The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter
Top Stories
Schweiz verbunden

«Der Wahlkampf hat noch kein Thema»

Wahlkampf auf dem Polster der guten Umfrageergebnisse: Kanzlerin Angela Merkel. Reuters

Bürgerliche Parteien erwarten, im Gegensatz zur SP, dass sich der Ausgang der deutschen Bundestagswahlen auch auf die schweizerische Innenpolitik auswirken wird. Allgemein wird erwartet, dass sich die Beziehungen nach der Wahl versachlichen werden.

Überlebt die Koalition zwischen den beiden grossen Parteien CDU und SPD den 27. September, oder kommt es zu einer andern Koalition? – Das ist die zentrale Frage im Vorfeld der Bundestagswahl.

«Eine Koalition zwischen der CDU und der liberalen FDP ist nicht nur unsere Hoffnung, sondern auch die von Experten erwartete Variante. Zudem ist es für die Wirtschaft in Europa und damit auch für die Schweiz die beste Variante», sagt Stefan Brupbacher, der Generalsekretär der Schweizer Partei «FDP. Die Liberalen».

«Es ist eine Richtungswahl, denn es geht darum, ob man die Wirtschaftskrise mit staatlichen Massnahmen oder mit einer Liberalisierungs-Strategie lösen will. Darum ist es wichtig, wer der Koalitionspartner der CDU sein wird, die FDP oder nicht», so Brupbacher.

Er bezweifle, dass es sich um eine Richtungswahl handle, sagt hingegen der in Stuttgart geborene Politologe Klaus Armingeon von der Universität Bern: «Die zwei grossen Parteien SPD und CDU haben angesichts der ökonomischen Probleme seit Herbst 2008 sehr ähnliche Positionen verfolgt. Sie haben ohne grosse Differenzen relativ erfolgreiche Konjunkturprogramme entwickelt. Beide haben eine marktskeptische Einstellung und beide haben eine Geschichte der Interventionen in den Wirtschaftsablauf.»

In der «relativ erfolgreichen» Politik bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise mit «nicht dramatisch» angestiegenen Arbeitslosenzahlen sieht Armingeon auch den Grund dafür, dass der Wahlkampf «noch gar kein Thema hat».

CDU sucht bewusst wenig Auseinandersetzung

Das könne sich jedoch sehr schnell ändern, so der Politologe. «2005 hatten wir eine vergleichbare Situation. Da fand in den letzten drei Wochen der grosse Umschwung statt.» Vorläufig versuche die SPD relativ erfolglos, den Wahlkampf mit dem Thema Arbeit anzuheizen, die CDU jedoch könne es sich «auf einem bequemen Polster der Prognosen» leisten, der Auseinandersetzung auszuweichen.

«Es gelingt der CDU nicht schlecht, den Ball flach zu halten und damit zu vermeiden, dass der Wahlkampf wirklich angeheizt werden kann», stellt Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, fest. «Das macht die CDU gut. Sie hat zudem mit Angela Merkel eine Kanzlerin, die sehr glaubwürdig ist.»

Darin sieht Levrat – neben der Spaltung der Linken in Deutschland – auch den Grund für die schlechten Umfrageergebnisse der SPD: «Ich habe den Eindruck, dass die Minister der SPD in sehr vielen Bereichen gute Ergebnisse ausweisen. Aber diese werden Angela Merkel zugeschrieben. Das führt zu einer schwierigen Situation.»

Gegenseitig abhängige Arbeitsmärkte

«Sicher ist, dass unsere Schwesterpartei CDU gut abschneiden wird. Das ist mindestens die einhellige Meinung der Umfragen», urteilt Tim Frey, Generalsekretär der Christlich Demokratischen Partei der Schweiz, CVP.

Welche Koalition sich schlussendlich durchsetzen werde, könne er nicht prophezeien. Denn Deutschland habe sich in den vergangenen Jahrzehnten von einem «kleinen Parteiensystem zu einem Land mit fünf politisch Relevanten Parteien» entwickelt.

Die CVP verfolge die Wahlen mit grossem Interesse, so Frey: «Deutschland ist unser wichtigster Handelspartner. Die Arbeitsmärkte sind gegenseitig voneinander abhängig, aber auch in andern Bereichen schwappen Entwicklungen in Deutschland schnell auf die Schweizer Innenpolitik über.»

Wettbewerb im Swiss-Bashing

Dass dem so sei, glaube er kaum, meint Christian Levrat. «Weder die Wahlen in Frankreich noch in Deutschland haben in den letzten Jahren einen Einfluss gehabt auf die schweizerische Innenpolitik.»

Verbesserungen erwartet Levrat in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz: «Ich glaube, dass sich nach den Wahlen die Beziehungen entspannen werden. Jetzt im Wahlkampf gibt es eine Art Wettbewerb zwischen Exponenten der SPD und der CDU, was das Swiss-Bashing betrifft.»

Eigeninteressen auch nach den Wahlen zentral

Auch CVP-Generalsekretär Frey glaubt an eine «leichte Entschärfung» nach den Wahlen und erinnert daran, dass sich in der Schweiz «unglaublich viele Leute» über die Kavallerie-Drohung des sozialdemokratischen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück aufgeregt haben.

«Wer jedoch die deutsche Politik verfolgt, der weiss, dass Steinbrück ein Provokateur ist. Das ist seine Art und betrifft nicht nur seine Ausfälligkeiten gegenüber der Schweiz.»

Deutschland werde auch nach den Wahlen seine Bemühungen fortsetzen, um den Abfluss von Steuersubstrat in die Schweiz zu verhindern. «Deutschland vertritt seine Eigeninteressen und will soviel Steuergeld wie möglich im Land behalten. Das wird sich nicht gross ändern», sagt Frey.

«Inhaltlich würde auch eine CDU/FDP-Regierung die Interessen Deutschlands vertreten. Das birgt sicher Potential für Diskussionen. Doch der Ton würde auf eine sachliche Ebene kommen», stellt Stefan Brupbacher fest.

Die SVP will sich nicht anmassen, «die politische Landschaft in Deutschland zu kommentieren». «Wir kümmern uns um die Politik in der Schweiz», so Martin Baltisser, Generalsekretär der Schweizerischen Volkspartei.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Am 27. September sind 62 Millionen Deutsche im In- und Ausland aufgerufen, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestags zu wählen.

Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden dann den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin bestimmen.

Im Parlament sind 598 Sitze zu vergeben. Bundestagswahlen finden alle vier Jahre statt.

Zur Zeit sind im Bundestag sechs Parteien vertreten: CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen sowie Die Linke.

Am Wahltag stehen 80’000 Wahllokale in 299 Wahlkreisen zur Verfügung.

Die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland haben im Jahr 2008 noch einmal Rekordwerte erreicht.

Die Schweiz lieferte Waren im Wert von 41,8 Mrd. Franken nach Deutschland, das sind 1,6% mehr als 2007.

Die Importe vom nördlichen Nachbarn stiegen gar um 4,3% auf 64,9 Mrd. Franken. Das gesamte Handelsvolumen belief sich für das vergangene Jahr auf 106,7 Mrd. Franken.

Deutschland blieb 2008 mit Abstand wichtigster Handelspartner der Schweiz, mit einem Exportmarktanteil von 20,3%, vor den USA mit 9,4%.

Auch beim Import zeigt sich, dass die Schweiz am meisten Güter aus Deutschland bezog, mit einem Anteil von 34,9%, gefolgt von Italien mit 11,6%.

2009 haben die Importe und die Exporte zwischen der Schweiz und Deutschland wegen der Wirtschaftskrise markant abgenommen. Allein im Januar und Februar kumuliert um 19,6%.

Neuere Zahlen zu den Handelsbeziehungen liegen nicht vor.

Generell ist der Schweizer Aussenhandel 2009 stark eingebrochen. So sanken im Juli die Exporte um 16% und die Importe um 18%.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft