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Grosse Ungeduld bei Schweizer Auslandschulen

Schweizer Schule in Barcelona: Der Andrang hat nachgelassen. escuelasuizabcn.es

Die 18 Schweizer Schulen im Ausland warten sehnlichst auf ein neues Gesetz, das ihnen die Weiterentwicklung ermöglichen soll. An ihrem Kongress haben die Präsidenten und Schulleiter dieser Institute aus ihrer Ungeduld kein Geheimnis gemacht.

“Wir erwarten von Regierung und Parlament ein klares Ja zu den Schweizer Schulen im Ausland”, sagt Barbara Sulzer Smith in Zug dezidiert.

Die Zürcherin, welche die Schweizer Schule in Barcelona leitet, traf sich mit rund 40 Kolleginnen und Kollegen zur Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Auslandschulen, die dieses Jahr in der Zentralschweiz stattfand.

Zug ist einer von 14 Patronatskantonen, die Schweizerschulen im Ausland unterhalten. Obwohl es sich um Privatschulen handelt, müssen diese den Lehrplan ihres Patronatskantons anwenden.

So büffeln die Schüler in Barcelona gemäss bernischem Lehrplan, während jene in Singapur den Unterrichts-Richtlinien des Kantons Zug folgen.

Mehr unternehmerische Freiheiten

Im Zentrum der Jahreskonferenz stand aber nicht diese globale Ausstrahlung des Schweizer Bildungsföderalismus, sondern etwas anderes: Die Revision des Auslandschweizer-Ausbildungsgesetzes (AAG). Den Entwurf dazu hat die Regierung Anfang Juni Parteien, Verbänden und Organisationen zur Konsultation vorgelegt. Diese können sich bis Ende September zum Vorschlag äussern.

Mit dem neuen Gesetz will der Bundesrat die Rolle der Schweizerschulen im Ausland, die seit Jahren gegen Finanzengpässe kämpfen, stärken und neue Fördermöglichkeiten schaffen. So sollen die Schweizer Schulen vermehrt als Teil der Schweizer Präsenz im Ausland wahrgenommen werden und auch grössere betriebliche Freiheiten erhalten. Die Weiterführung des jährlichen Beitrags aus der Bundeskasse von 20 Mio. Franken scheint gesichert, bis das neue Gesetz in Kraft tritt.

Das Parlament wird die Vorlage aber frühestens 2014 gutheissen. Bis es soweit ist, sitzen die Schulleitungen wie auf Kohlen, weil sie bei dringenden Investitionen blockiert sind. 

Hürden aus dem Weg räumen 

“Es ist eine schwierige Phase, die Schulen sind besorgt”, sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Wenn Schweizer Schulen stärker in die Auslandpräsenz des Landes eingebunden werden sollten, müssten sie geschmeidiger werden, damit sie Kooperationen eingehen könnten. “Wir brauchen zudem neue Schulen in den aufstrebenden Ländern. Dadurch können wir die Kontakte zu den dortigen Eliten stärken”, sagt Wyder.

Geschmeidigkeit lautet das Zauberwort bei der Gesetzesrevision: Um Gelder vom Bund zu erhalten, muss eine Schule bisher gewisse Mindestforderungen erfüllen. So müssen etwa mindestens 12 Schüler Schweizer sein, bei Gesuchen um erstmalige Subvention 25. Dazu müssen Schweizer mindestens 30% aller Schüler ausmachen, 20%, wenn die Zahl der Schüler mehr als 60 beträgt. Diese Prozent-Hürden sollen im neuen Gesetz fallen.

“Diese Mindestanteile sind ein Hindernis”, sagt Barbara Sulzer Smith. “Wir können beispielsweise keine neuen ausländischen Schüler aufnehmen, um den Mindestanteil der Schweizer nicht zu gefährden. Wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir aber gerade ausländische Schüler aufnehmen können.”

Konkurrenz schläft nicht

Unter den bildungsbewussten katalanischen Familien geniesst die Schweizerschule in Barcelona seit jeher einen ausgezeichneten Ruf. Sie gilt quasi als ein Sprungbrett zu einer internationalen Berufskarriere.

Aber die Krise, die Spanien und Katalonien hart trifft, hinterlässt ihre Spuren. “Bis letztes Jahr mussten wir eine Warteliste führen. Eine solche gibt es nicht mehr. Es gibt auch weniger Auslandschweizer, die nach Spanien kommen”, sagt die Schulleiterin.

Es gibt aber auch Probleme, die nichts mit dem Schweizer Gesetz zu tun haben. In Singapur beispielsweise ist es Eltern verboten, Schüler in eine ausländische Schule zu schicken. Die dortige Schweizer Schule ist also gänzlich auf Kinder von “Expats” angewiesen, also Ausländern, die im Stadtstaat arbeiten. Zu solchen Nuancenfragen besteht im Schweizer Parlament Diskussionsbedarf.

Schweizer Schulen seien insbesondere in Ländern wie China, Indien, Südkorea, Vietnam oder Russland erwünscht, schrieb der Bundesrat in seiner Botschaft zum Gesetzesentwurf . “Dort spielt sich die Zukunft ab”, bestätigt Derrick Widmer, Präsident von Educationsuisse, wie das frühere Komitee für Schweizer Schulen im Ausland seit Anfang Jahr heisst.

Mit dem neuen Gesetz könnten die Institute wachsen, so Widmer. “Aber man muss für sie eine finanzielle Basis schaffen. Es gibt Länder, in denen man gegenüber der Konkurrenz keine Chance hat, wenn man nicht von Beginn weg eine Turnhalle bieten kann.”

Neues Zuhause gesucht

Das neue Gesetz soll aber auch neu regeln, in welchem Departement die Schweizer Schulen im Ausland angesiedelt sind. Heute müssen sie Gesuche um Unterstützungsbeiträge an das Innenministerium (EDI) richten.

Mit den neuen Rollen der Institute kommen aber auch das Departement für Volkswirtschaft (EVD) und das Aussenministerium (EDA) ins Spiel. ASO-Direktor Rudolf Wyder sieht das Pendel momentan eher in Richtung EDA ausschlagen.

Während die Debatte im Parlament noch in weiter Ferne steht, befinden sich die Kandidaten für neue Schweizer Schulen im Ausland in den Startlöchern. So hat in Vietnam eine “internationale” Schule ihren Betrieb aufgenommen, die 15 Kinder aus der Schweiz zählt. Mit dem neuen Gesetz könnte sie für sich mit dem Label “Swiss Government Approved School” (Von der Schweizer Regierung anerkannte Schule) in Anspruch nehmen.

Trotz dieses Anglizismus will Barbara Sulzer Smith die Schweizer Schulen im Ausland aber auch weiter als Hüterinnen der Schweizer Vielsprachigkeit verstanden wissen. “In Barcelona unterrichten wir auf Deutsch, aber wir bieten auch Kurse in Spanisch, Katalanisch, Englisch und Französisch an.”

Aktuell 18 Institute: 7 in Europa, 8 in Lateinamerika, 2 in Asien, 1 in Afrika.

1800 der insgesamt 7500 Schüler sind Schweizer.

Die Institute sind als Vereine organisiert. Sie sind gehalten, Einnahmen in den Betrieb zu investieren.

Der Bund beteiligt sich mit 25% bis 30% an den Betriebskosten. Bis 1988 waren es 50%.

In zahlreichen Städten arbeitet die Schweiz mit deutschen, französischen oder internationalen Schulen zusammen, beispielsweise in Paris, London, New York, Atlanta, Hongkong, Kairo, Rio oder Tokio.

Das Auslandschweizer-Ausbildungsgesetz (AAG) stammt von 1988. Es setzt Mindeststandards für die Institute fest. So einen Anteil von Schweizer Kindern von 30% (20% bei mehr als 60 Schülern). Auch musste die Mehrzahl der Lehrer den Schweizer Pass haben.

Mit dem neuen Gesetz sollen diese Hürden fallen. Die Beiträge des Bundes messen sich an der Anzahl Schüler. Der Beitrag pro Schüler aus der Schweiz soll erhöht werden.

Die Schulen würden als integraler Teil der Schweizer Präsenz im Ausland betrachtet und über grössere unternehmerische Freiheiten verfügen, heisst es in der Botschaft der Regierung.

(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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