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Schleppende Vorbereitung für Weltinfogipfel

BAKOM Direktor Marc Furrer wird die Schweizer Delegation in Tunis leiten. Keystone Archive

Zuviel Gerede und nicht genug konkrete Taten haben nach Ansicht der Schweiz die Vorbereitung in Genf für den kommenden Informations-Gipfel in Tunesien behindert.

Marc Furrer, Leiter der Schweizer Delegation, sagte gegenüber swissinfo, unnötige Debatten über schon gelöste Probleme erschwerten die Arbeiten.

Während den vergangenen zehn Tagen haben sich 1700 Experten in Genf getroffen, um sich auf die zweite Phase des Weltinformationsgipfels (WSIS) vorzubereiten. Der Gipfel findet im kommenden November in Tunesien statt.

Die erste Phase des WSIS, die 2003 in Genf stattfand, lief auf das ehrgeizige Projekt hinaus, die digitale Kluft zwischen den armen und reichen Ländern der Erde zu überbrücken.

Seit damals, so Furrer, seien nur sehr kleine Fortschritte erzielt worden.

swissinfo: Wie schätzen Sie die erzielten Resultate der vorbereitenden Gespräche hier in Genf ein?

Marc Furrer: Wir sind nicht sehr glücklich. Es gab Punkte auf der Tagesordnung, die bereits 2003 besprochen und abgehakt wurden. Wir sollten nicht wieder das besprechen, was bereits entschieden wurde.

Auch sollten wir vermehrt die erzielten Fortschritte in den Bereichen E-Gesundheit, E-Ausbildung oder in Sachen freiheitliche Medien hervorheben.

Die Schweizerinnen und Schweizer , aber auch die Bevölkerungen anderer Länder fragen sich zu Recht, was wir eigentlich erreicht haben. Wir müssen endlich konkrete Ergebnisse vorweisen, sonst vergeuden wir in sinnlosen Debatten nur das Geld der Steuerzahler.

swissinfo: Sehen Sie Fortschritte, beispielsweise in der Finanzierung der Entwicklung von Strukturen der Informations- und Nachrichtentechnologie in ärmeren Ländern?

M.F.: Die Delegierten begrüssten die Gründung eines so genannten «digitalen Solidaritätsfonds». Für mich ist das ein konkreter Forschritt.

Wir kamen überein, dass es sich hier um freiwillige Zahlungen handeln soll, eine der zahlreichen Finanzierungsarten, um den digitalen Graben zu überbrücken. Das war ja 2003 eines der grössten Hindernisse. Eine Übereinkunft in diesem Bereich bedeutet für mich einen grossen Schritt vorwärts.

Die Kehrseite der Gelddiskussion ist, dass die Ausformulierungen zu technisch ausfielen und die abweichenden Meinungen bestehen blieben. Hier müssen die Delegierten ihre Haltung ändern und aufhören, im Technokratischen zu verweilen.

swissinfo: Die Weltbank sagt, dass sich die Technologielücke zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern schnell schliesse. Ist dann dieser Technologiegipfel, diese teure UNO-Kampagne noch von Bedeutung, um diese Lücke zu schliessen?

M.F.: Die Weltbank hat recht: Länder wie Indien, Marokko, Ägypten, Argentinien oder Venezuela holen schnell auf in Sachen Zugang zur Telekommunikation. Möglicherweise werden sie eines Tages gar die Schweiz überholen.

Wenn wir jedoch über «digitale Solidarität» sprechen, dann meinen wir vor allem die 50 ärmsten Länder der Erde. Hier mangelt es oft noch an Elektrizität und an einem Telefonanschluss.

Wie viele Telefone gibt es in Madagaskar, Nepal oder Bhutan verglichen mit der Schweiz, Frankreich oder Deutschland? Es stimmt schon, was die Weltbank sagt. Dennoch, vielerorts bleibt der digitale Graben eine Tatsache.

swissinfo: Ein weiteres nicht gelöstes Problem dreht sich um die Frage, wer das Internet kontrolliert. Gibt es Fortschritte in der Frage, wer künftig das weltweite Netz überwachen soll?

M.F.: Ich denke wir bewegen uns in die richtige Richtung…eine Umwälzung können wir in dieser Frage nicht erwarten. Wichtig scheint mir hier, dass der Internetzugang unabhängig ist von der Regierungsgewalt. Das Internet funktioniert von alleine, da müssen wir nicht herumschrauben.

swissinfo: Zu Beginn des Vorbereitungstreffens hier in Genf kritisierten Menschenrechtsgruppen Tunesien. Sie sagten, dass gerade dieses Land nicht der richtige Ort sei für eine Konferenz, die sich mit der freien Meinungsäusserung befasse.

M.F. Ich nehme an, dass die tunesische Regierung die Regeln der Vereinten Nationen einhält und sämtlichen Journalisten und zivilen Gruppen erlaubt, am Gipfel teilzunehmen.

Höre ich den Tunesiern hier zu, dann sagen sie, dass sie offen seien für alles. Den Beweis werden sie vor Ort antreten müssen. Wir werden die Antwort im November kennen. Wenn dieser Gipfel nicht offen und fair ist, wird Tunis ein Desaster gewesen sein.

swissinfo-Interview: Anna Nelson, Genf
Übersetzung aus dem Englischen: Urs Maurer

Die UNO hat sich entschlossen, den Weltinformations-Gipfel in zwei Phasen durchzuführen: Die erste fand in Genf 2003 statt. Phase 2 wird im November in Tunesien über die Bühne gehen.

Ziel des Gipfels ist es, den digitalen Graben zwischen den Ländern zu überbrücken und die Frage zu klären, wer das Internet kontrolliert.

Die UNO hofft, durch den erweiterten Zugang zu den modernen Technologien könnten Armut, Hunger und Krankheit in den Entwicklungsländern besser bekämpft werden.

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