CH/Deutsche Steuersünder sollen für Vermögen in der Schweiz zahlen
BERLIN (awp international) – Der deutsche Fiskus soll nach heftigem Streit zwischen Berlin und Bern bald Zugriff auf verheimlichte Vermögen deutscher Steuersünder in der Schweiz bekommen. Möglichst noch im Oktober solle ein Revisionsprotokoll zum bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet werden, teilte am Samstag der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Michael Offer, in Berlin mit. Dann sollen für die Besteuerung wichtige Informationen erteilt werden – einschliesslich Bankinformationen.
Zudem erhält der deutsche Fiskus möglicherweise Zuflüsse aus den riesigen Vermögen deutscher Altanleger, die unversteuertes Geld bei Schweizer Banken versteckt haben. Das Doppelbesteuerungsabkommen gilt nur für neue Fälle. Eine im März von den Finanzministern der Schweiz und Deutschlands eingesetzte Arbeitsgruppe arbeite an einer dauerhaften Lösung des Problems der unversteuerten Kapitalanlagen, teilte Offer mit.
«Die Sondierungsgespräche hierzu verliefen konstruktiv.» Im Herbst werde Bilanz gezogen und entschieden, ob formelle Verhandlungen aufgenommen werden. Details nannte Offer nicht.
Ein Bericht des «Focus», dem zufolge dem deutschen Fiskus rund 30 Mrd EUR zufliessen, beruht laut Offer allerdings auf Spekulationen, die jeder Grundlage entbehrten. Demnach soll die Schweiz auf die Vermögenserträge eine Steuer erheben, deren Erträge ins Nachbarland überwiesen werden, ohne die Namen der Kontoinhaber zu nennen. Im Gespräch sei eine Abgeltungssteuer von 35%. Bei Altvermögen solle die jeweilige Bank rückwirkend für zehn Jahre den Vermögenszuwachs errechnen und davon pauschal 35% abführen. Dies komme faktisch einer Amnestie für die Steuersünder gleich, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgelehnt hatte.
Auch die «Basler Zeitung» hatte berichtet, ein bevorstehender Deal sehe vor, dass die Eidgenossen dem deutschen Fiskus Rechtshilfe beim Verdacht auf Steuerhinterziehung gewähren und Berlin im Gegenzug eine Steuer akzeptiert, die Schweizer Banken an die deutsche Finanzverwaltung überweisen.
Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU), begrüsste die Fortschritte. «Mit einem Zugriff des Fiskus auf deutsches Vermögen in der Schweiz kann der Steuerflucht wirksam ein Riegel vorgeschoben werden», sagte er. «Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Steuergerechtigkeit in Deutschland.»
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) forderte ein einheitliches Vorgehen gegen Steuersünder. «Deutsche müssen bei Steuervergehen gleich behandelt werden, egal in welchem Bundesland sie zu Hause sind und egal wer dort regiert», sagte er dem Magazin «Der Spiegel». Auch der SPD-Finanzexperte Joachim Poss kritisierte «das Gewürge um die Steuer-CDs». Die Ablehnung solcher Ankäufe durch die FDP in den von ihr mitregierten Ländern sei vorgeschoben: «Kein Gericht hat bisher die Verwendung der Daten abgelehnt.» Die Bundesländer verhalten sich in Bezug auf den Ankauf solcher Steuerdaten bisher unterschiedlich.
Unterdessen soll es in NRW dem «Spiegel»-Bericht zufolge einen weiteren Fall von Datenerwerb geben. Steuerfahnder aus Münster hätten Daten der Bank Julius Bär für 1,4 Millionen Euro angekauft. Das NRW-Finanzministerium konnte den Vorgang nicht bestätigen.
bw/DP/he