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Szenenbildnerin Nina Mader ist nie auf einem Roten Teppich zu sehen

Das Szenenbild ist die Aufgabe von Nina Mader. Für Filme entwickelt sie zusammen mit Regie und Kamera das visuelle Konzept; das geht vom Nachbau von Häusern bis zu historischen Kontexten, in denen eine Geschichte spielt - und kann viel Recherche erfordern. Keystone/ANDI WIDMER sda-ats

(Keystone-SDA) Jeder Film braucht eine Production Designerin. So jemand ist Nina Mader. Im Gespräch mit Keystone-SDA erzählt sie von Häusern, die eigens für einen Film nachgebaut werden müssen. Und sie erklärt, wofür der Schweizer Filmmarkt zu klein ist.

Im Kino läuft der Abspann. Die meisten Besucherinnen und Besucher verlassen das Kino. Kaum jemand achtet mehr auf die lange Liste all jener Personen und Funktionen, die zum Film beigetragen haben. Das ist schade. Denn der Abspann lässt erahnen, was es alles braucht, damit ein Film entsteht. Und es lassen sich Berufe entdecken, von denen man nur vermuten kann, was diese Personen eigentlich tun. Zum Beispiel: Szenenbildnerin (englisch: Production Designerin).

Räumliche Umgebung der Geschichte

Nina Mader ist Production Designerin und erklärt es so: “Als Szenenbildnerin kreiert man die räumliche Umgebung für die Geschichte und entwickelt gemeinsam mit Regie und Kamera das visuelle Konzept eines Films.” Man sei involviert in die Suche nach passenden Drehorten, verantwortlich für das Szenenbild-Budget und für jene Menschen, die im sogenannten Art Department tätig sind. “Je grösser und aufwendiger das Projekt, desto grösser das Team und komplexer die Aufgabe”, sagt Mader.

Wie aufwendig das sein kann, zeigt beispielsweise der Film “Monte Verità” (2020) von Stefan Jäger. Dafür musste das Hauptgebäude der ehemaligen Künstlerkolonie, das um 1900 entstanden ist, rekonstruiert werden. “Wir hatten nur wenige Fotografien zur Unterstützung und es galt, das Gebäude einmal als Aussenfassade im Tessin und einmal als Studiobau in Köln zu realisieren”, so Mader.

Das Nachbauen von Häusern, die es einmal gegeben hat, ist das eine. Anderes darf und muss komplett aus der Vorstellung heraus entstehen. Zu Figuren und Szenen, besonders im historischen Kontext, sei eine fundierte Recherche wichtig. Meist sei in jenem Moment, in dem das Szenenbild involviert werde, bereits viel Vorarbeit von der Regie geleistet worden.

“Falls der Film in einem bestimmten Milieu spielt, finde ich es wichtig, dass man ein Verständnis für diese Umstände und ein Gefühl für die Atmosphäre bekommt, um die Drehorte authentisch ausstatten zu können.” Die Szenenbildnerin erklärt, dass Fragen dabei helfen würden: Wer sind diese Menschen? Was beschäftigt sie? Wie leben sie in diesen Räumen? Was haben sie für Wünsche, Sorgen und Konflikte? Im Austausch mit Regie und Kamera werden Ideen zu den Räumen diskutiert, Komposition entwickelt und ein Konzept für das Licht, die Farbe und die Textur gestaltet, wie Mader sagt.

Die gebürtige Zürcherin Nina Mader arbeitet bei internationalen und einheimischen Produktionen in verschiedenen Positionen im Art Department Team mit. Neben ihrer Arbeit als Szenenbildnerin ist sie immer wieder auch als Set Dresserin tätig. Dabei gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen dem In- und Ausland: “In der Schweiz wird meist ‘on location’ gedreht, das heisst an realen Schauplätzen.” Diese würden dann entsprechend der Geschichte baulich angepasst und möbliert.

Keine Filmstudios in der Schweiz

In der Schweiz gebe es keine Filmstudios im engeren Sinn und auch keine Firmen, die auf Studiobau spezialisiert seien. “Dafür ist der Markt schlicht zu klein”, so Mader. Studiobauten werden meist im Rahmen von Koproduktionen realisiert, zum Beispiel in Deutschland, Tschechien, Polen oder Ungarn.

Wenn Nina Mader selbst ins Kino geht, dann richtet sich ihr Blickwinkel daran aus, ob sie an der Produktion beteiligt gewesen ist. “Wenn ich Filme schaue, an denen ich mitgearbeitet habe, fällt es mir schwer, nicht speziell auf die Ausstattung zu schauen.” Gut abschalten und in die visuellen Welten eintauchen könne sie, wenn sie einfach so im dunklen Saal sitze.

Mader hat Design an der Hochschule in Luzern studiert und die Diplomfilme der damaligen Filmklasse ausgestattet. So ist sie zu ihrer Arbeit gekommen. Sie sei also eher eine Quereinsteigerin beim Film, so Mader. Über Weiterbildungen habe sie sich zusätzlich wichtige Kompetenzen angeeignet, zum Beispiel das CAD-Zeichnen (computerunterstütztes Zeichnen).

Interessierten legt sie das Förderprogramm Stagepool von Focal ans Herz. Dort kann man sich über Praktika in verschiedenen Bereichen beim Film informieren. Szenenbild, spezifisch für Film, kann zudem an der Zürcher Hochschule der Künste studiert werden. Besonders wichtig und ergiebig sei aber, sich zu informieren, sich auszutauschen, so Mader.

“Jedes Projekt ist neu”

Ihr eigener Antrieb: “Die Arbeit beim Film ist unglaublich vielseitig, man kommt viel herum und man hat mit spannenden Menschen zu tun.” Zudem gebe es keine Routine. “Jedes Projekt ist neu und anders und stellt wieder andere Anforderungen.” Dabei seien natürlich “die grundsätzlichen Abläufe innerhalb einer Produktion tatsächlich ähnlich”: Entwicklung, Realisation, Drehzeit und Abwicklung.

Grundsätzlich versucht Mader, bei der Wahl auf ihr Bauchgefühl zu hören, darauf, “ob mich ein Projekt inhaltlich und künstlerisch interessiert und ob mich eine Zusammenarbeit mit einer Regisseurin oder einem Regisseur reizt”. Sie gibt jedoch unumwunden zu, dass “man nicht immer das Privileg hat, die Projekte aussuchen zu können”. Vier Dinge stünden für sie im Zentrum: Authentizität, Atmosphäre, Farbe und Materialität.

Im Abspann der Filme, an denen sie mitgearbeitet hat, taucht Nina Mader zwar auf. Die Beachtung ist aber gering. Sie gibt selten Interviews; auf Roten Teppichen sieht man sie nie. “Ich geniesse es, im Hintergrund zu agieren”, sagt sie so klar wie erfrischend.*

*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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