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Dieser US-Rechtsextreme erreicht von der Schweiz aus Hunderttausende

Vox Day steht neben einer Maschine, Holzbretter im Hintergrund
Vox Days Blog verzeichnet im Monat über eine halbe Million Aufrufe, vor allem aus den USA. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Der US-Autor Vox Day hat unter anderem das Mannosphere-Konzept des «Sigma» erfunden. Sein rechtsextremes Gedankengut verbreitet er aus der Schweiz. Wir haben ihn in einem beschaulichen Schweizer Dorf getroffen.

Das Wall Street Journal nannte Vox Day einmal «den meistverachteten Mann in Science-Fiction». Wissenschaftler bezeichnen ihn als «White Supremacist». Er lehnt dies ab und sieht sich als christlicher Nationalist.

«Wenn Sie mich kritisieren wollen, dann sollte es dafür sein, dass ich die Aufklärung ablehne», sagt Vox Day. Vor 200 Jahren habe die Aufklärung gut getönt. «Wir wussten nicht, wohin uns freier Handel und Demokratie führen.» Heute sei der «kollektive Westen» am Abgrund und darum lehne der Rest der Welt die Aufklärungswerte ab – weil sie «überleben» und «gedeihen» wollten.

Rassistische Perspektive: «Wilde mit tiefem IQ»

Er sagt dies in einem nicht fertig gebauten Wohnhaus zwischen einer Käse- und einer Whirlpool-Firma, am Ortsrand des Schweizer Dorfs Cressier. In der halbleeren Wohnung hat Vox Day ein Fitness-Studio eingerichtet und Maschinen für seine Lederbindemanufaktur eingerichtet.

Der Grund, warum Swissinfo sich mit Day befasst, ist dessen Reichweite: Gemäss Similarweb hat der Blog dieses Mannes über eine halbe Million Aufrufe im Monat – vor allem in den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien und Hongkong.

Vox Day während dem Interview
«Wenn Sie mich kritisieren wollen, dann sollte es dafür sein, dass ich die Aufklärung ablehne», sagt Vox Day. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Day nutzt harte und diskriminierende Sprache. So titelte er unlängst «Ben Shapiro is cancer» über den rechtskonservativen, jüdischen US-Publizisten – seiner proisraelischen Haltung wegen.

In einem anderen Beitrag 2015 stellte Day die rhetorische Frage, ob rassistische Politik womöglich «rationale Eindämmungsstrategie» war, um das Zusammenleben mit einer «visuell distinkten Bevölkerung von Wilden mit tiefem IQ» zu regeln.

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Seit 2005 in der Schweiz

Vox Day agiert von der Schweiz aus. Schon seit 2005 lebe er hier – auf dasselbe Jahr datiert sein Beitrag «Warum Frauen nicht denken könnenExterner Link».

Ein Schweizer Bürger sei er nicht, sagt Vox Day in der kalten Wohnung. Aber das möchte er ändern: «Ich habe die nötigen Sprachtests bestanden und alles und ich plane mich für die Einbürgerung zu bewerben.»

Er schätze die direkte Demokratie, doch die Schweiz solle sich mehr auf sich selbst berufen – statt der EU gefallen zu wollen.

Was ist «Clown World»?

Ein wiederkehrendes Element auf seinem Blog ist der Widerstand gegen «Clown World» – eine Verschwörungstheorie über satanische Kräfte, gegen welche angeblich Russland und China kämpfen.

Die meisten Follower hat Vox Day auf der Plattform Gab.com. Dort folgen ihm etwa 35’000 Menschen und dort – wo nur Registrierte mitlesen – äussert er sich nochmals ungeschminkter. Als ein Nutzer ihm im Frühjahr 2024  vorwarf in einem Beitrag über «Clown World» «gewisse Worte» zu vermeiden, antwortete Vox Day: «Ich vermeide keine Worte, du Behinderter. Die Juden, von denen du besessen bist, sind die Werkzeuge der globalen Satanisten von Clown World, die selbst nur fiese Diener des wahren unmenschlichen Bösen sind.»

Damit schildert er antisemitische Verschwörungstheorien. Vox Day sitzt ruhig da, während ihm dieser Kommentar vorgelesen wird. Und sagt dann: «Wenn du ein Christ bist, glaubst du an das Übernatürliche.» Menschen wie «George Soros oder Hillary Clinton» seien selbst nur Werkzeuge.

Dass die Schilderung von «Clown World» an die antisemitischen «Protokolle der Weisen von Zion» verweise, verneint Day: «Es hat nichts zu tun mit den Protokollen. Es hat mit der Bibelstelle zu tun, wo Satan Jesus alle Königreiche der Welt anbietet.» Da Jesus Satan diese Macht nicht abgesprochen habe, regiere Satan die Welt.

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Aussagen zu Frauen und zur darwinistischen Evolution

Mit einer ähnlichen Form von Aussagenlogik und einem Gefühl von intellektueller Überlegenheit begegnet Vox Day vielen Fragen im Gespräch. Day sagt, er könne gar kein «White Supremacist» – weil er, so behauptet er, selbst indigener Ureinwohner der USA sei.

An die darwinistische Evolution glaubt er nicht. Sein Hauptargument im Gespräch baut darauf auf, dass «Biologen nicht besonders gut in Mathematik» sind. Die Aufklärungsphilosophen «wissen kaum, worüber sie sprechen».

Obwohl er viele wissenschaftlichen Erkenntnisse einfach ablehnt, nimmt er wiederum einzelne fragwürdige Studien und Betrachtungen als absolut, wenn sie ihm ins Weltbild passen. So sollten Frauen «in einem System, wo sie zwischen zwei Männern entscheiden» kein Wahlrecht haben: «Sie stimmen verlässlich für den grösseren Kandidaten mit dem besseren Haar. Dazu gibt es eine Studie in den USA.» Day wird oft als Frauenfeind bezeichnet – er selbst sieht sich weder als solcher noch als Rassist.

Vox Day vor einer Maschine
Days Verlag veröffentlicht Bücher in einer wertigen Lederedition. Hier steht er vor einer der Maschinen, die dafür gebraucht werden. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Gemeindebibliothek macht Lesungen in Vox Days Schloss

Er fühle sich wohler in «Schwarzer Kultur», als «so ziemlich alle in der Schweiz». Seine «afrikanischen Teamkameraden», mit denen er Fussball spiele, «könnte nicht weniger kümmern» was er schreibe.

Vor einigen Jahren hat Day das Schloss im Zentrum von Cressier gekauft. Die Boulevardzeitung Blick titelte damals «Amerikaner macht Schweizer Schloss zur Neonazi-Hochburg». Angeblich wolle er das Schloss «exklusiv für seine Anhänger» nutzen. Dazu ist es bisher nicht gekommen.

Die Gemeinde Cressier scheint es ebenso wenig zu kümmern, was der Schlossbesitzer schreibt: Zuletzt Mitte November 2025 hat die Gemeindebibliothek für die lokale Öffentlichkeit eineNacht der zweisprachigen GeschichtenExterner Link in Vox Days Schloss durchgeführt.

Fussballclub-Sponsor und Lederbuchverleger

Von der nicht fertig gebauten Wohnung betreibt er seinen Castalia-Verlag und das Comicbuch-Imprint «Arkhaven Comics». Während dem Gespräch ist ein Mitarbeiter von ihm im Keller damit beschäftigt, extern gedruckte Buchblöcke in Leder einzubinden und das Design mit Laser einzubrennen.

Das Leder dafür importiert er. In einem Zimmer liegen Kisten voller Leder mit der Aufschrift «Made in Korea». 1500 Büchern binden sie hier monatlich in Leder ein, so Day. Nächstes Jahr würden sie die Produktion verzehnfachen müssen. Wegen der grossen Nachfrage.

In der «Castalia Library» erscheinen Klassiker der Weltliteratur, aber auch neue Publikationen. Wie viele Bücher verkauft werden, ist unabhängig nicht zu überprüfen. Die Person hinter dem Pseudonym Vox Day hat jedoch offenbar Geld. Sein Verlag sponsert auch den britischen Fussball-Club Dorking Wanderers F.C.Externer Link.

Aus vermögendem Elternhaus stammend hat Day Anfang der 1990er-Jahre Erfolge mit TechnomusikExterner Link gefeiert, später Games entwickelt. Eine Weile lang war er vor allem Autor.

Doch die US-Wissenschaftler:innen, die sich mit Vox Day auseinandersetzen, tun dies nicht wegen seinem kulturellen Wert. Sondern wegen der Kontroversen, bei denen er beteiligt war.

Ein gedrucktes Manuskript mit dem Titel „Ghost of the Badlands“
Der Buchblock von «Ghost of the Badlands», einer Graphic Novel aus Vox Days Verlag, wartet auf seinen Einband. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

«Puppygate»: Beteiligung in reaktionären Online-Kampagnen

Der Kommunikationswissenschaftler Max Dosser von der Vanderbilt-Universität nennt Day einen «white supremacist». Unter anderem, weil Vox Day 2016 eine «Kernphilosophie der Alternative Right» veröffentlichte, wo er als 14. Programmpunkt auflistete, dass die «Alt Right glaubt, wir müssen die Existenz von Weissen und eine Zukunft für weisse Kindern sichern». Dies ist eine leichte Variation des rechtsextremen Codes Fourteen WordsExterner Link.

In seiner Dissertation «Nostalgic Futures» hat sich Dosser damit auseinandergesetzt, wie Hass und Wut reaktionäre Fan-Dynamiken im Internet antreiben. Etwa anhand vom sogenannten «Puppygate» – eine Onlinekampagne, bei der Vox Day eine zentrale Rolle spielte. Reaktionäre Fans versuchten Mitte der 2010er-Jahre die Hugo Awards für Science-Fiction mit einer eigenen, politisch genehmen Liste zu übernehmen. «Vordergründig ging es darum, „populärer“ Literatur Preise zu verleihen oder eine nostalgische Vorstellung davon zu bewahren, was das Genre einst war», so Dosser. Auf den ersten Blick sei dies harmlos. Doch die Weltbilder dahinter seien es oftmals nicht. Solche Online-Kontroversen würden den Diskurs vergiften.

Von heute aus betrachtet waren Kampagnen wie «Puppygate» der Anfang einer politisierten Internet-Empörung. Dosser beobachtet, dass solche Kontroversen nun ständig und nicht mehr am gesellschaftlichen Rand stattfinden. Und «da Persönlichkeiten wie Donald Trump, Elon Musk und unzählige andere mit internationaler Reichweite diese Meinungen und Ideologien verbreiten, besteht immer weniger Grund, sie zu verbergen.»

Der Literaturwissenschaftler Jordan S. Caroll hat sich in «Speculative WhitenessExterner Link: Science Fiction & the Alt right» auch mit Vox Day auseinandergesetzt. Caroll schreibt gegenüber Swissinfo, dass Days Beteiligung im «Puppygate» eine Racheaktion war: «Das war Vox’ Versuch, sich an der Science-Fiction-Community zu rächen, die ihn nach einer Reihe rassistischer Äusserungen ausgegrenzt hatte.» Am Ende habe sich die Mainstream-Science Fiction-Community klar von ihm abgegrenzt.

Vox Day sucht etwas in einem Regal
Der Castalia-Verlag bindet monatlich 1500 Bücher in Leder ein, sagt Day. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Der Erfinder vom «Sigma Male»

Carolls Einschätzung ist, dass man sich eines Tages an Vox Day nicht als Verleger oder Künstler erinnert, sondern «wenn überhaupt» als Blogger und für den maskulinistischen Ausdruck «Sigma».

Den Begriff «Sigma Male» hat Vox Day 2010 erfunden und geprägt. Dieses Männlichkeitskonzept hat sich auf sozialen Medien wie TikTok verbreitet, «unter 12-jährigen Jungen der Generation Z, die noch nie von Vox Day gehört hatten», wie Caroll schreibt.

Eine der Wurzeln des neuen Männlichkeitskults – um Leute wie Joe RoganExterner Link oder auch Andrew Tate – liegt wohl in einem Computer in der Westschweiz vor 15 Jahren.

Lesen Sie auch unseren historischen Beitrag über die internationale Vernetzung der Neuen Rechten:

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Editiert von Giannis Mavris

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