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Klimatologe: «In der Schweiz sind Hitzewellen von fünf Wochen möglich»

Hitze
Die Schweiz erwärmt sich besonders schnell. Keystone / Anthony Anex

Wie hoch kann die Temperatur in der Schweiz maximal steigen? Wie lange können Hitzewellen andauern? Diesen Fragen ist die ETH Zürich nachgegangen – und hat jetzt Worst-Case-Szenarien fürs Schweizer Klima vorgelegt.

ETH-Professor und Klimatologe Erich Fischer hat die Szenarien entworfen. Von ihm wollte SRF auch wissen, ob sich die kritische Infrastruktur wie Spitäler oder Stromversorger darauf vorbereiten sollte.

Erich Fischer ist Professor an der ETH Zürich. Im Jahr 2007 schloss er seine Promotion am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH ab. Danach arbeitete er als Postdoc am National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder, Colorado, und als Gastwissenschaftler an der University of Reading, England, bevor er an die ETH zurückkehrte.

SRF News: Erich Fischer, der Sommer in der Schweiz war im Juni und August heiss, im Juli verregnet und kühl …

Erich Fischer: Klimawandel heisst nicht mehr schönes Sommerwetter. Es heisst, dass es bei Hochdruckwetter, wenn die Sonne scheint, nicht wie früher zwischen 26 und 27 Grad warm wird, sondern heiss, 32 bis 33 Grad. Die Zeitdauer mit hohen Temperaturen hat sich von Juni bis in den September ausgedehnt. Und wenn es regnet wie im Juli, dann regnet es oft in Strömen.

Sie forschen zu Klimaextremen. Die Schweiz erwärmt sich besonders schnell.

Wir müssen unsere Vorträge und Interviews immer anpassen. Sehr ausgeprägt ist es bei den heissen Tagen und Nächten: Die heissen Tage wurden um 3.5 Grad wärmer seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die warmen Nächte um 4.5 Grad. Wir sind in einer Region, die sich intensiv erwärmt. Wenn früher Nächte 17 bis 18 Grad warm waren, sind sie heute 22 bis 23 Grad warm.

Wie sieht es mit der maximal möglichen Hitze aus in der Schweiz?

Wir wissen, dass es physikalische Limiten gibt, dass es nicht beliebig heiss werden kann. Die Höchstwerte liegen nach unseren Szenarien zwischen 3 und 6 Grad über den heutigen Höchstwerten. In Zürich sind 43 bis 44 Grad möglich, in Basel und Genf 44 bis 45 und im Tessin 45 bis 46 Grad. Es ist ein Worst-Case-Szenario, kein wahrscheinliches. Aber wir raten, dass sich die kritische Infrastruktur damit befasst, ob man dafür vorbereitet wäre, falls es eintreffen würde.
Die einen Szenarien zeigen, dass es in Zürich drei Wochen lang über 35 Grad bleiben könnte.

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Wie lange können Hitzewellen anhalten?

Das macht uns noch etwas mehr Sorgen. Die einen Szenarien zeigen, dass es in Zürich drei Wochen lang über 35 Grad bleiben könnte. In einem anderen Szenario, wenn es mehrere Hochdruckgebiete gibt, sehen wir eine fünfwöchige Hitzewelle. Bei diesem Szenario würde die Hitzewelle zweimal kurz unterbrochen, wie im Hitzesommer 2003 für ein bis zwei Tage, aber die Temperaturen würden dann wieder ansteigen. Das hätte möglicherweise grosse Auswirkungen, wenn die Temperaturen noch länger in einem Bereich sind, wie sie früher an einzelnen Tagen waren.

Im Moment finde eine Revolution bei den Wetterprognosen statt, sagt Klimatologe Fischer. Die grossen Techfirmen hätten eigene Wettermodelle in Rekordzeit entwickelt. Diese würden die bestehenden Wettermodelle oft bereits auf der Zeitskala von fünf bis zehn Tagen schlagen.

Allerdings, so Fischer, haben sie auch noch grosse Schwächen: Sie seien zwar oft, aber nicht immer zuverlässig. Besonders dann, wenn sie wichtig seien, könnten sie scheitern. Ein Beispiel dafür seien Ereignisse, die noch nie eingetreten seien, wie ein Sturm Lothar oder eine Hitzewelle, die alles übertreffe.

KI wird laut Fischer nicht die Rekordtemperaturen oder Extremereignisse vorhersagen, die mit dem Klimawandel häufiger werden. Sie werde auch nicht die heranziehenden Gewitter oder den kommenden Sommer genau vorhersagen können.

Wofür dienen diese Szenarien?

Wir stellen sie im nächsten Klimaszenarienbericht für die Schweiz zur Verfügung, der im November erscheint. Bezogen auf die Elektrizitätsversorgung haben wir ein Energy Science Center an der ETH Zürich. Dort prüfen wir, ob der Stromverbrauch aufgrund vermehrter Kühlung zunehmen wird. Gleichzeitig möchten wir auch die Auswirkungen auf die Tierwelt verstehen. In Gewässern, aber auch bei Haus- und Nutztieren.

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