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Das Bürohaus von morgen gibt es schon heute

Das "Forum Chriesbach" mit seiner blauen Glassegel-Gebäudehülle. Eawag

Er funktioniert ohne herkömmliche Heizung und Kühlung und hat ein besonderes Sanitärsystem: Der Neubau des Wasserforschungs-Instituts in Dübendorf ist zukunftsweisend.

Das neue Hauptgebäude der Eawag vereint Funktionalität, Nachhaltigkeit und Ästhetik. Das Institut des ETH-Bereichs will damit sowohl dem Umweltschutz wie auch der Forschung dienen.

Wenn sich der Besucher dem «Forum Chriesbach» – an einem eher tristen, typischen Industriegebietsort in der Zürcher Agglomeration gelegen – nähert, hat er das Gefühl, sich vor einem ausserirdischen Objekt zu befinden.

Doch der erste Eindruck täuscht: Es handelt sich um den Anfang September eröffneten Neubau des Wasserforschungs-Instituts im Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Eawag).

Glassegel als Temperaturregler

Die blauen, gläsernen Segel der Gebäudehülle des Forschungs- und Verwaltungsgebäudes sehen auf den ersten Blick klotzig, einem Hochsicherheitstrakt ähnlich aus. Bei näherem Hinsehen jedoch erscheint das Ganze plötzlich äusserst ästhetisch.

«Die blauen Glaslamellen an der Fassade bewirken, dass die Sonnenstrahlung im Sommer abgeschirmt und im Winter durchgelassen wird», sagt Andri Bryner, Eawag-Kommunikations-Chef, gegenüber swissinfo. Genauer: «Die siebbedruckten Glaslamellen werden dem Sonnenstand nachgeführt und haben die Funktion des Sonnenschutzes im Sommer, der passiven Sonnenenergie-Nutzung im Winter und des ganzjährigen Wetterschutzes.»

Heizung und Kühlung überflüssig

Das «Forum Chriesbach» hat mit Ausnahme des Erdgeschosses, wo sich das Personalrestaurant, die Bibliothek und der Empfang befinden, keine Heizung. «Die anfallende Wärme von Personen, Beleuchtung und Sonnenstrahlung genügt, um eine angenehme Raumtemperatur zu erhalten», so Bryner.

Dach und Fassaden seien sehr gut isoliert, und der Luftwechsel erfolge laufend, zentral gesteuert. Ein guter Test seien die sehr heissen Tage in diesem Juli gewesen. «Auch wenn in den Büros in den oberen Etagen des Gebäudes Temperaturen von 24 bis höchstens 26 Grad geherrscht haben, war das immer noch relativ angenehm im Verhältnis zu den noch viel höheren Aussentemperaturen», sagt Herbert Güttinger, Mitglied des Eawag-Direktionsstabes, gegenüber swissinfo.

Wasser im Fokus

Wasser ist Lebensgrundlage und Schlüsselfaktor für Entwicklung und Wohlstand. Da diese Ressource nur beschränkt vorhanden ist und deshalb die Existenz vieler Menschen und das friedliche Zusammenleben, vor allem in der Dritten Welt, bedroht, habe der nachhaltige Umgang mit dem Wasser auch in reichen Ländern wie der Schweiz höchste Priorität, heisst es bei der Eawag.

Trinkwasser wird im «Forum Chriesbach» deswegen nur für die Zubereitung der Speisen im Personalrestaurant, für Trinkbrunnen auf den Geschossen und für die Lavabos verwendet. Das Regenwasser wird auf dem Dach des Gebäudes gesammelt, im Wassergarten vor dem Personalrestaurant gespeichert und in separaten Leitungen den Toiletten als Spülwasser zugeführt.

Das überschüssige Dachwasser, das nicht für die WC-Spülung gebraucht wird, geht in den Versickerungsbereich.

Urin zu Forschungszwecken

Die Pissoirs funktionieren ohne Wasserspülung. Von allen Urinalen und den so genannten NoMix-Toiletten wird der Urin separat abgeleitet und in Tanks gesammelt. Ohne diesen Stoff könnten Kläranlagen die Abwässer effizienter reinigen, so die Eawag.

Der in den «NoMix»-WCs getrennte und gesammelte Urin diene vorläufig zu Forschungszwecken. «In der Landwirtschaft kann dieser Urin, wenn ihm die schädlichen Stoffe entnommen sind, als Düngmittel eingesetzt werden», sagt Eawag-Sprecher Bryner.

Visitenkarte für Null-Eneregie-Architektur

Im «Forum Chriesbach» seien «modernste Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung im Bauwesen konsequent und ganzheitlich umgesetzt worden», erklärt Ueli Bundi, Direktor a.i. der Eawag. Der Mut der Bauherrschaft, dies im Pflichtenheft vorzugeben, habe sich gelohnt.

Der Eawag-Neubau habe einen viermal geringeren Energieverbrauch als ein nach minimalen Anforderungen erstelltes Gebäude, so Bundi. Damit habe das Institut die auch durch eigene Forschung bestärkte Forderung nach mehr Nachhaltigkeit gleich selbst in die Praxis umgesetzt.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Mitarbeitende: 300 Wissenschafts-Beratende, 75 technische und administrative Mitarbeitende, 25 Lernende.

70% aus Naturwissenschaften, 25% Ingenieurwissenschaften, 5% Sozialwissenschaften.

69% aus der Schweiz, 25% aus der EU, 6% andere.

Jahresbudget 2006: 56 Mio. Fr., davon 46 Mio. Bundesbeitrag, 10 Mio. andere Mittel.

Das Wasserforschungs-Institut (Eawag) wurde 1936 als Beratungsstelle für Abwasserreinigung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich gegründet.

Die international renommierte Forschungsinstitution arbeitet im Auftrag der Schweizer Regierung an Konzepten und Technologien, die eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen gewährleisten. Sie setzt sich dafür ein, ökologische, wirtschaftliche und soziale Interessen an den Gewässern in Einklang zu bringen.

400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den Standorten Dübendorf, Kanton Zürich, und Kastanienbaum, Kanton Luzern, tätig.

Der Eawag-Neubau, das «Forum Chriesbach», zählt zu den Trägern des Schweizer Solarpreises 2006.

Ausgezeichnet wird das Gebäude nicht nur wegen der Solaranlagen auf dem Dach, sondern weil es energie-effizientes Bauen als Ganzes vorbildhaft in Praxis umsetzt.

Offiziell verliehen wird der Preis am 19. Oktober an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch.

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