Bauern müssen mit Schwankungen leben lernen
(Keystone-SDA) Auf die Bauern kommen härtere Zeiten zu. Nach zwei überdurchschnittlichen Jahren bricht das Einkommen der Landwirtschaft 2015 ein. Die Bauern müssten lernen, mit solchen Schwankungen umzugehen, sagt Bernard Lehmann, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW).
Er präsentierte am Freitag in Bern den jüngsten Agrarbericht und eine Schätzung für das laufende Jahr: 2013 lag das Nettoeinkommen der Betriebe bei insgesamt 3 Milliarden Franken, 2014 stieg es auf über 3,2 Milliarden Franken. 2015 geht das Bundesamt für Statistik von einem Gesamteinkommen von 2,86 Milliarden Franken aus.
Das wären fast 11 Prozent weniger als letztes Jahr und weniger als der Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Diese seien bereits von starken Schwankungen geprägt gewesen, sagte Lehmann. In diesem Zusammenhang müsse auch das Ergebnis von 2015 gesehen werden. «Das mag enttäuschen, ist im Kontext aber nichts Aussergewöhnliches.»
Bauern in der Verantwortung
Als Gründe für die Schwankungen nannte der BLW-Direktor unter anderem die Abhängigkeit vom Weltmarkt und die zunehmende Spezialisierung. Diese sei eine Chance, berge aber auch Risiken. Die Bauern müssten lernen, besser damit umzugehen. Konkret bedeutet das für Lehmann, dass die Bauern in guten Jahren auch etwas für schlechte Zeiten zurücklegen sollten.
Die Zahlen dürften nicht nur kurzfristig gelesen werden. Beim Cash Management oder bei Investitionen brauche es auch eine mittel- und langfristige Betrachtung. «Dem ist man sich möglicherweise zu wenig bewusst. Darum wird dann rasch an die Politik appelliert, wenn etwas schlecht läuft», sagte Lehnmann. Es liege aber auch an den Bauern, den vorhandenen Spielraum zu nutzen.
Ob der Appell auf fruchtbaren Boden fällt, ist ungewiss. Denn bei den Bauern brodelt es zur Zeit. Sie wehren sich gegen geplante Kürzungen im Budget 2016 und gegen die vom Bundesrat vorgeschlagenen Einsparungen in den folgenden Jahren. Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP/SG) wirft dem Bundesrat einen Verstoss gegen Treu und Glauben vor. Am Freitag vor Beginn der Wintersession hat seine Organisation daher zu einer Grossdemonstration in Bern aufgerufen.
Argumente für beide Seiten
Der Agrarbericht liefert beiden Seiten Munition. Darin ist beispielsweise nachzulesen, dass letztes Jahr 840 Milchbetriebe verschwunden sind. Aufgrund der tiefen Preise und des starken Frankens brach der Milchpreis Anfang Jahr ein.
Inzwischen geht es wieder aufwärts. Lehmann wies auch darauf hin, dass es nicht nur einen einzigen Milchpreis gibt: Der Milchpreis für Greyerzer-Käse pendelte in den letzten Jahren zwischen 80 und 85 Rappen. Jener für gewerblich hergestellten Käse bewegte sich um 75 Rappen und befindet sich nach dem Taucher Anfang Jahr schon fast wieder auf diesen Niveau. Der Preis für industriell hergestellten Käse hingegen sackte bis auf 55 Rappen ab, ebenso jener für Industriemilch.
Auch das Bauernsterben – im Verwaltungsjargon Strukturbereinigung genannt – hat für Lehmann zwei Seiten. 1161 Betriebe sind letztes Jahr verschwunden, viele davon in der Bergregion. Die Direktzahlungen hingegen sind leicht auf 2,815 Milliarden Franken gestiegen. Die gesamten Ausgaben des Bundes für Landwirtschaft und Ernährung lagen nur 13 Millionen Franken unter dem Niveau von 2013. «Dieser Kuchen verteilt sich auf weniger Betriebe», gab Lehmann zu bedenken.
Bestes Ergebnis
Tatsächlich erzielten die Bauern 2014 das beste Ergebnis der letzten zehn Jahre. Gemäss Agrarbericht lag das landwirtschaftliche Einkommen durchschnittlich bei 67’806 Franken, 15 Prozent höher als in den drei vorangehenden Jahren. In der Bergregion stieg das landwirtschaftliche Einkommen gar um 22 Prozent. Dort profitierten die Bauern von den Umstellungen im Direktzahlungssystem bei der letzten Agrarreform.
Zusammen mit dem ausserlandwirtschaftlichen Einkommen resultierte 2014 ein durchschnittliches Einkommen von 88’456 Franken, gut 5600 Franken mehr als im Jahr zuvor. Die höchsten Einkommen erzielten Betriebe mit Veredelung, gefolgt von Betrieben, die auf Verkehrsmilch und Ackerbau setzen.
Die Anzahl Beschäftigte in der Landwirtschaft blieb letztes Jahr stabil. Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche nahm trotz sinkender Betriebszahl sogar leicht zu. Entsprechend grösser werden die Höfe: Gemäss Agrarbericht gibt es 2,2 Prozent mehr Höfe mit über 30 Hektaren und 5,8 Prozent mehr mit über 50 Hektaren. Verschwunden sind hingegen Betriebe mit weniger als 30 Hektaren.
Mit dem jährlich erscheinenden Agrarbericht wird die ökonomische, ökologische und soziale Situation der Landwirtschaft ausgeleuchtet. Gestützt auf Umfragen zeigt dieser auch auf, dass für die Mehrheit der Bevölkerung eine tierfreundliche und produzierende Landwirtschaft die wichtigsten Aufgabengebiete sind. Als etwas weniger wichtig eingestuft werden die Versorgung aus der Nähe und ein lebenswerter ländlicher Raum.