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Immer mehr Modekatzen in der Schweiz – zu Lasten der Tiere

Katze
Ein Exemplar einer Scottish Fold Keystone

Katzen und Hunde mit eingedrückter Nase oder umgeklappten Ohren liegen im Trend. Für die Tiere ist das schmerzhaft – und für die Besitzer:innen teuer.

Schweizer Tierarztpraxen bekommen immer häufiger problematische Moderassen zu sehen. So auch Julie Schwechler, die als Tierärztin in einer Kleintierpraxis in Stäfa am Zürichsee arbeitet: «Ich merke jeweils, was gerade in den sozialen Medien gehypt wird oder welche Rasse ein Promi sich kürzlich zugelegt hat.»

Seit etwa die Sängerin Taylor Swift zwei Schottische Faltohrkatzen besitzt, schaffen sich auch in der Schweiz mehr Leute diese Qualzucht-Rasse an.

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Während Möpse laut Schwechler eher zurückgegangen sind, haben diverse Bulldoggen-Rassen sowie britische Kurzhaar- und Perserkatzen Hochkonjunktur.

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Mischlingshunde und normale Hauskatzen sind zwar noch immer am verbreitetsten, doch Trendrassen wie Chihuahuas oder britische Kurzhaarkatzen werden immer beliebter.

Deformationen und Atemprobleme

Diese Rassen werden dem Kindchenschema folgend auf ein herziges Aussehen gezüchtet. Laut Schwechler, die auch Vorstandsmitglied bei der Fachsektion für Tierschutz der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST ist, führen diese «niedlichen Merkmale» aber gleichzeitig zu schweren körperlichen Beschwerden.

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Eine Züchterin präsentiert ihre Perserkatze an einer Messe 2023 in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Rasse fällt durch tränende Augen und Atemprobleme auf. KEYSTONE/DPA/Jens Büttner

Die umgeknickten Ohren der Schottischen Faltohrkatze sind laut Schwechler eigentlich ein Knorpel-Gendefekt, der zu schweren Skelettdeformationen und chronischen Schmerzen führt. «Und die extrem runde Kopfform mit den flachen Gesichtszügen und den kleinen Nasen führt zu Problemen mit den Augen, zu Falten im Gesicht und zu Atemproblemen.»

«Schönheit» kommt Halter teuer zu stehen

Für die Besitzer:innen bedeutet das nicht nur, dass sie ihrem Hund oder ihrer Katze bis zu deren Tod beim Leiden zusehen müssen, sondern auch ganz handfest: hohe Tierarztkosten.

Laut Schwechler müssen Besitzer mit häufigen Tierarztbesuchen rechnen, es seien von Anfang an gewisse Operationen nötig – zum Beispiel, um die Atemwege zu erweitern – und manchmal sei eine Schmerzbehandlung notwendig. Entsprechende Operationen können zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Franken kosten.

Hunde und Katzen mit kurzen Nasen (etwa französische Bulldoggen oder Scottish Fold Katzen) haben häufig lebensbedrohende Atemprobleme. Die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin findet deshalb diesen Zuchttrend problematisch und ruft zu einem Umdenken auf.

Vor 100 Jahren hätten französische Bulldoggen oder Möpse noch genügend lange Nasen gehabt, heute sei das nur noch bei Retromöpsen und Continental Bulldoggen der Fall. Je mehr Tierhalter:innen sensibilisiert seien, desto eher würden durch gezielte Rückzüchtung wieder vernünftige Nasenlängen erreicht – es herrschten die Gesetze des Marktes.

Quelle: Positionspapier der Schweizerischen Vereinigung für Kleintiermedizin, einer Sektion der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST

Zudem ist für viele Moderassen eine Narkose gefährlicher als für normale Katzen und Hunde. Manche Besitzer haben deshalb Angst, ihr Tier operieren zu lassen, weil es sterben könnte. «Ich kläre die Besitzer natürlich immer auf», sagt Schwechler.

Leider kämen Besitzer:innen selten zum Tierarzt, um sich vor dem Kauf beraten zu lassen, sondern hätten sich eine problematische Rasse bereits angeschafft.

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Rückzucht zu alten, gesünderen Rassemerkmalen

Immerhin: Laut Schwechler kommen in der Schweiz immer mehr Züchter:innen von den Qualzucht-merkmalen weg und züchten die gesündere Ursprungsform zurück. Früher hatten diese Rassen nämlich deutlich längere Nasen.

Eigentlich dürfen nach der Schweizer Tierschutzverordnung Hunden und Katzen keine Schmerzen, Leiden oder Schäden angezüchtet werden. Manche Zuchtziele sind daher unzulässig. Doch viele Tiere werden importiert, da hat der Schweizer Tierschutz keinen Einfluss auf die Zuchtziele. Zudem brauchen nur «gewerbsmässige» Züchter:innen eine Bewilligung, wer als Hobbyzüchter:in nur zwei Würfe pro Jahr «produziert», wird nicht kontrolliert.

QuelleBundesamt für VeterinärwesenExterner Link

Das Problem ist aber, dass viele Trendrassen aus dem Ausland importiert werden – im Internet locken günstige Preise. Schwechler ist aber überzeugt, dass sich die höheren Anschaffungskosten bei einer seriösen Schweizer Zucht lohnen: «Langfristig verursacht ein krankes Tier enorme Kosten.» In Extremfällen müssen noch junge Katzen und Hunde sogar eingeschläfert werden.

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Und: Wenn ein Besitzer die bei Trendrassen notwendigen Operationen oder Behandlungen nicht machen will, verstösst er als Halter gegen die Tierschutzgesetzgebung. Schwechlers Appell an zukünftige Besitzer:innen lautet deshalb: «Lassen Sie sich nicht von den sozialen Medien und Promis verleiten, sondern wählen sie eine gesunde Zucht.»

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