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Rubik-Abkommen: Spanien vorläufig nicht interessiert

Laut Finanzminister Cristóbal Montoro hat sich die Steueramnestie gelohnt, auch wenn das Resultat eher bescheiden war. Keystone

Spanien benötigt dringend Geld. Eine jüngst erlassene Fiskalamnestie hat nur etwas über eine Milliarde Euro erbracht. Ein Abgeltungssteuer-Abkommen mit der Schweiz wäre also willkommen. Doch zeigt sich Spanien zur Zeit davon nicht sehr beeindruckt.

Am 30.November ging die Steueramnestie in Spanien zu Ende. Das Ergebnis ist ein gutes Beispiel für ein halb volles… oder halb leeres Glas.

Die spanischen Steuerbehörden hatten sich vorgenommen, zwischen Juni und November 2,5 Mrd. Euro (3 Mrd. Franken) aus im Ausland verborgenen Konten spanischer Steuerzahler einzutreiben.

Das Ergebnis sah ziemlich anders aus: Die Einnahmen beliefen sich auf 1,191 Mrd. Euro (1,428 Mrd. Franken) – etwas weniger als die Hälfte der erwarteten Summe.

Dennoch war laut Finanzminister Cristóbal Montoro “die Amnestie die Mühe wert”, da 31’000 Steuerzahler mit Investitionen von durchschnittlich 37’800 Euro ihre Situation freiwillig regelten.

Doch die Kritiker der Regierung und die Misstrauischen haben zumindest zwei unbeantwortete Fragen: Wo im Ausland stecken die anderen 50% der Konten, die keine Steuern bezahlen, während die spanischen Finanzen darben? Wird Spanien sein Interesse für ein Rubik-Abkommen mit der Schweiz weiterverfolgen, um zu neuen Geldmitteln zu kommen, ohne dabei das Bankgeheimnis zu verletzen?

Abgeltungssteuer

Im Juni bestätigte Mario Tuor, der Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), gegenüber swissinfo.ch, dass Spanien “sein Interesse kundtat, mehr über das von der Schweiz angewandte Modell für eine Abgeltungssteuer zu erfahren”. Die Schweizer Behörden und Banken erachten das Modell Rubik als salomonische Lösung.

“Die Abkommen über eine Abgeltungssteuer ermöglichen, alle Steuerzahler mit Konten in der Schweiz zu besteuern. Damit wird das Prinzip, die Einkommen an der Quelle zu besteuern, durchgesetzt. Gleichzeitig wird die Privatsphäre der Kunden geschützt, da diese entscheiden, ob sie anonym bezahlen oder den Steuerbehörden Auskunft über ihr Konto geben wollen,” erklärt Tuor.

Laut dem Sprecher des SIF werden seit Juni zwischen der Schweiz und Spanien keine Gespräche geführt: “Wir haben Informationen über unser Modell der Abgeltungssteuer ausgetauscht, aber es gibt noch keine konkreten Verhandlungen.”

Zu Portugal, das wegen seiner finanziellen Lage ebenfalls Interesse an einem Rubik-Abkommen mit der Schweiz haben könnte, will sich Tuor nicht äussern: “Wir kommentieren das Interesse anderer Länder an unserem Modell nicht, es sei denn, sie möchten es der Öffentlichkeit bekannt geben.”

Bekämpfung des Steuerbetrugs

Das spanische Finanzministerium befasst sich mit der Ausarbeitung einer neuen Strategie, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Quellen des Finanzministeriums bestätigten swissinfo.ch, dass “es in den vergangenen Monaten keine Gespräche über ein Rubik-Abkommen gegeben hat, um zwischen der Schweiz und Spanien über etwas Ähnliches zu verhandeln”.

Gleichzeitig schliessen sie die Möglichkeit aus, die Ende November abgeschlossene Steueramnestie zu verlängern: “Der Plan zur Regularisierung entsprach einer ausserordentlichen Massnahme, wie sie von der OECD empfohlen wird. Deshalb wird es keine zweite Phase geben, weder im kommenden, noch späteren Jahren”, heisst es.

“Hingegen hat die Regierung eben ein Gesetz zur Bekämpfung des Steuerbetrugs verabschiedet. Dieses wird die Steuerzahler zum ersten Mal verpflichten, Vermögen und Einkommen im Ausland zu deklarieren.” Diese Erklärung werde ab 2013 obligatorisch sein und muss im ersten Trimester jedes Jahres abgegeben werden.

“Dieser Plan wird der Regierung ermöglichen, dank der Deklarationen zu Informationen zu kommen und auch die mit anderen EU-Staaten unterzeichneten Abkommen über den Austausch von Steuerinformationen auszunützen”, heisst es weiter aus dem spanischen Finanzministerium.

Nach dem Abschluss der Steueramnestie will sich das Ministerium auf die Anwendung des neuen Gesetzes gegen Steuerbetrug konzentrieren und verschiedene Abkommen über Informationsaustausch potenzieren.

Was ist falsch gelaufen?

Spanien muss seine Finanzlage verbessern, wenn 2013, wie es die Regierung des konservativen Mariano Rajoy zusicherte, das letzte Rezessionsjahr sein soll.

Kann eine Steueramnestie als erfolgreich bezeichnet werden, die nur die Hälfte der vorgesehenen Summe einbrachte?

Florian Chatagny, Forscher für Staatsfinanzen am KOF der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), nennt swissinfo.ch drei Gründe für die bescheidenen Einnahmen, obwohl ein Steuersatz von lediglich 10% ohne weitere Sanktionen oder Strafverfolgung zugesichert wurde.

Erstens habe die die Amnestie die Mehrwertsteuer (MwSt) nicht eingeschlossen. Eine Firma, welche die Körperschaftssteuer und die MwSt hinterzogen habe, musste somit befürchten, dass auch der MwSt-Betrug aufgedeckt würde, falls sie die Amnestie in Anspruch nahm.

Zweitens befassten sich in Spanien nur knapp 22% der Beamten mit Steuerkontrollen, im Gegensatz zu 65% in Deutschland, womit viele Steuerzahler die Wahrscheinlichkeit einer Kontrolle als gering einschätzen.

Drittens habe die Regierung eine Steuererhöhung für natürliche und juristische Personen angekündigt. Damit bestehe kein Anreiz, undurchsichtige Einnahmen zu deklarieren, da klar sei, dass in Zukunft mehr versteuert werden müsse.

Laut Chatagny brächte ein Rubik-Abkommen mit der Schweiz Spanien viele Vorteile: “Es würde der spanischen Regierung in kurzer Zeit zusätzliche Steuereinnahmen zusichern. Dies unter anderem deshalb, weil ein System des automatischen Informationsaustauschs mit Ländern wie der Schweiz, Österreich und Luxemburg ziemlich unwahrscheinlich ist.”

Chatagny betont auch, dass ein Rubik-System im Gegensatz zur Steueramnestie als einmalige Massnahme dauernde Steuereinnahmen garantiere. Die Verwaltungskosten eines solchen Abkommens würden fast vollständig von den Banken getragen.

Während Spanien immer mehr in die Krise stürzt, hat der spanische Stararchitekt und Ingenieur Santiago Calatrava laut der Zeitung Cinco Dias sein Vermögen in die Schweiz transferiert.

Seit dem 23. November sei die Familienstiftung Calatrava & Family in Zürich domiziliert, hiess es.

Laut Handelsregister-Eintrag kontrolliert die Stiftung ein langfristiges Investitions-Portefeuille von 38,3 Mio. Franken.

Calatrava hat enge Beziehungen zu Zürich, wo er sein Bauingenieur-Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) absolviert, promoviert und sein erstes Büro eröffnet hat.

Seit diesem Jahr laufen zwischen der Schweiz und Italien Verhandlungen bezüglich einem Abgeltungssteuer-Abkommen (Rubik). Bisher gab sich Bern zuversichtlich, bis zum 21.12. ein entsprechendes Abkommen zur Paraphierung vorlegen zu können.

Doch inzwischen ist Italien in eine Regierungskrise geraten und bereitet sich auf vorgezogene Wahlen vor. Darum begegnet man jetzt den Plänen Berns in Rom mit Vorbehalten.

Auf Fragen von Parlamentariern sagte der italienische Wirtschaftsminister Vittorio Grilli am 11. Dezember, keine “Lösung unter allen Umständen” anzustreben. Er habe auch nie gesagt, bis wann ein Abkommen zustande komme, sondern nur, dass “man sich darum bemüht”.

Grilli sagt ausserdem, dass das Abgeltungssteuer-Abkommen “vielleicht auch einer kleinen Revision bedarf”, wie sich dies ja auch Deutschland überlege.

Die spanische Steueramnestie von 2012 brachte 1,19 Mrd. Euro ein. 2009 erliessen Frankreich und Italien ähnliche Amnestien. Während Paris 700 Mio. Euro eintrieb, waren es für Rom 5,6 Mrd. Euro.

Hier einige der Grundbedingungen für eine erfolgreiche Steueramnestie:

– Wesentliche Anreize wie Herabsetzung der Bussen und des Steueransatzes auf deklarierte Aktiven oder die Garantie, nachträglich keine Steuerkontrollen oder Strafverfolgung durchzuführen.

– Mehr Steuerinspektoren und höhere Strafen, damit der Steuerzahler weiss, dass er zukünftig entdeckt und bestraft werden kann.

– Die Amnestie muss so umfassend wie nur möglich sein und jede im Land erhobene Steuer miteinbeziehen.

– Die Bestimmungen müssen zweideutige juristische Interpretationen vermeiden und die Amnestie sollte von einer Steuerreform begleitet sein sowie die Steuerbasis erweitern.

(Quelle: Florian Chatagny, Forscher für Staatsfinanzen am Forschungsinstitut KOF der ETH Zürich)

(Übertragen aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)

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