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Der Schweizer, der die deutsche Neue Rechte inspirierte

Einer der drei Preisträger war der Schweizer Publizist Armin Mohler.
Am 28. Februar 1967 wurde erstmals in München der Konrad-Adenauer-Preis für Journalismus, Literatur und Wissenschaft vergeben. Einer der drei Preisträger war der Schweizer Publizist Armin Mohler (Mitte). Keystone

Armin Mohler wäre am 12. April 2020 hundert Jahre alt geworden. Mit seiner Sicht auf die Geschichte der Weimarer Republik und seiner Kritik der Vergangenheitsbewältigung lieferte Schweizer Publizist der erstarkenden deutschen Neuen Rechten entscheidende Schlagworte.

Manche sehen in ihm den einflussreichsten Schweizer Publizisten. Historiker bezeichnen sein Werk als das im deutschsprachigen Raum «untergründig» wirksamste der Nachkriegszeit. 

Die Texte Armin Mohlers stehen am Anfang des Versuchs der extremen Rechten in Deutschland, dadurch wieder Fuss zu fassen, indem sie wie die Linke seit 1968 Kulturkampf betrieb. Sein Begriff der «Konservativen Revolution» war äusserst dienlich um dem Schulterschluss bürgerlicher Kräfte mit der äusseren Rechten einen legitimen Anstrich zu geben. 

Dabei konnte Mohler gerade als Schweizer über Jahre als Unbelasteter gelten, als demokratischer Brückenbauer, der einen anderen Blick auf die BRD warf. Begraben wurde der Schweizer Politphilosoph aber in Deutschland. Seinen Nachruf hielt Götz Kubitschek, Verleger und Spiritus Rector der äusseren Rechten in Deutschland, der ein später Freund und Schüler Mohlers war.

Wie wurde Mohler zum Vordenker der deutschen Rechten? Mohler selbst, am 12. April 1920 in Basel geboren, legt in seinen Memoiren den Anfang in die Rekrutenschule: Der Drill der Schweizer Armee hätte ihn 1940 endlich von seinem «linksliberalen Thrönchen» geholt. 

Und je wütender der Krieg in Europa tobte, desto stärker wuchs der Wunsch in ihm, nicht nur über den Rhein hinweg zuzusehen, sondern mitzutun – der junge Mohler fühlte sich «monumental unterernährt». Im Februar 1942 überquerte er im Nebel die Grenze zum Elsass um sich freiwillig bei der Waffen-SS zu melden. An die Front gelangte er allerdings nie – warum genau, ist ungeklärt. In den Jahrzehnten nach dem Krieg erzählte er, er sei angeekelt gewesen davon, dass man ihn als Spitzel anwerben wollte. Mit der Radikalität des Alters meinte er, gerade die Bewunderung dieser paneuropäischen Brigade der Freiwilligen-SS habe ihn für den Faschismus begeistert. 

Fakt ist: Mohler kehrte, nach einigen Monaten des Studiums in Berlin, zurück, verbüsste eine kurze Haftstrafe. Und beschloss, aus seiner Biografie eine «Dissertation» zu machen: Er wollte der «geistigen Familie», der er sich zurechnete, ein Denkmal setzen. 

Konservative Revolution

1950 publizierte er «Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932″. Unter dem Oberbegriff, der das Buch so erfolgreich machen sollte, versammelte er die Exponenten eines soldatischen, antiliberalen, antidemokratischen Denkens, die die Weimarer Republik bekämpften – und sprach sie von jeder Schuld frei, als Wegbereiter für den Nationalsozialismus gewirkt zu haben: «Der deutsche Konservativismus ist ein Opfer des Faschismus.»  

Jeder, der, so klagte Mohler im Vorwort, «nicht in die Emigration oder ins Konzentrationslager» gegangen sei, sei später einfach verdammt worden. Dabei seien diese Leute von den Nazis durchaus auch unter Verdacht gestanden, Linientreue vermissen zu lassen. Mohler wollte das rechte Denken der 1920er Jahre klar unterscheiden von jenem des Nationalsozialismus – eine Trennung die aus jeder heutigen historischen Sicht so nicht haltbar ist. 

Sein Doktorvater, Karl Jaspers, akzeptierte die Arbeit, meinte aber: «Ihre Arbeit ist eine grossangelegte Entnazifizierung dieser Autoren, die besticht und heute in Deutschland mit Begierde gelesen werden wird.» Er sollte Recht erhalten. Die Trennung, die Mohler vollzogen hatte, ermöglichte es Rechtsextremen, sich eine neue Ursprungserzählung zu geben, in der die Vernichtung von mehreren Millionen Juden zur Nebensache wurde. Günther Maschke, früher linker Aktivist, heute ein extremer Rechter, meinte: «Sein Werk über die ‚Konservative Revolution‘ ist unsere große Landkarte, er hat darin die Grundlinien zur Orientierung gezeichnet.»  

Nach seiner Dissertation schrieb Mohler als Journalist für Zeitungen in der Schweiz und in Deutschland, arbeitete als Sekretär für den Schriftsteller Ernst Jünger, wurde zum Frankreich-Experten. Ab 1961 leitete er die konservative Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München – die Stelle hat er auf Empfehlung von Franz Riedweg erhalten, der Schweizer, der die Schweizer SS leitete. 1967 erhielt Mohler den Konrad-Adenauer-Preis, der an rechte Intellektuelle vergeben wird. Die Laudatio der Preisverleihung 1967 hob seinen «schweizerischen Bürgersinn» hervor. 

Doch mit dem Preis rückte Mohler ins Rampenlicht und es bekam ihm nicht: Sein Ausflug über die Grenze in den 1940er Jahren wird öffentlich gemacht, ebenfalls, dass er unter Pseudonym auch für die nationalistische Presse schrieb. Mohler verliert auf Grund der «Hexenjagd», wie er es nannte, einen Ruf an die Universität in Innsbruck. Mohler wird nun noch entschiedener zum Netzwerker der Neuen Rechten jenseits des Parteienspektrums. 

Kämpfer gegen die Vergangenheitsbewältigung 

Neben der Reinwaschung der «Konservativen Revolution», war seine Polemik gegen die deutsche Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten sein grosses Vermächtnis. 

Bereits in seinem Buch «Was die Deutschen fürchten», das 1967 zu einem Bestseller wurde, griff er zu brachialen Formulierungen, um Historiker für ihre angeblich voreingenommene Sicht zu kritisieren: “Sie türmten die Kadaver der Juden, die nicht für sie gestorben waren, als Wall um sich auf, um Feldvorteil zu haben” 1968 legte er mit einem Essay über die «Vergangenheitsbewältigung» mit dem Untertitel «Oder wie man den Krieg nochmals verliert» nach: Darin übte er primär Kritik daran, dass die gemässigte wie aber auch die äussere Rechte immer wieder als «Lieferanten eines künftigen Auschwitz» beschimpft würden. 

1979, als die amerikanische Fernsehserie «Holocaust» zu einer intensiven, populären Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus führt, verspottete er die Vergangenheitsbewältigung als «süsse Droge» und verächtlichen «Bewältigungsrummel». 

In den 1990er Jahren wird er die Vergangenheitspolitik Deutschlands als «Nasenring» bezeichnen: Auf dem Cover des Buchs mit dem selben Titel, das in einem offen rechtsradikalen Verlag erscheint, ist ein Büffel zu sehen, der an einem Hakenkreuz, das ihm durch die Nase gezogen wurde, herumgezerrt wird. Zur selben Zeit lässt er alle pragmatischen Hüllen fallen und outet sich in der Schweizer «Wochenzeitung» als Faschist – natürlich nicht ohne in feiner Abgrenzung zu betonen, er sei dies nicht im Sinne von Hitler oder Mussolinis, sondern in jenem des Uneingeschworenen eher unbekannten José Antonio Primo de Rivera y Sáenz de Heredia.

Trotz oder gerade wegen solcher gelehrten Feinsinnigkeiten ermöglichte Mohler es jungen Rechten erstens in der Tradition ihrer geistigen Väter zu wühlen, und so zu tun, als sei auf die juristischen Gedankenspiele der Antidemokraten und die völkische Soldatenverehrungs-Literatur der 1920er Jahre kein blutiges Nachspiel gefolgt. 

Zweitens stand Mohler am Anfang einer Strategie, die seit den 1990er Jahren zum festen Inventar der neuen extremen Rechten geworden, jede Kritik an Rechtsextremismus als «Nazi-Keule» zurück zu weisen.

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