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Bessere Verbreitung für Schweizer Jazz-CDs

CD des Labels "Intakt": Co Streiff Sextet, Qattara. intaktrec.ch

Neue Wege in der Musikförderung: Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia unterstützt vier Schweizer Jazz-Labels mit einem gezielten Programm.

“Intakt”, “Tonus”, “Altri Suoni” und “For4Ears” erhalten insgesamt 140’000 Franken.

Pro Helvetia geht damit im Jazzbereich von der Produktions- zur Promotionsförderung über. Das erscheint deshalb sinnvoll, weil viele kleinere Plattenfirmen aus finanziellen Gründen immer öfter auf die Veröffentlichung von hoffnungsvollen, aber im Schweizer Markt nur bedingt publikumsträchtigen Projekten verzichten müssen.

Ziel des Förder-Programms ist es, professionelle Strukturen zu unterstützen, die Unabhängigkeit der Labels zu erhalten und deren Werbemöglichkeiten zu verbessern. Der Schritt von der Produktions- zur Promotionsförderung soll dem Schweizer Jazz generell eine bessere Verbreitung ermöglichen.

Weg vom Giesskannen-Prinzip

Pro Helvetia will die Labelförderung vorläufig jedes Jahr ausschreiben. Es erhalte nicht einfach jedes angemeldete Label gleichviel Geld vom Gesamtkuchen, sagt Jakob Flükiger, der in der Abteilung Musik für den Jazz verantwortlich ist.

“Wir wollen keine Kulturförderung nach dem Giesskannen-Prinzip machen. Entscheidend für die Geldvergabe ist die Beantwortung eines Kriterienkataloges. Anhand der Konzepte der Labels bestimmen wir den Verteilungsschlüssel.”

Acht Schweizer Labels haben sich an der von Pro Helvetia noch im vergangenen Jahr initiierten Ausschreibung beteiligt. Alle hätten es eigentlich verdient, Geld zu erhalten, betont Flükiger gegenüber swissinfo. “Es sind alles Betriebe, die schon seit langem ehrenamtlich und mit grossem Engagement und Herzblut arbeiten.”

Belohnung für Szenenrelevanz

Mit “Intakt” (Zürich), “Tonus” (Bern), “Altri Suoni” (Manno, TI) und “For4Ears” (Itingen, BL) habe man die vier besten Labels ausgewählt, so Flükiger.

“Das wichtigste Kriterium ist die Szenenrelevanz. Dazu gehört die Anzahl der Vertriebe national und international, daran direkt gekoppelt natürlich die Verkaufszahlen, Werbeauftritte, das künstlerische Konzept, die Ausrichtung und die Künstler-Betreuung.”

Pro Helvetia macht den Labels klar die Vorgabe, dass das Geld nicht für die Produktion, sondern für die Promotion verwendet werden muss. “Wir wollen nämlich verhüten, dass einfach neue CDs gemacht werden, die dann irgendwo im Laden liegen bleiben”, sagt Flükiger. “Die CDs sollen besser an den Käufer gebracht werden – das wollen wir fördern.”

Keinen Mainstream unterstützen

Einwände, wonach die Produktionen der vier prämierten Labels mehrheitlich “abgehobene”, frei improvisierte Musik präsentieren würden, weist der Jazz-Verantwortliche von Pro Helvetia zurück: “Ich kann dem nicht beipflichten, wobei die Einschätzung der Musik subjektiv ist. Diese Labels geben einen guten Überblick über den aktuellen Schweizer Jazz.”

Es sei nicht unbedingt die Aufgabe von Pro Helvetia, für sogenannte Mainstream-Produktionen Fördergelder zu sprechen. “Wir wollen das aktuelle Kulturschaffen unterstützen.”

Problem Vertrieb

Patrik Landolt, Geschäftsführer des mit 50’000 Franken prämierten Labels “Intakt”, ist über den Entscheid der Pro Helvetia natürlich erfreut, aber auch ein bisschen überrascht, weil der Kulturbetrieb überhaupt nicht berechenbar sei.

“Das Förderungsgeld erlaubt uns, mit einer bestimmten Kontinuität zu arbeiten”, so Landolt zu swissinfo. “Nun können ein paar Sachen nachgeholt werden, die wir schon lange hätten machen müssen und wollen.”

“Intakt” habe bei Pro Helvetia ein sehr detailliertes Gesuch vorgelegt, sagt Landolt. Das Geld werde hauptsächlich für die Verbesserung der Vertriebsarbeit verwendet.

“Das ist das schwierige bei der CD-Produktion, vor allem auch für Schweizer Künstlerinnen und Künstler: Wie kommen diese Musiker ins Ausland, was muss man tun, damit ihre Musik in Europa, den USA, Kanada, Japan oder Singapur im Radio gespielt wird und sie dort Konzerte machen können.”

Nicht nur Schweizer Künstler

Mit dem Geld von Pro Helvetia würden in erster Linie Produktionen von Schweizer Musikschaffenden promoviert, erklärt Landolt. “Intakt” habe aber das Konzept, mit einer Mischung von internationalen und hiesigen Namen die Schweizer Künstler in einem internationalen Kontext zu präsentieren.

“Jüngere, unbekanntere Namen können durch den Glanz von international berühmten Namen etwas gewinnen, das zahlt sich aus. Dieses Nebeneinander ist ganz wichtig.”

“Intakt” sieht sich im Grenzbereich von aktuellem Jazz, aktueller Improvisation, auch zeitgenössischer Musik und zum Teil experimenteller Rockmusik. “Das Spektrum der heutigen Jazzmusik ist so breit, so phantastisch, spannend und offen, dass sehr vieles möglich ist”, so Landolt.

Europäischer Jazz

Für Christian Gilardi, künstlerischer Direktor von “Altri Suoni”, sind die Förderbeiträge von Pro Helvetia sehr wichtig für unabhängige Labels. Auch er bezeichnet den Vertrieb der Schweizer Künstler im Ausland als äusserst schwierig. Vor allem dafür werde man das Geld verwenden, sagt er gegenüber swissinfo.

Die Produktionen von “Altri Suoni” legten ein grosses Gewicht auf modernen Jazz mit “europäischer Klangfärbung”, erklärt Gilardi. Die meisten Artisten bei dem Label sind Schweizer. Daneben hat es aber auch französische, italienische und deutsche Musiker.

“Da wir auf der Nord-Süd-Verkehrsachse, also im Tessin, beheimatet sind, legen wir grossen Wert auf die musikalische Kommunikation zwischen dem Süden und dem Norden”, lacht Gilardi.

Neue Wege in der CD-Förderung

Pro Helvetia hat in der CD-Förderung verschiedene neue Instrumente entwickelt. In der zeitgenössischen Musik produziert die Schweizer Kulturstiftung gemeinsam mit mehreren Partnern die Reihe Grammont-Portraits mit jährlich sechs Neuerscheinungen.

Zur besseren Verbreitung der Popmusik und ihrer CDs dient “Swiss Music Export”, eine vor kurzem gegründete Promotions-Plattform.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

“Intakt”: 50’000 Fr.

“Tonus”: 40’000 Fr.

“Altri Suoni”: 25’000 Fr.

“For4Ears”: 25’000 Fr.

Pro Helvetia hat das Label “Intakt” für sein klares Profil und seine kontinuierliche, qualitativ hochstehende und professionelle Arbeit ausgezeichnet. Gezielt sollen noch vorhandene Vertriebslücken gestopft, eine Agentur gegründet, eine Newsletter versandt und eine Fundrising-Stelle geschaffen werden.

“Tonus” wurde als junges Label mit klarem musikalischen und ästhetischen Konzept prämiert. Pro Helvetia erachtet das künstlerische wie das Markt-Potential des Labels für die internationale Verbreitung als hoch.

Bei “Altri Suoni” werden die gute und sehr aufwändige Arbeit im Promotionsbereich, besonders auf internationaler Ebene, gewürdigt. Diese Arbeit soll die Möglichkeit zur Konsolidierung erhalten.

For4Ears geniesst in der internationalen elektro-akustischen Improvisationsszene einen ausgezeichneten Ruf. Der Pro Helvetia-Beitrag soll zur Festigung der internationalen Präsenz des Labels dienen.

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