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«Diplomatie ist für mich ein Stück weit Kunst»

Der Schweizer Botschafter auf Besuch bei einem lokalen Würdenträger in der der Provinz Hassakeh. swissinfo.ch

Martin Aeschbacher, der Schweizer Botschafter in Damaskus, liest arabische Literatur im Original, vernetzt Menschen aus unterschiedlichen Branchen, Ländern und Gesellschaftsschichten und wehrt sich gegen überflüssige Bürokratie.

In Damaskus bewegt sich der gebürtige Berner Martin Aeschbacher (55) wie ein Fisch im Wasser. Am Rap-Konzert von Greis, das auf Aeschbachers Initiative zurückgeht und von der Schweizer Botschaft organisiert wurde, begrüsst er das junge Publikum gut gelaunt in gewandtem Arabisch und überlässt dem Schweizer Musiker die Bühne.

Hier habe er syrischen Dialekt gesprochen, genau so wie im Radio-Interview, das er in einer Jugendsendung vor dem Konzert gegeben habe, erklärt er später im Gespräch mit swissinfo: «Normalerweise spreche ich am Radio oder bei offiziellen Anlässen Hocharabisch, aber im Umfeld eines Rapkonzertes wäre dies nicht angebracht.»

Neben der in der ganzen arabischen Welt verbindlichen Hochsprache hat sich Aeschbacher im Lauf der Jahre zahlreiche Dialekte angeeignet. «Zwischen Tunesien und Irak verstehe ich die Leute grosso modo in ihrem jeweiligen Dialekt, aber in Marokko und Algerien wird es schwierig, das ist etwa wie das Wallis für die Germanisten», sagt er augenzwinkernd.

In Damaskus zu Hause

Die arabische Sprache und Kultur war sein Einstieg in den Nahen Osten. Das Studium führte Aeschbacher vor dreissig Jahren von Bern nach Damaskus. Obwohl Damaskus im Punktesystem der Schweizer Diplomatie als schwieriger Standort gilt, fühlt sich der Botschafter wohl. Er schätzt die spielerische Leichtigkeit und den Charme der Einheimischen, das gute Essen, ein reiches Kulturangebot, die schöne Altstadt und relativ geringe Distanzen.

Mit knapp vier Millionen Einwohnern ist Damaskus im Nahen Osten keine grosse Stadt. Doch Aeschbacher hat auch schon auf härterem Pflaster operiert. 2003 wurde er als Chef des schweizerischen Verbindungsbüros nach Bagdad geschickt, ein Standort, der auf der Schweizer Liste nur 13 von 100 Punkten hat.

Der Botschaftsalltag in Damaskus ist ein völlig anderer als in Kairo, Bagdad oder Tripolis, wo Aeschbacher zuvor gearbeitet hat. Wenn er morgens in Büro kommt, bearbeitet er zuerst die neuen E-Mails und informiert sich über das lokale und globale Geschehen. «Dann empfange ich Besucher. Das kann ein Vertreter einer Schweizer Firma sein, ein Kulturschaffender, durchreisende Journalisten, Studierende oder Vertreter von NGO.»

Kontakt zu Landsleuten

Der Kontakt zu den in Syrien lebenden Schweizern ist Aeschbacher besonders wichtig, weil es Brückenbauer seien. «Ich verstehe die Botschaft als eine Art ‹Clearing House›, in dem die Fäden zusammenlaufen», erklärt er. Dies sei äusserst inspirierend, aber manchmal anstrengend.

«Man springt in hohem Tempo von einem Thema zum anderen, wie beim Zappen vor dem Fernseher. Das kann von einer Literaturveranstaltung über nachhaltige Produktionsverfahren in der Industrie, die innerpalästinensische Versöhnung bis zur Sicherheitslage im Irak gehen.»

Obwohl die konsularische Arbeit von der diplomatischen getrennt ist, kann sich der Botschafter nicht immer entziehen. «Hier gehen die Leute davon aus, dass man Beziehungen braucht, wenn man etwas vom Staat will, und die Botschaft vertritt hier die Schweiz. Für einen Visumsantrag geht man in der arabischen Welt statt zur zuständigen Person lieber zu jemandem, den man kennt, oder am besten gleich zum Chef, also zu mir,» sagt Aeschbacher.

Die Vergabe von Visa sei ein heikler Balanceakt, bei dem man einerseits verhindern wolle, dass unerwünschte Personen in die Schweiz kämen, aber andrerseits die Einreise von Wirtschaftsvertretern oder Künstlern möglichst unbürokratisch abwickeln sollte, ohne die Leute lange Schlange stehen zu lassen oder sonst zu demütigen.

«Dies ist in der arabischen Welt besonders heikel, weil die Menschen empfindlich sind und einen gewissen Stolz haben», weiss der Botschafter aus Erfahrung.

Gut vernetzt sein

Martin Aeschbacher hat es noch nie bereut, Diplomat geworden zu sein. Das einzige, was ihm etwas Kopfweh bereitet, ist die zunehmende Bürokratisierung des Metiers. Im Rahmen des New Public Managements werde auch von einem Botschafter erwartet, dass er seine Arbeit quantifiziere, programmiere und in Zielen formuliere.

«Diplomatie ist für mich ein Stück weit Kunst. Ein Diplomat sollte mehr Zeit haben, um auf den ersten Blick unnütz scheinende Dinge zu tun, damit er die für seine Arbeit notwendigen Gelegenheiten und Verbindungen aufbauen kann.» Denn das Beste entstehe häufig durch Zufälle und lasse sich schlecht planen.

Aeschbacher nennt ein Beispiel aus der Zeit seines Vorgängers. Der habe ein Jazzkonzert organisiert, aus dem inzwischen ein Jazzfestival erwachsen sei, das von Syrern selbst durchgeführt werde und zu dem sogar der Präsident gekommen sei. All dies habe sich nicht voraussehen lassen.

Aeschbachers Credo: «Die Kunst unseres Metiers ist es, gut vernetzt zu sein und Gelegenheiten zu ergreifen, die für den diplomatischen Auftrag wichtig sind.»

Susanne Schanda, Damaskus, swissinfo.ch

Martin Aeschbacher wurde 1954 in Bern geboren.

1975-83 studierte er Islamwissenschaften in Bern, Damaskus und Aleppo.

1985 trat er in den Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein.

Ab 1987 wirkte er als Botschaftssekretär in Moskau.

1989-92 arbeitete er an der Botschaft in Kairo, wo er für wirtschaftliche Angelegenheiten verantwortlich war.

1992-96 war Aeschbacher in Bern im EDA für Beziehungen der Schweiz zum Nahen Osten zuständig.

1996 wurde er als Botschaftsrat und erster Mitarbeiter des Missionschefs in Prag eingesetzt.

Ab 2001 war er als Botschaftsrat in Paris mit Kultur-, Wissenschaft- und Bildungsangelegenheiten betraut.

2003-2006 war er als Chef des schweizerischen Verbindungsbüros in Bagdad tätig.

2006 wurde er zum Botschafter in Tripolis ernannt.

Seit Ende 2007 ist Aeschbacher Botschafter in Damaskus, seit Herbst 2008 zusätzlich im Irak akkreditiert mit Sitz in Damaskus.

Er ist mit der Schriftstellerin Elisabeth Horem verheiratet. Sie haben zwei erwachsene Kinder.

Die Schweiz ist mit einer Botschaft in Damaskus und einem Konsulat in Aleppo vertreten.

Auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist mit einem Büro in Damaskus präsent.

In Syrien leben 184 Schweizerinnen und Schweizer, 145 von ihnen sind Doppelbürger (Zahlen 2008).

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