Ordnungsbussen in der Schweiz – ein umstrittenes System
Die Schweiz ist das Land der Ordnungsbussen, wo fast alles bestraft werden kann. Und die Rechnung kann schnell teuer werden. Dieses akribische System füllt die Staatskassen, wirft aber auch Fragen auf.
Vierzig Franken für ein paar Minuten zu viel auf einem öffentlichen Parkplatz. Das ist die böse Überraschung, die ein Genfer Autofahrer erlebte, den das Team der RTS-Sendung «Basik» getroffen hat. «Das ist etwas schade, ich hatte es eilig wegen eines Termins», sagt er.
Der Zettel unter dem Scheibenwischer symbolisiert ein in der Schweiz besonders ausgeprägtes Sanktionssystem: die Ordnungsbusse. Verstösse beim Parkieren oder Abfall-Entsorgen – dieses System bestraft eine Vielzahl von Übertretungen im Alltag. Es gilt als wirksam, wird aber auch hinsichtlich seiner Zweckmässigkeit kritisiert.
In der Stadt Genf können die Mitarbeitenden der «Fondation des Parkings», die für die Parkraumüberwachung zuständig sind, Ordnungsbussen in Höhe von 40 bis 140 Franken verhängen.
Die gesamte Sendung «Basik» (auf Französisch):
Im Bankenviertel würden einige ein «Bussenbudget» von 2000 bis 3000 Franken pro Monat einplanen, sagt Parkwächter Didier Filgueira. Sie lassen ihr Auto den ganzen Tag lang einfach stehen. Andere Autofahrer:innen hingegen würden zur Parkuhr eilen, um eine Busse zu vermeiden.
Abfälle können teuer werden
Der Anwendungsbereich der Ordnungsbussen geht weit über das Parkieren hinaus. In Sion patrouillieren zwei Beamte in der Stadt, um Verstösse im Zusammenhang mit Abfällen zu kontrollieren. Ein gebührenpflichtiger Sack, der ausserhalb der Abholtage auf der Strasse abgestellt wird, kann zwischen 100 und 150 Franken kosten. Auch hierbei handelt es sich um eine Ordnungsbusse.
Auch was in den Abfallsack kommt, wird kontrolliert. «Wir müssen Kontrollen machen, denn wenn wir es nicht tun, verlieren alle die Motivation, den Müll zu trennen», begründet einer der beiden. Im Durchschnitt verhängen sie jährlich zwischen 300 und 400 Bussen.
Ursprünglich betrafen Ordnungsbussen hauptsächlich den Strassenverkehr. Im Jahr 2019 wurde das Spektrum erweitert. «Es gibt ein Bestreben nach einem ‹Swiss Finish›, auch bei Verhaltensweisen, die nicht unbedingt als absolut schwerwiegend erscheinen», sagt Yvan Jeanneret, Professor für Strafrecht.
Das «Swiss Finish» der Verwarnung
Der Höchstbetrag pro Verstoss wurde auf 300 Franken festgelegt, mit einer Obergrenze von 600 Franken bei mehreren Verstössen, ohne strafrechtliche Verfolgung.
Die Einnahmen aus diesen Bussen, seien es 100 Franken für den Konsum von Cannabis oder 30 Franken für das Befahren eines Radwegs in falscher Richtung, sind in den Kantonshaushalten fest eingeplant.
Für die Polizei des Kantons Jura bedeutet das einen Effizienzgewinn. «Wir reduzieren den Verwaltungsaufwand sowohl für uns als auch für die Justiz», erklärt Oberleutnant Fleury. Er betont, dass die Beamten keine Quoten erfüllen müssen, dass aber Statistiken geführt werden, um «Korrekturen vorzunehmen» oder «andere Massnahmen zu ergreifen». Im Jahr 2024 hat die Polizei des Kantons Jura rund 32’000 Ordnungsbussen im Gesamtwert von 2,2 Millionen Franken ausgestellt.
Die Debatte über die Strafbarkeit
Die Ordnungsbusse, die unter das Strafrecht fällt, basiert auf einem vollständig anonymisierten Verfahren. Sie kann daher von jedermann bezahlt werden, was Fragen aufwirft. Laut Yvan Jeanneret «besteht das Ziel des Strafrechts darin, die Person, die eine Straftat begangen hat, zu bestrafen, um eine Wiederholungstat zu verhindern. Wenn das Strafrecht nicht in erster Linie dazu dient, jemanden zu bestrafen, sondern als Mittel, um sicherzustellen, dass Geld in die Staatskasse fliesst, dann verfehlt es seinen Zweck», sagt er.
Wird eine Busse nicht innerhalb von 30 Tagen bezahlt, wird sie zu einem Strafbefehl. Es ist dann möglich, dagegen Einsprache zu erheben, allerdings sind damit zusätzliche Gerichtskosten verbunden.
Übertragung aus dem Französischen mithilfe Deepl: Janine Gloor
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