
Tim Krohn macht die Stille in den Bergen auch in der Stadt hörbar

Tim Krohns "Die Stille der Höhe. Erzählungen aus den Bergen" berühren und lassen die Sehnsucht wachsen.
(Keystone-SDA) Am Anfang das Ende: «Mit 90 ist man noch nicht wirklich alt.» Tim Krohns letzter Satz in seiner neuesten Sammlung «Die Stille der Höhe» bezieht sich nicht auf einen Menschen, sondern auf mehrere Betten, die in einem alten Gemäuer Platz finden: in einem Haus in den Bergen, das dem Schriftsteller gehört. Er hat es mithilfe seines Publikums gekauft, nachdem er an Lesungen dafür Werbung gemacht hat. Im Giebel des offenen Heustalls nistet jeweils ein Pärchen Mauerfalken.
Der Schriftsteller Tim Krohn (“Quatemberkinder”) ist im nördlichen Deutschland geboren und im Glarnerland aufgewachsen. Seit über zehn Jahren lebt er im Val Müstair, einem Nebental des Engadins. Dort schreibt er seine «Erzählungen aus den Bergen», sowie – unter dem Pseudonym Gian Maria Calonder – Krimis, die im Engadin spielen.
Beim Lesen seiner neuen Geschichten wächst die Sehnsucht nach den Bergen, ganz egal, ob man nun ein Bergkind ist oder nicht. Tim Krohn selber hat über zwanzig Jahre in der Stadt, in Zürich, gelebt, bevor er in die Berge zog. Er weiss also, wie er Stadtmenschen die Berge nahebringen kann: dass man den Duft und die Stille der Höhe einatmen kann, ohne sich dort zu befinden.
Archaisch und zauberhaft
Nicht alle seiner Texte spielen in schwindelerregenden Höhen. Einmal beschreibt er Adam und Eva, das Bemühen Adams, ein Reh zu töten («Die ersten Tage der Menschheit: Die Jagd»). Etwas Archaisches und zugleich Zauberhaftes haben allen Geschichten – die über den Trompetenspieler in Ilanz («Helle Nacht») oder über Margrith aus Zürich, die im Unterengadin wandern geht («Wenn das Vieh spricht in der Christnacht»); der Abhandlung über das Glarnerland («Die Fremde beginnt nach ein paar Kilometern …») sowieso.
Wo und wie aber liest man Tim Krohns Sammlung über diese Menschen, die einem vielleicht in früheren Werken schon begegnet sind? Das geht natürlich auch im Tal. Vor und nach Absteigen, auch im übertragenen Sinn, in der Einsamkeit oder in der Stadt. Überall eigentlich. Tim Krohn versteht es, seine Geschichten so zu gestalten, dass sie seine Leserinnen und Leser mitnehmen.
Die Roth-Betten sind übrigens gar nicht 90 Jahre alt. Sie sehen nur so aus und kommen im Essay über das Wohnen und die beste Gegend vor («Unser ideales Heim»). Der Schriftsteller hat sie gefunden, genauso, wie Stille in der Höhe.*
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.