Der Ententanz – ein Schweizer Akkordeonist brachte die Welt zum Watscheln
Der Thurgauer Akkordeonist Werner Thomas komponierte den Ententanz in den 1950er-Jahren, um beim Après-Ski in den Bündner Skigebieten aufzuspielen. Später wurde er in mehr als vierzig Ländern adaptiert und zum grössten internationalen Musikhit der Schweiz.
Gibt es ein kitschigeres, eingängigeres und anhaltend erfolgreicheres Lied als den «Ententanz»? Wenn Sie, wie die Autorin dieser Zeilen, glauben, dass es längst in Vergessenheit geraten ist, irren Sie sich.
Die kindliche Hymne an diese Schwimmvögel hat sich auf den Streaming-Plattformen der Welt eingenistet und wartet nur darauf, aus einer Vintage-Playlist hervorzuschiessen, um Sie zum «Hüftschwingen» zu animieren.
Und wie die Erfahrung zeigt, kommt sie beim ganz jungen Publikum nach wie vor sehr gut an, was darauf hindeutet, dass sie vielleicht noch eine rosige Zukunft vor sich hat.
Fast jede und jeder erinnert sich an diesen Klassiker der Volksfeste der 1980er-Jahre. Allerdings wissen nur wenige, dass der Song schon viel früher entstanden ist – in den Schweizer Bergen.
Vom Akkordeon zum Synthesizer
Alles begann vor 70 Jahren. Der damals etwas über zwanzigjährige Thurgauer Akkordeonist Werner Thomas trat als Alleinunterhalter in Bündner Gasthöfen auf.
Mitte der 1950er-Jahre komponierte er die eingängige Melodie des späteren «Ententanzes». Ursprünglich war sie nur dazu gedacht, die Zwischenprogramme anzukündigen. Jahr für Jahr verlangte das Publikum in der Skihütte aber nach einer Zugabe.
Anfang der 1970er-Jahre macht der belgische Produzent Louis van Rijmenant Winterferien in Davos. Besessen von der kleinen, unprätentiösen Melodie von Werner Thomas nahm er diesen unter Vertrag, da er darin eine Goldgrube witterte.
1973 kommt die allererste Instrumentalversion unter dem Titel «Tchip Tchip» in die Läden, die bereits an das Zwitschern der Vögel erinnert. Die belgische Gruppe «Cash & Carry» hatte eine elektronische Version mit dem damals hochmodernen Synthesizer aufgenommen.
Der nasale Klang des Stücks, der an die Disney-Figur Donald Duck erinnert, gefiel Werner Thomas überhaupt nicht. «Als ich es zum ersten Mal hörte, war ich enttäuscht, denn es war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte», sagte der Akkordeonist später in einer deutschen FernsehsendungExterner Link.
Doch mit der Zeit änderte er seine Meinung: «Tchip Tchip» schoss nicht nur in Belgien, sondern auch in der Schweiz an die Spitze der ChartsExterner Link und hielt sich dort mehrere Wochen lang.
Von einer belgischen Erfolgsgeschichte zum weltweiten Ruhm
Der belgische Produzent fühlte sich beflügelt. Er präsentierte «Tchip Tchip» auf der Midem in Cannes, Südfrankreich, einer wichtigen Veranstaltung der internationalen Musikbranche.
Die belgische Nachrichtenseite Dhnet berichtetExterner Link, dass der seltsame Vogel die Aufmerksamkeit des amerikanischen Produzenten Stanley Mills erregt habe. Dieser beschloss, den Song in die Vereinigten Staaten zu exportieren.
Die Instrumentalversion von «The Tweets» erscheint 1982 unter dem Titel «The Birdie Song»Externer Link. «Dance Little Bird», das Cover der Gruppe «De Electronica’s»Externer Link, wird in Deutschland zum Sommerhit.
Anfang der 1980er-Jahre ist die Instrumentalversion also bereits relativ bekannt. Es fehlt nur noch ein Text, damit der Song wirklich durchstarten kann.
In der frankophonen Welt sind es andere Belgier, die sich darum kümmern, einen Song daraus zu machen. Sie beauftragen J.J. Lionel mit der Interpretation.
Diese Version gibt die Richtung vor: «La Danse des Canards» wird zu einem der grössten französischsprachigen Hits der 1980er-Jahre. 1983 wird der Ententanz ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen, mit 2,5 Millionen verkauften Exemplaren in Frankreich.
Bis heute liegt die Zählung bei 3,5 Millionen – damit ist es die zweitbestverkaufte 45-Touren-Single aller Zeiten im Land, nach «Petit Papa Noël» von Tino Rossi. Und diese Zahlen beinhalten noch nicht einmal das Streaming…
Schlager, Metal, Tiktok: Hunderte von Coverversionen
Die deutsche Version stammt vom Schlager- und Juxsänger Frank Zander. Unter dem Alias «Fred Sonnenschein» veröffentlicht er das Lied «Ja, Wenn Wir alle Englein wären»Externer Link im Jahr 1981.
Es beschert ihm eine Goldene Schallplatte in Deutschland und hält sich mehrere Wochen lang auf den oberen Plätzen der Schweizer Hitparade.
Aber es ist unmöglich, hier alle Varianten aufzulisten, die im Lauf der Jahre herausgegeben wurden. Kürzlich ging die tragikomische Coverversion «au 1000e degré» des jungen französischen Sängers Léman auf der Plattform Tiktok viral. Eine Heavy-Metal-VersionExterner Link ist erst dieses Jahr erschienen.
Der Ententanz, ein Freudentanz? Nicht für den französischen Sänger Léman:
Insgesamt wurde der Titel in über 40 Ländern auf mehr als 50 Millionen Tonträgern und in etwa 400 verschiedenen Versionen verkauftExterner Link.
Von «Il ballo del qua qua» über «Okashii Tori» auf Japanisch bis zur portugiesischen Version «A dança do passarinho» und der spanischen «Pajaritos a bailar» ist es – bei Weitem – der meistinterpretierte und meistexportierte Schweizer Titel.
Der Skihütten-Tanz
Dieser quasi-universelle Triumph hat nicht zuletzt mit dem höchst einfachen Tanz zu tun, der ihn begleitet. Um den Ententanz richtig zu machen, hier die Anleitung:
Formen Sie mit Ihren Fingern einen Schnabel, schlagen Sie mit den Ellbogen, als würden Sie davonfliegen, gehen Sie in die Knie, watscheln Sie, klatschen Sie in die Hände – und wiederholen Sie das Ganze von vorn.
Auch diese Kultchoreografie stammt von Werner Thomas. Er erzählt, dass er sich teilweise von den Vögeln inspirieren liess, aber auch von den Kniebeugen der Skifahrerinnen und Skifahrer, die er bei seinen Auftritten in den Skiorten traf.
Heute ist der Akkordeonist 96 Jahre alt. Nach letzten Informationen verbringt er ruhige Tage in einer luxuriösen Altersresidenz im Kanton Tessin. Er hat nie verraten, wie viel Geld ihm sein Werk eingebracht hat, war aber immer sehr stolz darauf.
In seinem letzten Interview, das er 2018 der Zeitung Blick gabExterner Link, erklärte der Komponist des grössten Schweizer Hits, er wolle einfach «in aller Ruhe ein Tatar und ein Glas Prosecco geniessen».
Was Sie betrifft: Machen Sie sich nach der Lektüre dieses Artikels darauf gefasst, dass Sie eine Weile lang «Quak-Quak» im Kopf haben werden.
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
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