Neutralität als Vorteil

Unter den langjährigen Mitgliedern der UNO gibt es verschiedene Staaten, die ähnlich wie die Schweiz neutral sind.
Trotz einer schwierigen Lage während der Zeit des Kalten Kriegs gelang es Österreich und Finnland, in der UNO ihre Nischen zu finden.
Finnland hat seinen Status als neutrales Land insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg geltend gemacht. Finnland ist acht Mal grösser als die Schweiz, hat aber nur fünf Millionen Einwohner und Einwohnerinnen – und eine sehr lange Grenze zu Russland.
Zu Zeiten der Sowjetunion war Finnland somit in der unbequemen Lage eines Pufferstaates zwischen der östlichen und westlichen Welt.
Zwischen den Blöcken – und neutral
Österreich befand sich während des Kalten Kriegs ebenfalls zwischen den Blöcken. Der neutrale Alpenstaat wurde 1955 UNO-Mitglied. «Seither gab es wegen unserer Neutralität und der gleichzeitigen UNO-Mitgliedschaft nie ein Problem», sagt Gerhard Pfanzelter, der österreichische UNO-Botschafter in New York.
Auch für Finnland stellte der Neutralitäts-Status, der in den Zeiten des Kalten Krieges so wichtig war, kein Hindernis für einen UNO-Beitritt dar (Mitglied seit 1956). Nach dem Fall der Berliner Mauer ging Finnland sogar noch einen Schritt weiter. «Unser Land ist auch EU-Mitglied geworden», sagt Marjatta Rasi, die finnische Botschafterin am UNO-Sitz in New York. «Und trotzdem gehören wir heute zu keiner militärischen Allianz.»
Neutralität als flexibles Instrument
Finnland fasste die Neutralität nie als Selbstzweck auf, sondern vielmehr als flexibles Instrument, um das Land durch die bewegten Gewässer der Weltgeschichte zu steuern. «Die Neutralität ist nie ein Problem für unsere Aktivitäten bei der UNO gewesen», sagt Botschafterin Rasi.
Im Gegenteil: «Die Neutralität hat sich oft sogar als nützlich erwiesen, da sie das Vertrauen anderer Länder uns gegenüber stärkte. Mit unserer Neutralität hatten wir nie irgendwelche Hintergedanken, sondern versuchten, Brücken zwischen den diversen Ländern aufzubauen. Aber die Welt hat sich natürlich verändert und auch unsere Neutralität musste sich anpassen.»
Aber riskiert ein kleines Land wie Finnland nicht, dass es sich dem Willen der grossen Nationen unterwerfen muss, welche die UNO kontrollieren? Rasi ist vom Gegenteil überzeugt: «Als kleines Land hat man eher Vorteile in der UNO, da man eine Vermittlerrolle zwischen Nationen einnehmen kann. Ich bin überzeugt, dass dies auch die Rolle der Schweiz sein könnte.»
Beitrag zählt
In Bezug auf Grösse und Einwohnerzahl ist Österreich gut mit der Schweiz vergleichbar. Als neutrales Land konnte auch unser Nachbar eine effiziente Politik entwickeln. Gemäss Botschafter Pfanzelter «hat die Neutralität unsere Position innerhalb der Vereinten Nationen erleichtert».
Doch heute stehe dieser Aspekt nicht mehr im Vordergrund, so der Botschafter weiter. «Der Status einer Nation hat keine grosse Bedeutung mehr; viel mehr zählt der Beitrag, den ein Staat zu leisten gewillt ist.»
Nach Ansicht des österreichischen Diplomaten könnte die Schweiz innerhalb der Vereinten Nationen eine ähnliche Rolle spielen wie Belgien, die Niederlande, Österreich oder die skandinavischen Staaten. Sie sind alle Kleinstaaten, die bei Themen wie Frieden, Menschenrechte oder Internationalem Recht eine wichtige Rolle spielen.
swissinfo, Mariano Masserini
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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