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Erstes Homosexuellen-Paar gibt sich Ja-Wort

Ein Freudentag im Leben von Ernst Ostertag und Robert Rapp. swissinfo.ch

Im Zürcher Stadthaus hat sich das erste homosexuelle Paar standesamtlich registrieren lassen – nach 47-jähriger Partnerschaft.

Der Zürcher Regierungsrat hat die Verordnung über die Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare auf den 1. Juli in Kraft gesetzt.

Eine schwarze, blumengeschmückte Kutsche, gezogen von zwei Schimmeln, fährt vor dem Zürcher Stadthaus vor. Unter dem Applaus der Menge steigen Ernst Ostertag und Robert Rapp aus: Das erste homosexuelle Paar, das sich im Kanton Zürich registrieren lässt.

Nein, die Kutsche sei nicht ihr Einfall gewesen, sagt Ernst Ostertag: Eine Überraschung ihrer “Trauzeugen”, die zwar keine offizielle Funktion haben, aber den grossen Tag des Paars organisieren.

Ostertag und Rapp strahlen. Die beiden 73-Jährigen leben seit fast 47 Jahren zusammen und haben als Homosexuelle üble Zeiten der Unterdrückung und Ächtung durchgemacht.

“Dass wir das noch erleben durften”, sagt Ostertag, das hätte er nicht geglaubt. Es sei die “Krönung von 50 Jahren Kampf” um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Und Rapp gibt unumwunden zu, dass er Herzklopfen habe.

Spalier von bunten Rosen

Das Paar schreitet durch ein Spalier von bunten Rosen. Freunde, Bekannte, Angehörige klatschen und verteilen Küsschen. Medienleute mit Fernsehkameras, Fotoapparaten, Mikrofonen, Schreibblocks suchen ein Wort, ein Bild zu erhaschen. Angesichts des Medienrummels findet diese erste Registrierung im Musiksaal statt, dem grössten Saal im Stadthaus.

Stadtpräsident Elmar Ledergerber beglückwünscht Ostertag und Rapp dazu, während 47 Jahren ihren “eigenen Weg gesucht und gelebt” zu haben.

Zudem erinnert Ledergerber an die Sechzigerjahre mit ihrer “Schwulenrepression”. Damals bedeutete “Registrieren etwas vom Schlimmsten”. Heute sei es Ausdruck von Anerkennung, Toleranz, Offenheit.

Band 1, Seite 1, Nummer 1

Den eigentlichen Registrier-Akt nimmt der Leiter der Abteilung Ehen des Stadtzürcher Zivilstandsamts, Roland Peterhans, vor. Die Unterschriften von Ostertag und Rapp stehen im neuen Register für gleichgeschlechtliche Paare in Band 1, auf Seite 1, als Nummer 1.

Nun geht es ans Unterschreiben. Damit bestätigen die beiden gegenseitig ihren “Willen, meine bald 47-jährige Partnerschaft” mit dem andern “so wie bisher weiterzuführen”. Nochmals stecken sie sich die Ringe an, die sie sich vor 45 Jahren, zum zweiten Jahrestag ihrer Begegnung, geschenkt hatten.

“Ein Traum geht in Erfüllung”

“Ein Traum geht in Erfüllung”, sagt ein sichtlich bewegter Ernst Ostertag. Der Tag sei ein “Sieg der Menschlichkeit, der Menschenliebe, des Menschenrechts”. Im Saal rundum strahlende Menschen.

Ein Paar in der ersten Reihe hält sich an den Händen: Pierre André Rosselet und Pietro Morales. Noch am selben Vormittag werden auch sie ihre 12-jährige Beziehung amtlich absegnen lassen. Sie sind Paar Nummer 3 an diesem Dienstag, 1. Juli 2003. Ihre Registrierung erfolgt dann aber ohne Rummel im offiziellen Trauzimmer.

swissinfo und Elisabeth Hausmann, sda

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