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“Fenk-Motor” ist Deutschschweizer “MusicStar”

Mit starker Stimme wurde Carmen Fenk erster deutschschweizer "MusicStar". Keystone

Nun hat auch die deutsche Schweiz ihren "MusicStar": Die 25-jährige Carmen Fenk setzte sich am Samstag Abend im Finale der Castingshow durch.

Ob sich Fenk mit ihrem Sieg jetzt in den Rockhimmel singen kann, steht in den Sternen. Sicherer Gewinner ist dagegen das Schweizer Fernsehen als Veranstalter.

Die quirlige Radiomoderatorin aus Sevelen im St. Galler Rheintal, die wegen ihres kaum zu bremsenden Temperaments den Übernamen “Fenk-Motor” trägt, eroberte das Deutschschweizer Fernsehpublikum im Sturm: Mit ihrer starken Stimme, in der immer auch eine gehörige Portion “Dräck” mitschwingt, wie dies Jury-Mitglied und Ex-Sänger der Hardrock-Band “Krokus”, Chris von Rohr, gefordert hatte.

Den Sieg in der ersten Schweizer Castingshow hat Fenk aber auch mit ihrer Präsenz und vor allem mit ihrer bodenständigen Natürlichkeit errungen. Und vielleicht auch ihrem offenen Bekenntnis zu Gott.

Die Fernsehzuschauer konnten ihre Stimme per gebührenpflichtigen Telefonanruf abgeben.

Mundart-Song

Mit einer rasanten Version des Mundart-Songs “Ewigi Liebi” der Gruppe “Mash” besiegte die Favoritin im Final ihre letzten beiden Konkurrenten: Dies waren der immer nette, immer unauffällige, gesanglich aber immer stärker auftrumpfende Lehrer Mario Pacchioli aus Graubünden sowie der mit spitzbübischem Charme bezirzende Soft-Macho Piero Esteriore, Coiffeur aus Laufen im Baselbiet.

Neben einem Plattenvertrag und mehreren Auftritten am Schweizer Fernsehen (SF DRS) erwartet “Carmen MusicStar” die Teilnahme an der nationalen Ausscheidung zum “European Song Contest”. An diesem erhalten auch die Verlierer Mario und Piero (wie auch die viertplatzierte Daniela) noch mal eine Chance.

Besser spät als nie…

Das Schweizer Fernsehen war sehr spät auf den international längst abgefahrenen Zug der telegenen Starsuche aufgesprungen. Die Schweizer TV-Verantwortlichen deklarierten den Gesangswettbewerb zunächst verschämt als Nachwuchsförderung.

In Deutschland kürt Maulheld Dieter Bohlen bereits den zweiten “Superstar”, der erfolgreiche Schweizer DJ BoBo hat den Kandidaten in der “Star-Academy”, ebenfalls ein deutsches Format, seine besten Ratschläge längst erteilt. Und sogar Jordanien ist schon wieder aus dem Taumel um sein erstes Pop-Idol “à l’arabe” erwacht. Derweil tastete sich SF DRS nur zögerlich an die etwas mehr Seriosität versprechende Lizenz der österreichischen Version “Starmania” heran.

Keine Zurschaustellung der Kandidaten wolle man senden, sondern jungen Gesangstalenten mittels Coaching, Medientraining und psychologischer Beratung zu einem Karrierestart verhelfen, so das Credo der Schweizer Fernsehmacher. Kritische Stimmen hingegen interpretierten den verspäteten Aufsprung auf die Castingshow-Schiene als Kniefall vor dem Geschmack der Masse.

Vom Schnarchstündchen zum Strassenfeger

Tatsächlich war die Sendung am Schweizer Bildschirm zunächst relativ unbeachtet vor sich hingedümpelt. Doch von Ausgabe zu Ausgabe steigerten sich die Zuschauerzahlen.

In der vorletzten Finalrunde wurde dann erstmals die Millionengrenze überschritten. So viele Leute sitzen sonst nicht einmal vor der Hauptausgabe der Tagesschau – mit durchschnittlich rund 950’000 Zuschauern der absoluten Quotenrenner von SF DRS.

Dem steigenden Publikumsinteresse entsprach die Allgegenwart der Sendung in den Medien: Kaum eine Zeitung, ein Internet-Portal, ein Radiosender oder eine Fernseh-Sendung konnte “MusicStar”, seine Protagonisten, seine Fans und ja, seine kleineren Skandälchen auslassen.

Zweideutiges Angebot

Die Wogen schlugen am höchsten, als sich die Schweizer Fernsehgewaltigen von “MusicStar”-Juror Elias Fröhlich trennten, weil der Journalist der Boulevardzeitung “Blick” angeblich die Métiers nicht genügend auseinander gehalten hatte. Zu Fall gebracht hat den Musik-Kritiker wohl sein Champagnerdinner mit Kandidatin Daniela. Dabei hatte er ihr das Angebot gemacht, dass sie ihre Chancen bei den männlichen Fans mit Fotos “im erotischen Bereich” pushen könne.

Auch Fröhlichs Jury-Kollege Chris von Rohr, einst Frontmann der Schweizer Hardrocker “Krokus” und später Produzent von “Gotthard”, fütterte die schlagzeilenhungrigen Medien mit kernigen Sprüchen, liess publikumsfreundlich Tränchen der Rührung rollen und verlangte allenthalben nach “meh Dräck” bei der Interpretation der Kandidatensongs. Sein Postulat wurde von Fans und Medien begeistert aufgenommen und auf Marketingprodukten vom T-Shirt bis zum Tonträger gleich gewinnbringend verbreitet.

Immer wieder gab auch das Geld zu reden. Ob der gebührenfinanzierte Landessender mit den hunderttausendfach abgegebenen Telefon- und SMS-Stimmen der Fans nicht ungebührlich Gewinn machte, ist derzeit noch Gegenstand fernsehrätlicher Abklärungen.

Schub für Karrierestart?

Ob die Präsenz in den Medien den Kandidaten eher geschadet oder genützt hat? Die zehn Finalisten haben ihre Zeit bei “MusicStar” jedenfalls als etwas grossartiges erlebt, wie sie unisono angaben. Alle träumten und träumen sie jetzt erst recht davon, die Musik zu ihrem Beruf zu machen. Dafür haben sie ihre Ausbildungen abgebrochen, ihre Jobs gekündigt, ihre Berufe aufgegeben.

Einzig Sabrina, vor zehn Wochen als erste Finalistin ausgeschieden, drückt wieder die Schulbank. Aber auch sie will nach der Matura nur noch singen, singen, singen – und (wieder) berühmt werden. Wer einmal so hell im Rampenlicht strahlte, findet nur geblendet und mit entsprechender Mühe in den Schatten zurück. Auch wenn man weiss, dass Musiker in der Schweiz kaum mehr als lokale Lorbeeren statt Reichtum und Ruhm ernten können.

MusicStar II?

Derzeit überlegt man sich bei SF DRS, ob man im kommenden Herbst mit einer Zweitausgabe des Erfolgsformats an den Start gehen soll. Zu den “MusicStar”-Castings der ersten Ausgabe hatten sich rund 3000 junge Schweizerinnen und Schweizer gemeldet.

Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass sich bei einer zweiten Staffel deutlich mehr unerkannte Talente bewerben. Die dortigen Erfahrungen zeigen aber auch, dass die so erkorenen Stars kaum Chancen auf eine echte Karriere haben. Die wahren Gewinner von “MusicStar”, “Pop-Idol”, “Star-Search” und wie die Formate alle heissen, sind die Veranstalter und Lizenzgeber, die mit diesen Sendungen tatsächlich viel Geld verdienen.

swissinfo, Nina Scheu

Letzte Final-Runde haben 1,6 Mio. Fernseh-Zuschauer verfolgt.
1. Final-Runde: 700’000 Zuschauer; Auftakt-Sendung: 533’000.
Einschaltquote Tagesschau: 988’000.
Im Ausland sank die Sehbeteiligung bei weiteren Staffeln jeweils stark.
Ein Entscheid für zweite Staffel frühestens in drei Wochen.

“MusicStar” basiert auf dem Showkonzept “Starmania” des österreichischen Fernsehens ORF.

Erste Runde: Aus rund 3000 Bewerbenden qualifizieren sich 24 Kandidaten für die zweite Runde.

Zweite Runde: Das Fernsehpublikum bestimmt in 3 Qualifikations-Sendungen die zehn Finalistinnen und Finalisten.

Finale: Das 8-teilige Finale begann am 4. Januar und endete am 21. Februar.

Teilnahmebedingungen: Das Mindestalter für die Wettbewerbsteilnahme betrug 16 Jahre.

Nur Personen mit Schweizer Nationalität oder Niederlassung C konnten teilnehmen.

Verlangt wurden gute Deutschkenntnisse. Ausserdem sollte Mundart verstanden werden.

Die Teilnehmenden durften noch keinen Plattenvertrag haben.

Die Talente mussten sich zwischen Anfang Dezember und Ende Februar vollzeitlich auf ihr “MusicStar”-Training konzentrieren können.

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