Wenn die Tamponsteuer die Menstruations-Schmerzen erhöht
Viele Länder, darunter die Schweiz und Italien, erheben auf Tampons oder Binden eine wesentlich höhere Mehrwertsteuer als auf nicht notwendige Produkte des täglichen Lebens – wie etwa Trüffel oder sogar Viagra. Doch die Forderung nach einer Senkung der Steuern auf Hygieneartikel für Frauen wird immer lauter. Andere Länder haben den Weg geebnet.
Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, als die Menstruation mit Hysterie oder ähnlichen Erscheinungen assoziiert wurde. In unserer Gesellschaft ist das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Belange deutlich gestiegen. Und diese Entwicklung trägt auch dazu bei, dass über das Thema des weiblichen Monatszyklus vermehrt gesprochen wird. Der Informationsgrad hat sich deutlich erhöht.
Es ist also an der Zeit, einen weiteren Schritt zu tun. Konkret bedeutet dies, Frauen den Zugang zu Hygieneprodukten zu erschwinglichen Preisen zu ermöglichen. Zumindest geht eine wachsende Zahl von Ländern in diese Richtung.
Bis anhin sind Tampons und Damenbinden in vielen Ländern teuer, da sie – wie beispielsweise in der Schweiz – dem normalen Mehrwertsteueransatz unterliegen, das heisst nicht einem tieferen Ansatz, der für Grundbedarfsartikel wie Lebensmittel gilt. Das Thema erhitzt momentan in Italien die Gemüter, wo diese Hygieneprodukte ebenfalls höheren Steuern unterliegen. Aus Sicht der Steuerbehörden scheinen sie weniger unverzichtbar zu sein als beispielsweise Trüffel.
Was geschieht in Italien?
In Italien ist die so genannte «Tamponsteuer» (Tampon tax) kürzlich in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, als beschlossen wurde, die Mehrwertsteuer auf Damenhygieneprodukte von 22 auf 10 Prozent zu senken. Der Entscheid ist noch nicht definitiv, da der Gesetzgebungsprozess nicht abgeschlossen ist. Doch das entsprechende Dokument ist Teil des Haushaltsentwurfs. Dieser wurde vom Ministerrat gebilligt und liegt nun bei der Europäischen Kommission. Wenn der Entwurf von Brüssel bestätigt wird, muss das italienische Parlament noch grünes Licht geben.
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Höhere Steuer für Tampons als für Trüffel
Die Frage ist also noch nicht definitiv entschieden. Aber warum eigentlich sorgt die Tamponsteuer in so vielen Ländern der Welt für Diskussionen? Im Grunde genommen ist die Monatsperiode ein natürlicher biologischer Prozess des weiblichen Körpers, der somit rund die Hälfte der menschlichen Bevölkerung betrifft. Tampons und Binden werden jedoch stark besteuert, was den Verkaufspreis für diese Produkte erhöht.
In Italien beispielsweise unterliegen Luxus-Lebensmittel wie Trüffel einer Mehrwertsteuer von 5 Prozent; für Frösche oder Rebhühner gelten 10 Prozent (der Ansatz, der künftig für Tampons gelten soll). Unter diese Kategorie fallen auch Kunstwerke, Sammlerbriefmarken oder die Strom- und Gaslieferungen. Der Mehrwertsteuersatz von 22 Prozent wird in Italien für Produkte wie Kaviar, Wein, Zigaretten oder Benzin angewandt.
Frauen in der Schweiz: 4500 Franken für den Zyklus
Und wo steht die Schweiz? Gemäss einer Umfrage des Westschweizer Radio- und Fernsehens RTS gibt jede Frau rund 2300 Franken für Tampons aus. Dieser Betrag erhöht sich auf 4500 Franken, wenn alle mit dem Menstruationszyklus verbundenen Kosten berücksichtigt werden (die Schätzung beruht auf einer Lebensspanne von 12 bis 50 Jahren, Details auf der Website von RTS).
Dieser Betrag könnte etwas niedriger ausfallen, wenn nicht auch in der Schweiz ein erheblicher Unterschied zwischen der Besteuerung von Damenhygieneartikeln sowie als lebensnotwendig eingestuften Produkten (etwa Nahrungsmittel) bestünde. Doch was ist notwendig? Wie in anderen Ländern wurde das Thema der Tamponsteuer auch im Schweizer Parlament behandelt, aber der politische Prozess zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 7,7 Prozent (dem Normalsatz) auf den reduzierten Satz von 2,5 Prozent ist noch nicht abgeschlossen (hier die aktuellen Schweizer MehrwertsteueransätzeExterner Link).
SP-Nationalrat Jacques-André Maire hatte 2016 mit der Motion «Reduzierter Mehrwertsteuersatz für grundlegende Hygieneartikel»Externer Link einen ersten, vergeblichen Versuch zur Senkung der Mehrwertsteuer unternommen. Im Jahr 2018 machte er mit der Motion «Reduzierter Mehrwertsteuersatz für DamenhygieneartikelExterner Link» einen neuen Anlauf. «Die aktuell für Tampons, Binden und Slip-Einlagen geltenden Mehrwertsteuersätze benachteiligen Frauen stark», hiess es in dieser Motion.
Die erste Motion hatte die Hürde der Grossen Kammer nicht genommen und war auch vom Bundesrat abgelehnt worden. Die Regierung prognostizierte – im Falle einer Annahme der Motion – einen möglichen Einnahmeverlust von rund 50 Millionen Franken pro Jahr. Die zweite Motion mit dem Vorschlag zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Damenhygieneartikel von 7,7 auf 2,5 Prozent fand die Unterstützung der Regierung und des Nationalrats, der im März 2019 mehrheitlich dafür stimmte. Der Ständerat als parlamentarische Zweitkammer muss noch über den Vorstoss befinden.
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Schnittblumen mit reduziertem Satz, Tampons (noch) nicht
Nationalrat Maire hielt fest, «dass für einige Produkte wie Schnittblumen, Blumenarrangements oder Streumittel für Tiere der reduzierte Mehrwertsteuersatz (2,5 Prozent) gilt, derselbe wie für sogenannte lebensnotwendige Güter.» Von diesem reduzierten Satz profitieren auch Produkte wie Viagra.
Für Maire muss gehandelt werden: «Es ist Zeit, dass die paradoxe und befremdliche Regelung in Artikel 25 des Mehrwertsteuergesetzes korrigiert wird und dieser Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Bezug auf die Lebenskosten ein Ende gesetzt wird.»
Nicht alle sind einverstanden
Die von Maire vorgeschlagene Steuergesetzänderung fand jedoch keine einhellige Zustimmung. Die Gegner des Antrags konterten mit zwei Hauptargumenten: Eine mögliche Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern, die diese Senkung der Mehrwertsteuer in Bezug auf Männerhygieneartikel mit sich bringen würde, sowie die Tatsache, zu viele Ausnahmen vom Normalsatz der Mehrwertsteuer zu schaffen.
Zu den Skeptikern gehört der freisinnige Zürcher Regierungsrat Ruedi Noser, der in der Neuen Zürcher Zeitung die angestrebte Senkung der Steuer auf Damenhygieneprodukte kritisierte. Er mahnte, dass die Mehrwertsteuer mit jeder zusätzlichen Ausnahme ineffizienter und komplexer werde. «Es braucht keine neuen Ausnahmen – sondern die Abschaffung aller bisherigen», sagte er. Noser befürwortete eine andere Lösung: einen einheitlichen, tieferen Mehrwertsteuersatz.
Tamara Funiciello, Nationalrätin der sozialdemokratischen Partei SP, findet es beschämend, dass notwendige Artikel für die Gesundheit und Hygiene hoch besteuert werden. «Warum sollte man höhere Steuern auf Menstruationsprodukte erheben als auf lebensnotwendige Güter?», fragt sie.
Zur möglichen Ungleichbehandlung gegenüber männlichen Hygieneartikeln wie Rasierapparaten oder Rasierwasser fügt die Berner Nationalrätin hinzu: «Ich persönlich würde die Steuern auch auf diese Artikel senken. Es wäre richtig. Von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu sprechen, ist unangebracht. Jeder Körper hat andere Bedürfnisse, die nicht miteinander verglichen werden müssen. In einem gewissen Sinne besteht also bereits eine Ungleichheit.»
«Die Diskussion über die Tamponsteuer ist nötig, genauso notwendig wie die Tampons selbst. Tampons billiger zu machen, nimmt dem männlichen Geschlecht nichts weg», sagt Funiciello, die ebenfalls vorgeschlagen hatte, Tampons und Binden in den öffentlichen Schulen ihres Kantons nach dem Vorbild des Kantons Waadt (siehe unten) gratis abzugeben.
Männlich dominierte Makroökonomie
Doch Funiciello geht darüber hinaus: «Mich stört an diesen Diskussionen, dass wir nie genug über die geschlechtsspezifische Klassifizierung in der Makroökonomie sprechen.» Sie verweist auf die vielen von Frauen bezahlten Steuermilliarden, die in vorab männlich dominierte Bereiche fliessen, etwa das Militär oder die Strasseninfrastruktur. «Und dies, obwohl Frauen viel häufiger öffentliche Verkehrsmittel benutzen als Männer», so die Parlamentarierin.
Das Problem sei, dass es in der Schweiz keine realen Zahlen zu diesen ökonomischen Aspekten gebe, weil dieses Phänomen kaum durch wissenschaftliche Studien beleuchtet werde. «Tatsache ist jedoch, dass der Staat viel mehr für Männer ausgibt. Eine Mehrwertsteuersenkung für Hygieneartikel hätte ausserdem keine Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen», bilanziert die SP-Nationalrätin.
Die Situation im Ausland
Länder wie Kanada, Australien, Irland, Libanon, Nicaragua, Malaysia, Ruanda, Kolumbien, Jamaika, Indien, Tansania, Nigeria und Kenia haben die Mehrwertsteuer auf Tampons und Binden vollständig abgeschafft. Das Vereinigte Königreich hatte sie bereits im Jahr 2000 von 17,5 auf 5 Prozent gesenkt und im Januar letzten Jahres dann auch ganz abgeschafft.
Am grosszügigsten zeigt sich Schottland, das Hygieneartikel in Schulen und Universitäten kostenlos abgibt. Im November 2020 ging Schottland sogar noch einen Schritt weiter, indem es das weltweit erste Gesetz verabschiedete, das den Zugang zu Menstruationsprodukten für alle Frauen gratis macht. An den internationalen Trend angepasst haben sich auch Deutschland und Frankreich, wo die Mehrwertsteuer für die Menstruationsartikel besonders hoch waren. Im Jahr 2019 reduzierte Deutschland von 19 auf 7 Prozent, 2015 hatte Frankreich von 20 auf 5,5 Prozent gesenkt. Auch in Spanien ist die Steuer 2015 auf 4 Prozent gesunken.
Während die Schweiz über eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 7,7 Prozent auf Damenhygieneartikel diskutiert, gibt es viele Staaten, die ein weitaus schlechteres Beispiel geben. An der Spitze der europäischen Rangliste der Länder, die Damenhygieneprodukte am höchsten besteuern, steht Ungarn mit 27 Prozent.
Dänemark liegt mit 25 Prozent an zweiter Stelle, während Schweden, Kroatien und Finnland mit 24 Prozent folgen. Nach Italien mit 22 Prozent folgen Lettland, Litauen und die Tschechische Republik mit 21 Prozent, während Bulgarien die europäische Rangliste der Länder mit einer Mehrwertsteuer im mindestens zweistelligen Prozentbereit abschliesst (20 Prozent).
Im März dieses Jahres hat das Waadtländer Kantonsparlament grünes Licht für ein Pilotprojekt gegeben. Demnach werden Tampons und Binden an Schulen gratis abgebeben. Das Projekt hat ebenfalls zum Ziel, das Thema der Menstruation zu enttabuisieren. Für einkommensschwache Familien bedeutet der Erwerb von Hygieneartikel eine Belastung. Im Rahmen der Debatte um das Pilotprojekt hiess es, das zwischen 6 und 10 Prozent der Frauen die entsprechenden Ausgaben nur schwer aufbringen können. Ähnliche Initiativen nach dem Vorbild des Kantons Waadt gibt es Tavannes im Berner Jura oder in Genf.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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