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Ewigkeitschemikalien in Schweizer Brot und Wein gefunden

Eine Schweizer Karte mit zahlreichen blauen Punkten
TFA-Vorkommen Im Grundwasser der Schweiz. Screenshot RTS

In der Romandie wurden in Brot und Wein Rückstände von Trifluoressigsäure nachgewiesen. Die Substanz ist weder in der Schweiz noch in der EU reguliert, könnte aber die Fortpflanzung von Lebewesen beeinträchtigen.

Sie ist spätestens seit 2024 berühmt-berüchtigt, als sie in sämtlichen Grundwasserproben der Schweiz nachgewiesen werden konnte: die Trifluoressigsäure, kurz TFA.

Sie wird als Reagenz- und Lösungsmittel in der Industrie eingesetzt und entsteht auch als Nebenprodukt beim Abbau von Pestiziden und Kältemitteln. Nun wurde sie in Broten und Weinen aus der Romandie nachgewiesen.

TFA in allen Proben gefunden

Dazu liess das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS verschiedene Weine und Brote aus den Supermärkten Lidl, Migros, Aldi und Coop in der Westschweiz analysieren. In allen Proben, auch in Bio-Produkten, wurde TFA nachgewiesen.

Im Wein wurden zwischen 11 und 150 Mikrogramm pro Kilo gefunden. Im Brot lagen die Werte zwischen 29 und 130 Mikrogramm pro Kilo. Diese Werte sind im Durchschnitt 50 Prozent niedriger als in vergleichbaren europäischen Produkten.

Trotz der vergleichsweise niedrigen Werte: «Aus gesundheitlicher Sicht ist es ein Problem, TFA im Trinkwasser oder in Lebensmitteln zu finden», sagt Murielle Bochud, Leiterin des Departements für Epidemiologie und Gesundheitssysteme beim Lausanner Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit.

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Aber: «Die analysierten Werte liegen deutlich unter den 0,03 mg pro Kilogramm Körpergewicht, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als Grenzwert gelten», so Bochud.

Bund und Verbände warten ab

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) teilte gegenüber RTS mit, man wolle zunächst die Entwicklungen auf internationaler Ebene – insbesondere bei der EU und der WHO – abwarten, bevor man eine Position beziehe.

RTS hat auch die Branchenverbände der Winzer und Getreideproduzenten kontaktiert. Der Schweizerische Weinbauernverband antwortet, dass man mehr Informationen brauche, bevor man Massnahmen ergreife, da es «zahlreiche potenzielle Quellen der Kontamination» gebe.

Der Verband versicherte zugleich, dass Konsumentinnen und Konsumenten weiterhin Vertrauen in Schweizer Weine haben könnten, da diese den Lebensmittelsicherheitsstandards entsprächen.

Swiss Granum, der Dachverband der Schweizer Getreidebranche, wusste bislang nichts von TFA im Brot. Die Branche sehe derzeit keine Massnahmen vor – wegen fehlender Daten und nicht ausreichender Kenntnisse.

TFA-Forschungsgelder gestrichen

Um die Auswirkungen von TFA auf den menschlichen Körper zu kennen, wären umfangreiche Studien notwendig. Doch der Bund hat gerade die Finanzierung einer grossangelegten Forschung, an der auch Murielle Bochud beteiligt war, gestrichen.

Laut Bochud sei dies eine verpasste Gelegenheit: «Eines der potenziellen Themen war, die Exposition der Bevölkerung gegenüber toxischen Substanzen wie PFAS-Chemikalien zu messen. Wir wissen nicht, wie die Situation in der Schweiz genau aussieht und müssen uns auf Studien aus anderen Ländern stützen.»

Es ist noch schwierig, die Auswirkungen von TFA auf die menschliche Gesundheit genau zu bestimmen.

«Experimentelle Studien an Tieren haben gezeigt, dass TFA mit Fehlbildungen des Fötus sowie mit Fortpflanzungsstörungen in Verbindung gebracht werden kann. Bis heute gibt es jedoch noch keine Studien am Menschen in Bezug auf TFA, aber man kann davon ausgehen, dass ähnliche Effekte auch beim Menschen nachweisbar wären», erklärt Murielle Bochud.

Diese Einschätzung bestätigt auch Linda Bapst, Chefin der kantonalen Dienststelle für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Wallis: «Die Europäische Chemikalienagentur hat kürzlich vorgeschlagen, TFA als möglicherweise fortpflanzungstoxisch einzustufen, was bei dieser Art von chemischen Molekülen oft der Fall ist. Schwangere Frauen oder kleine Kinder hätten daher ein potenziell höheres Risiko».

Bapst betont jedoch: «Der Mangel an Daten ist zu eklatant, um eine endgültige Einstufung vorzunehmen. Auf europäischer Ebene besteht ein klarer Bedarf, diese Forschung voranzutreiben».

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