkartennummer. «Für mich ist das nicht aufdringlich, sofern es transparent gemacht wird», sagt Meystre.

«Bei einigen Plattformen wird jedoch die Übermittlung dieser Daten für kommerzielle Zwecke genutzt. Zum Beispiel für regelmässige Benachrichtigungen per E-Mail oder SMS oder die Verfolgung Ihres Konsumverhaltens und Ihres Standorts. Es liegt an den Kundinnen und Kunden, zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht.»

In Frankreich und Spanien sind Gerichte auf Antrag von Restaurantbesitzern eingeschritten und haben Geldstrafen, manchmal in Höhe von mehreren hundert Euro, gegen Kunden verhängt, die reserviert hatten und nicht erschienen waren. Wäre dieser Fall in der Schweiz möglich?

«Ich vermute, dass es möglich wäre», sagt Meystre. «Aber es ist genau das, was wir vermeiden sollten. Eine gute Vereinbarung ist immer besser als ein schlechter Prozess. Ich ermutige die Restaurantbetreibenden, andere Lösungen zu finden.»

Laut Gilles Meystre war der Wendepunkt das Jahr 2020 mit dem Beginn des Covid und der verstärkten Digitalisierung.

«Während Covid war die Hypothese, dass die Leute absagten oder wegen Krankheit nicht erschienen. Die zweite Vermutung, da diese Zahlen immer weiter steigen, ist, dass die Digitalisierung zu einer Form der Entmenschlichung geführt hat, zu einer Distanz zwischen Gastronom und Gast, die dazu führt, dass man etwas weniger Skrupel hat, in letzter Minute abzusagen oder unangemeldet nicht zu erscheinen.»

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