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Mannesmann-Prozess gegen Geldauflagen eingestellt

Josef Ackermann kann sich nun wieder voll auf seinen Job bei der Deutschen Bank konzentrieren. Keystone

Das Düsseldorfer Landgericht hat das Verfahren gegen den Chef der Deutschen Bank, den Schweizer Josef Ackermann, und fünf weitere Angeklagte gegen Geldauflagen eingestellt.

«Ein vernünftiger Entscheid», kommentiert Hans Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, im Gespräch mit swissinfo. Die Öffentlichkeit habe falsche Erwartungen an den Prozess gehabt.

Im spektakulärsten Wirtschaftsprozess Deutschlands hatte die Anklage dem Deutsche-Bank-Chef, dem Schweizer Josef Ackermann, und seinen Mitangeklagten vorgeworfen, die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone genutzt zu haben, um Managern und ehemaligen Vorstandsmitgliedern ungerechtfertigte Zahlungen in Höhe von fast 60 Mio. Euro zuzuschanzen.

Die Staatsanwaltschaft sah in den Zahlungen Untreue und Beihilfe zur Untreue. In erster Instanz waren die sechs Angeklagten damals freigesprochen worden. Diesen Freispruch hatte der Bundesgerichtshof aber im Dezember 2005 aufgehoben.

Dass das Verfahren nun gegen Bezahlung von insgesamt 5,8 Mio. Euro eingestellt wird, war bereits letzte Woche erwartet worden, als die Staatsanwaltschaft das Angebot der Verteidiger akzeptiert hatte.

Die grösste Summe von 3,2 Mio bezahlt Josef Ackermann. Der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser zahlt 1,5 Mio., der ehemalige Mannesmann-Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Funk eine Million. Die Angeklagten gelten damit als nicht vorbestraft.

swissinfo sprach mit Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, über das Verfahren.

swissinfo: Was bedeutet dieser Deal, der zur Einstellung des Verfahrens geführt hat?

Hans-Peter Burghof: Dieser Deal ist für die Beteiligten sehr erfreulich. Sie kommen aus einer sehr unangenehmen Situation heraus. Insofern kann man das für sie nur begrüssen. Für Deutschland bedeutet es, dass die Frage nicht geklärt ist, ob solche Prämien zulässig sind.

swissinfo: Ist das eine Niederlage für die Staatsanwaltschaft?

H.-P.B.: Ja. Die Staatsanwaltschaft hat vom Bundesgerichtshof eigentlich eine Vorlage für eine Verurteilung bekommen. Sie hat aber offenbar irgendwann im Laufe des Verfahrens sehen müssen, dass man hier zu keiner vernünftigen Klärung des Sachverhaltes kommen kann. Und hat dann vernünftigerweise gesagt: Jetzt geben wir das auf.

swissinfo: Weshalb war der Entscheid vernünftig?

H.-P. B.: Das ganze Mannesmann-Verfahren als Solches halte ich für ein äusserst unvernünftiges Verfahren. Insofern ist ein Abbruch eines solchen Verfahrens natürlich immer eine gute Sache.

swissinfo: Könnte der Deal Signalwirkung haben für die Wirtschaft?

H.-P. B.: Ja. Es erhöht für Aufsichtsräte (in der Schweiz: Verwaltungsräte) das Risiko ihres Handelns. Sie haben jetzt das Risiko, dass sie auch für Fehlentscheidungen in turbulenten Situationen möglicherweise strafbar gemacht werden können.

Das heisst, Aufsichtsräte werden noch viel vorsichtiger sein. Sie werden es insbesondere nicht mehr riskieren, in der Übernahmeschlacht grosszügig Anreize für das Management zu setzen.

Und das hat für das deutsche Finanzsystem sehr schlechte Folgen. Weil es dazu führt, dass die Manager bei solchen Übernahmeschlachten nicht risikobereit genug sind.

swissinfo: Wie zeigte sich diese Risikobereitschaft im Fall Mannesmann?

H.-P. B.: Der damalige Mannesmann-Chef Klaus Esser ist damals aufs Ganze gegangen, und hat sich verweigert, bis der Preis auf die Spitze getrieben war. Das werden Manager in Zukunft nicht mehr tun. Warum? Weil ihnen die Aufsichtsräte nicht mehr die entsprechenden Anreize setzen können.

Das heisst, wenn man es ganz platt sagt: Deutsche Unternehmen werden für ausländische Übernehmer billiger.

swissinfo: Welche Wirkung hat der Entscheid für die Öffentlichkeit?

H.-P. B.: Die Öffentlichkeit ist empört darüber, dass hier Leute, die sehr viel Geld bekommen haben, jetzt so ungeschoren davonkommen. Im Sinne von: Die Grossen lässt man laufen, die Kleinen fängt man. Solch simple Gerechtigkeits-Argumente werden da eine Rolle spielen.

Was die Öffentlichkeit erwartet hätte, wäre ein Signal, dass sich Manager nicht mehr bereichern dürfen. Da hatte man die Erwartung, dass dieser Prozess jetzt ein Ende dieser Entwicklung setzt, dass die Erfolgreichen immer reicher werden und die nicht Erfolgreichen immer ärmer, dieses Auseinanderklaffen der sozialen Schere, das wir in Deutschland und auch in der Schweiz beobachten können.

Da hatte die Öffentlichkeit aber von Anfang an total falsche Erwartungen an den Prozess gehabt. Denn die Möglichkeiten, sich zu bereichern, werden durch diesen Prozess nie und nimmer eingeschränkt. Egal, wie er ausgegangen wäre.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Der Schweizer Josef Ackermann ist 58 Jahre alt und seit 2002 Vorstandschef der Deutschen Bank, dem grössten deutschen Kreditinstitut. Ackermann war von 1999 bis 2000 auch Mitglied des Aufsichtsrates der Mannesmann AG.

In der Schweiz stieg 1990 in das Leitungsgremium der Schweizerischen Kreditanstalt (heute Credit Suisse) auf. Drei Jahre später wurde er zu deren Präsident berufen.

Am 3. Februar 2000 einigen sich Vodafone und der deutsche Stahlriese Mannesmann auf eine Übernahme. Vodafone bezahlte mehr als 170 Mrd. Dollar.

Bei der Übernahme wurden an amtierende und frühere Mannesmann-Konzernmanager Prämien und Abfindungen in Höhe von 57 Mio. Euro, bezahlt. Ackermann unterzeichnete die Zahlungen, erhielt aber selber kein Geld.

Wenn ein deutsches Gericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ein Verfahren gegen Auflagen einstellt, ist dieser Beschluss nicht anfechtbar und damit rechtskräftig. Die Angeklagten sind dann nicht verurteilt und gelten als unschuldig.

Allein im Jahr 2003 wurde vor deutschen Gerichten mehr als 126’000 Verfahren gegen Auflagen eingestellt. Ganz überwiegend hätten davon Angeklagte profitiert, die nicht über besonders hohe Einkommen verfügten (Wolfgang Drees, Vorsitzender Richter der 10. Grossen Wirtschaftsstrafkammer).

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