Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Beteiligung an europäischer Weltraum-Offensive

Das erste unbemannte Raumschiff der Europäischen Weltraum-Organisation (ESA) ist am Sonntag erfolgreich gestartet. Es soll einen eigenständigen Zugang zur Internationalen Raumstation (ISS) verschaffen.

Schweizer Technologie spielt bei dem Experiment eine wichtige Rolle. Das “Automatische Transferfahrzeug” (ATV) Jules Verne soll ein zentraler Pfeiler für die Versorgung der ISS werden.

Oerlikon Space, der führende Raumfahrtkonzern in der Schweiz und Zulieferer-Firma des ESA-Projektes, produziert Teile für das nach dem französischen Science-Fiction-Visionär Jules Verne benannte Raumschiff. Darunter auch die Nutzlastverkleidung und das Cargogestell, wie Oerlikon Space-Sprecher Hendrik Thielemann gegenüber swissinfo sagt.

Rund 20 Ingenieure und Spezialisten des Schweizer Konzerns haben sich am Projekt beteiligt, das die “Progress”, ein kleineres Raumschiff russischer Bauart, ersetzt.

Das ATV Jules Verne wiegt 20 Tonnen und ist zehn Meter lang.

Ein Schutzhelm

Das Raumschiff wurde von Kourou in Französisch-Guayana an Bord einer Ariane-5 in den Weltraum geschossen. Es ist die schwerste Last, welche die europäische Trägerrakete bislang gestemmt hat.

Die Verkleidung aus Leichtaluminium dient als eine Art Schutzhelm für die Präzisionsinstrumente im Innern des Raumschiffs. Gemäss Oerlikon Space schützt sie vor mechanischem Druck, Hitze sowie Weltraumschutt und Meteoriten. Das Raumschiff wurde während fünf Jahren getestet.

“Alles muss mit sehr grosser Widerstandsfähigkeit, sehr hoher Qualität und Verlässlichkeit hergestellt werden”, sagt Thielemann. “Deswegen wurde alles nochmals getestet, um sicher zu stellen, dass im Weltraum nichts schief läuft.”

Eine Premiere

70 Minuten nach dem Start trennte sich das ATV Jules Verne von der Ariane-Rakete, entfaltete seine Sonnensegel und verwandelte sich in ein Raumschiff, das mit Hilfe von GPS-Navigation selbstständig Kurs auf die ISS in 400 Kilometer Höhe nimmt.

Das Andockmanöver gilt als Premiere für die europäische Raumfahrt – und auch das geht vollautomatisch: Mit zwei Laser-Kanonen ähnlich den Radarpistolen der Polizei misst das ATV auf den letzten drei Kilometern seinen Abstand zur ISS und legt am russischen Teil der Raumstation an – ohne dass die Astronauten auch nur einen Finger krumm machen müssen.

Schweizer Partner

Oerlikon Space ist die grösste, aber nicht die einzige Schweizer Firma, die an diesem komplexen internationalen Geschäft beteiligt ist, sagt Peter Erni vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) gegenüber swissinfo. Weitere Schweizer Zulieferer-Firmen sind Pilatus Aircraft und Ruag Aereospace.

Die Schweizer Raumfahrt-Industrie sei im Vergleich mit der europäischen zwar relativ klein, sagt Erni; doch hätte sie sich in gewissen Bereichen Top-Fachkenntnisse erarbeitet. Schweizer Firmen seien weltweit führend in Technologien wie zum Beispiel atomgetriebene Uhren, wie sie in allen Raumfahrt-Programmen verwendet würden.

Schweizer Unternehmen seien im Raumfahrt-Geschäft überproportional vertreten, so Erni weiter. Doch wie alle guten Dinge müsse Jules Verne – “die nicht literarische Version” – auch ein Ende haben.

Der erste High-Tech-Mülleimer

Für einige Monate wird das ATV zu einem Teil der ISS, wobei es mit seinem Antrieb die wegen des Reibungswiderstands in der Restatmosphäre ständig leicht absinkende Raumstation auf eine höhere Umlaufbahn zurückhievt. Am Ende seines Lebens wird Jules Verne mit Abfall beladen, legt ab und verglüht kontrolliert in der Atmosphäre über dem Pazifik.

Der erste “High-Tech-Mülleimer” kostet die ESA 1,3 Milliarden Euro, darin enthalten sind Entwicklung, Betrieb des Kontrollzentrums in Toulouse und der Start mit der Ariane 5. Jede weitere ATV-Mission schlägt dann mit 350 Millionen Euro zu Buche. Auf diese Weise zahlen die Europäer gleichsam ihre “Miete” für die Mitbenutzung der ISS, erläutert ESA-Sprecher Markus Bauer.

swissinfo, Justin Häne

Der europäische Weltraumfrachter Jules Verne ist erfolgreich zu seinem Jungfernflug gestartet. Eine Ariane-5-Trägerrakete hob um 5.03 Uhr (MEZ) vom Raumfahrtbahnhof Kourou auf Französisch Guayana ab.

Sechs Minuten nach dem Start der Ariane-5-Spezialversion wurde das ausgebrannte Haupttriebwerk abgesprengt. Danach trieb die Oberstufe das ATV (“Automatisches Transfehrfahrzeug”) in eine Umlaufbahn zwischen 140 und 260 Kilometern Höhe.

Dann schaltete “Jules Verne” seine eigenen Systeme ein und nimmt nun Kurs auf die ISS. Dort soll der Weltraumfrachter nach Angaben der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) Anfang April mit rund sechs Tonnen Nachschub automatisch andocken.

Das nach dem französischen Science-Fiction-Autor benannte “Automatische Transfehrfahrzeug” Jules Verne ist das erste von fünf ATVs, welche die Internationale Raumstation (ISS) bis 2015 besuchen sollen.

Die Federführung des Projektes hat das französisch-deutsche Raumfahrtunternehmen EADS, das auch Satelliten produziert und die Muttergesellschaft von Eurocopter und Airbus ist.

Das ATV-Projekt erfordert eine enge und regelmässige internationale Zusammenarbeit der daran beteiligten Unternehmen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft