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Deutscher Aussenminister steht zum Steuerabkommen

Die Aussenminister Didier Burkhalter (links) und Guido Westerwelle verbreiten Optimismus, auch in Bezug auf eine Lösung im Steuerstreit. Keystone

Die Beziehungen Berns und Berlins zur EU standen im Mittelpunkt eines Treffens zwischen Didier Burkhalter und Guido Westerwelle. Die Aussenminister gaben sich optimistisch, dass das Steuerabkommen zwischen den beiden Ländern zustande kommen werde.

Bundesrat Didier Burkhalter hat am Mittwoch seinen deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle in Berlin besucht. In Zentrum des ersten Arbeitsbesuchs der beiden Aussenminister standen neben den Beziehungen zur EU auch bilaterale Fragen und der Schweizer Vorsitz der OSZE 2014.

  

Das erste Arbeitstreffen von Bundesrat Didier Burkhalter mit dem deutschen Aussenminister war geprägt von Harmonie. “Es ist ein schönes Zeichen, wenn eine der ersten Reisen des neuen Schweizer Aussenministers nach Berlin führen”, sagte Guido Westerwelle gestern am frühen Abend vor Journalisten.

Zwischen den beiden Nachbarländern herrsche eine faire und belastbare Partnerschaft, betonte Westerwelle. Deutschland habe ein grosses Interesse daran, dass diese Partnerschaft fortgesetzt und weiter ausgebaut werde.

Auch Burkhalter, seit Anfang Jahr Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), lobte das konstruktive Treffen.

Sehr interessiert an einem Steuerabkommen

Auch das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland war Gesprächsthema – auch wenn es nicht in die Zuständigkeit der Aussenministerien fällt. So versicherte Westerwelle, dass die deutsche Regierung “sehr interessiert” sei an einer raschen Umsetzung des mit der Schweiz abgeschlossenen, aber noch nicht ratifizierten Steuerabkommens.

Tatsächlich laufen derzeit Gespräche zwischen dem dafür zuständigen Finanzministerium mit den Bundesländern. Bislang widersetzen sich aber die SPD-regierten Bundesländer im Bundesrat einer Ratifizierung.

Der Schweizer Aussenminister versicherte den Journalisten, dass das Abkommen trotz der momentanen Vorbehalte seitens der EU zustande kommen werde. “Ich bin sehr optimistisch, was das Dossier betrifft.” Die Differenzen mit der EU würden technische Fragen betreffen, die keine Neubearbeitung des Abkommens nötig machten, betonte Burkhalter.

Am Montag hatte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta einen Brief an die EU-Finanzminister geschrieben, in dem er unter anderem Deutschland aufforderte, das bilaterale Abkommen neu zu verhandeln. Die Abkommen stünden dem Interesse in der EU entgegen, strengere Regeln gegenüber der Schweiz auszuhandeln, hiess es. Kritisiert wird vor allem die vorgesehene Abgeltungssteuer auf deutsche Vermögen in der Höhe von 25 Prozent; die EU verlangt 35 Prozent nach der EU-Zinsrichtlinie.

Nachbarn haben Priorität 

Bei dem Treffen mit Westerwelle stellte Burkhalter auch die Grundzüge der neuen Aussenpolitik der Schweiz vor. So hätten die Beziehungen zu den Schweizer Nachbarländern künftig Priorität. “Die Schweiz ist keine Insel und es gibt eine Reihe von Problemen, die wir nur grenzüberschreitend lösen können”, sagte der Bundesrat.

Während man sich mit Deutschland auf einem guten Weg befinde, seien die Beziehungen zu anderen Nachbarländern wie etwa Italien und Frankreich deutlich verbesserungsfähig. So gebe es mit Frankreich rege Kontakte auf technischer, aber nur wenige auf politischer Ebene.

Die Schweiz stehe ein Stück weit in der Pflicht, auf diese Länder zuzugehen, so Burkhalter: “Für die Zukunft muss die Schweiz in allen bilateralen Belangen eine pro-aktive Haltung einnehmen.”

Energieabkommen als Pilotprojekt

Weiter präsentiert Burkhalter seinem Amtskollegen eine “Roadmap” Schweiz-EU. Anhand dieser Vorgabe sollen Dossiers, welche die Schweiz und die EU betreffen, künftig effizienter und für beide Seiten zufriedenstellend verhandelt werden. Die Verhandlungen über das Strom- und Energieabkommen seien dabei eine Art Pilotprojekt, so Burkhalter.

Die Aussenminister sprachen auch über den OSZE-Vorsitz der Schweiz im Jahr 2014. Beide betonten, dass das Schweizer Präsidialjahr in enger Absprache mit Serbien, das den Vorsitz ein Jahr später übernehmen wird, angegangen werde. Deutschland habe in diesem Zusammenhang seine Unterstützung zugesagt, so Burkhalter. “Wir werden bei der Vorbereitung auf den Vorsitz in einem engen Austausch mit Deutschland stehen.” Auf einer Linie fanden sich die beiden Minister auch, was den Atomstreit mit Iran betrifft. Westerwelle zeigte sich sehr besorgt über das iranische Atomprogramm. Der Iran habe das Recht, die Atomenergie zivil zu nutzen. Eine atomare Bewaffnung werde aber nicht akzeptiert. Sowohl Burkhalter als auch Westerwelle betonten die Wichtigkeit einer politischen Lösung. Burkhalter sagte in diesem Zusammenhang, dass die Schweiz bereit sei, Gespräche zu fördern, etwa als Gastland. 

Vor dem Treffen mit Guido Westerwelle war Didier Burkhalter bereits mit dem österreichischen, dem italienischen und dem französischen Aussenminister zusammengetroffen.

Die Schweiz und Deutschland haben ein enges und vielgestaltiges Verhältnis. In gesellschafts-, wirtschafts- und aussenpolitischer Hinsicht sind sich die Zielsetzungen beider Staaten ähnlich.

Kontakte bestehen in grosser Zahl auf allen Ebenen. So haben intensive Arbeitsbesuche der Finanzminister beider Länder zu Fortschritten in der Zusammenarbeit in Steuerfragen geführt.

Vergangenen September unterzeichneten die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein Steuerabkommen, das allerdings noch ratifiziert werden muss.

Ein wichtiges Thema im bilateralen Verhältnis bleibt auch die Regelung der Anflüge zum Flughafen Zürich über deutschem Territorium. Hierzu finden regelmässige Konsultationen in einer Arbeitsgruppe beider Länder statt.

Deutschland ist für die Schweiz weiterhin der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Im Jahr 2010 betrug das bilaterale Handelsvolumen laut dem Auswärtigen Amt mehr als ein Viertel des gesamten Aussenhandels der Schweiz von rund 95 Milliarden Franken.

Die Bedeutung der Schweiz für den deutschen Aussenhandel ausserhalb des europäischen Binnenmarkts wird nur von den USA und China übertroffen.

2009 waren 1366 deutsche Professoren und 3343 deutsche Dozenten an schweizerischen Universitäten und Fachhochschulen tätig. Der Anteil ausländischer Professoren an Schweizer Universitäten betrug insgesamt circa 52 Prozent, davon stellten Deutsche rund 42 Prozent (in der Deutschschweiz rund zwei Drittel).

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