Die Schweiz profitiert von aufgedeckter Bestechung im Ausland – das sollte sie nicht
Indem sie Gelder aus Fällen internationaler Bestechung behält, schadet die Schweiz nicht nur ihrem Ruf, sondern auch ihren eigenen langfristigen Interessen, argumentiert Andrew Dornbierer.
Seit der Enthüllung, dass Schweizer Banken in den 1980er-Jahren als bevorzugtes Versteck für das korrupte Vermögen des ehemaligen philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos dienten, haben sich Schweizer Regierungen sehr darum bemüht, den Ruf des Landes als Nutzniesserin internationaler Korruption hinter sich zu lassen.
Die Schweiz hat sich in diesem Zusammenhang offen und wiederholt hohe ethische Standards gesetzt. Die öffentliche BotschaftExterner Link der letzten drei Jahrzehnte war deutlich: Die Einbehaltung von Vermögenswerten, die aus der Korruption ausländischer Amtsträger:innen stammen, ist unmoralischExterner Link, und die Schweiz will kein korruptes GeldExterner Link.
Um diese Botschaft auf internationaler Ebene zu formalisieren, ratifizierte sie mehrere wichtige Antikorruptionsabkommen, die bei den Vereinten Nationen, der OECD und dem Europarat verankert sind. Auf nationaler Ebene hat der Bundesrat 2021 sogar erstmals eine «Antikorruptionsstrategie» eingeführt.
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Es ist lobenswert, dass die Schweiz ihre selbst auferlegten Standards durch konkrete Ergebnisse untermauert hat. Sie kann eine beeindruckende Bilanz bei der Aufdeckung und Rückführung von Korruptionsgeldern vorweisen, die ihren Weg in das Schweizer Finanzsystem gefunden haben. Bis heute hat die Schweiz mehr als 2 Milliarden US-DollarExterner Link an Korruptionsgeldern, die an ausländische Amtsträger gezahlt wurden, beschlagnahmt und zurückgeführt. Das ist eine beeindruckende Summe.
Es wäre jedoch falsch zu behaupten, die Schweiz habe ihre Aufgabe damit erfüllt. Trotz dieser Bemühungen und Fortschritte profitiert die Schweiz zweifellos noch immer erheblich von mindestens einer Form der internationalen Korruption: der Auslandsbestechung, also von Geldzahlungen an Beamte und Politikerinnen in anderen Ländern zur Erlangung eines Vorteils gegenüber der Konkurrenz.
Gewinne aus Auslandsbestechung kassieren
Zwischen 2011 und 2024 schlossen die Schweizer Bundesbehörden 14 Fälle von Auslandsbestechung, an denen Schweizer Unternehmen (oder in der Schweiz tätige internationale Unternehmen) beteiligt waren, aussergerichtlich ab.
In diesen Fällen wurde festgestellt, dass Unternehmen wie GlencoreExterner Link, OdebrechtExterner Link, KBA NotaSys und AlstomExterner Link in grossem Umfang von Korruptionspraktiken mit Beteiligung ausländischer Amtsträger:innen profitiert hatten. Zum Abschluss dieser 14 Gerichtsverfahren wurden die Unternehmen dazu verurteilt, die schwindelerregende Summe von rund 730 Millionen Schweizer Franken an unrechtmässig erwirtschafteten Gewinnen an die Schweizer Staatskasse abzuführen.
Oberflächlich betrachtet scheint dies durchaus eine gerechte Konsequenz zu sein. Unternehmen wurden wegen Fehlverhaltens überführt. Die erzwungene Überweisung ihrer illegalen Gewinne an die Schweizer Regierung stellte entsprechend sicher, dass diese Unternehmen nicht von ihren strafbaren Handlungen profitierten.
Diese einfache Analyse lässt jedoch einen entscheidenden Punkt ausser Acht: Diese Gewinne wurden nicht durch korrupte Handlungen erzielt, die vorwiegend die Schweiz betrafen, sondern durch Aktionen, die vor allem Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen wie die Demokratische Republik Kongo, Äquatorialguinea, Marokko und Brasilien schädigten.
In einigen Fällen umfasste dies eindeutig materielle Schäden (z. B. den Verkauf von staatlichen Vermögenswerten zu einem unterbewerteten Preis). In allen Fällen beinhaltet dies zudem zweifellos immaterielle Schäden für den Staat (und seine Bevölkerung), wie z. B. die Erosion des Vertrauens in öffentliche Institutionen, die Abschreckung ausländischer Investoren und die Untergrabung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Indem sie diese Gelder einbehält, ist die Schweizer Staatskasse daher weiterhin dem Vorwurf ausgesetzt, sie profitiere erheblich von internationalen Korruptionshandlungen mit Schweizer Verbindungen, zumal der Profit zum Nachteil ausländischer Staaten erwirtschaftet wurde.
Warum behält die Schweiz dieses Geld?
Wie bereits erwähnt, kann die Schweiz darauf verweisen, immer wieder Gewinne aus anderen Formen internationaler Korruption zu teilen oder zurückzuzahlen. So hat sie beispielsweise in den letzten drei Jahren 444 Millionen US-Dollar an Korruptionserlösen über einen eigens eingerichteten Fonds der Vereinten Nationen nach Usbekistan transferiert, wovon die usbekische Bevölkerung direkt profitiert.
Leider enthält das Bundesgesetz über die Teilung eingezogener VermögenswerteExterner Link, das der Schweiz die Aufteilung eingezogener Vermögenswerte aus Auslandsbestechung ermöglichen würde, eine Einschränkung, die unbeabsichtigt seine Anwendung auf diese Art von Fällen verhindert.
Konkret erlaubt das Gesetz der Regierung nur dann Vereinbarungen mit ausländischen Staaten über die Aufteilung von Erträgen aus Straftaten auszuhandeln, wenn der betreffende Staat der Schweiz im Rahmen eines Gerichtsverfahrens Unterstützung gewährt hat.
Diese Einschränkung ist verständlich und soll die internationale Zusammenarbeit fördern. In Fällen ausländischer Bestechung wird die Zusammenarbeit anderer Länder von den Schweizer Behörden jedoch selten angestrebt oder verlangt. In der Praxis werden diese Fälle überwiegend aussergerichtlich beigelegt, und die Unternehmen selbst arbeiten während des Verfahrens direkt mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen und stellen die erforderlichen Informationen bereit.
Folglich wird Staaten, die durch Bestechung im Ausland geschädigt wurden, selten die Möglichkeit gegeben, in diesen Fällen zu helfen – und die Schweiz ist standardmässig nicht befugt, nach Abschluss des Verfahrens mit ihnen über die Aushandlung einer Vereinbarung zur Aufteilung der Bestechungsgelder zu verhandeln.
Darüber hinaus stehen rechtliche Möglichkeiten zur Entschädigung nicht ohne weiteres zur Verfügung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bestechung im Ausland selbst keinen klar berechenbaren Schaden für einen Staat verursacht hat, sondern nur einen immateriellen Schaden für ein weniger klar definiertes Opfer: die Bevölkerung eines Staates.
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Folglich behält die Schweiz diese Gewinne ein, da im Wesentlichen keine klar definierte rechtliche Möglichkeit besteht, die Kontrolle darüber aufzugeben – zumindest nicht auf eine Weise, die den durch diese Verbrechen verursachten Schaden wiedergutmacht.
Was ist zu tun?
Grundsätzlich sollte die Schweiz eine Politik verfolgen, die sicherstellt, dass sie die Gewinne aus Fällen ausländischer Bestechung nicht länger einbehält, auch nicht durch Unterlassung.
Stattdessen sollte sie gesetzliche Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Gelder zur Behebung der Schäden eingesetzt werden, die ausländischen Staaten in diesen Fällen entstehen.
Entweder durch Vereinbarungen, die direkt auf den konkreten Schaden abzielen, oder durch Mechanismen, die sicherstellen, dass die Gelder zum Wohle der Opfer dieser Handlungen – der Bevölkerung der am stärksten betroffenen Staaten – verwendet werden können.
Idealerweise sollte eine solche Vereinbarung die Finanzierung von Initiativen umfassen, die darauf abzielen, künftige Schäden für diesen Staat durch künftige Fälle von Bestechung im Ausland zu verhindern und abzuschrecken oder die allgemein auf die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit abzielen.
Diese gesetzgeberischen Massnahmen könnten Änderungen des oben genannten Gesetzes umfassen, durch die Kooperationsbeschränkung speziell für Fälle ausländischer Bestechung aufgehoben werden. Alternativ könnte ein neues Gesetz geschaffen werden, das die Schweizer Regierung ermächtigt, in solchen Fällen Vereinbarungen zur Aufteilung der Mittel zu treffen.
Natürlich ist die Aushandlung von Vereinbarungen zur Vermögensaufteilung nicht immer möglich oder machbar. Politische Umstände können Herausforderungen mit sich bringen. In manchen Regierungen sind jene weiter im Amt, die an den ursprünglichen illegalen Handlungen beteiligt waren.
In solchen Fällen sollte die Schweiz die entsprechenden unrechtmässigen Gewinne dennoch nicht einbehalten. Stattdessen sollte sie gesetzliche Massnahmen ergreifen, um einen allgemeinen «Antikorruptionsfonds» einzurichten, in den illegalen Gewinne umgeleitet werden könnten.
Dieser Fonds könnte dann die Umwidmung dieser Beträge für Initiativen zur weltweiten Bekämpfung von Auslandsbestechung und Korruption überwachen. Alternativ könnte er auch als Unterstützungsfonds für Opfer anderer Fälle von Auslandsbestechung dienen, die finanzielle Hilfe benötigen, um den entstandenen Schaden zu beheben oder gerichtlich Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Auch die Schweiz selbst würde zweifellos von diesen Massnahmen profitieren. Auf nationaler Ebene dürften sie zu mehr Geschäftsmöglichkeiten für gesetzestreue Schweizer Unternehmen führen.
Eine Studie der Fachhochschule Graubünden und Transparency International ergab, dass fast ein Viertel der im Ausland tätigen Schweizer Unternehmen glaubt, Aufträge an korrupte Konkurrenten zu verlieren.
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Durch die Umwidmung illegaler Gewinne aus diesen Fällen für Initiativen, die künftige Bestechung im Ausland in anfälligen Staaten verhindern und abschrecken, werden auch fairere Wettbewerbsbedingungen geschaffen, unter denen Schweizer Unternehmen um Aufträge konkurrieren können. Auf internationaler Ebene wird dies den Status der Schweiz als weltweit führende Nation im Kampf gegen Korruption festigen.
Die Schweiz ist seit langem bestrebt, sich von dem Vorwurf zu befreien, von internationaler Korruption zu profitieren, und hat dazu bereits wichtige Schritte unternommen. Es kann jedoch noch mehr getan werden
Durch legislative Massnahmen, die sicherstellen, dass auch die Erträge aus Fällen von Bestechung im Ausland umgeleitet und für andere Zwecke verwendet werden können, würde die Schweiz ihre eigene Botschaft, dass sie kein korruptes Geld will, nachdrücklich bekräftigen.
Editiert von Benjamin von Wyl/ac. Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Petra Krimphove/jg
Andrew Dornbierer hat kürzlich einen Policy Brief zum Thema Bestechung im AuslandExterner Link veröffentlicht.
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