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«Zustand der Toiletten ermöglicht, Versprechen der Personalabteilung zu überprüfen»

Eine Toilette und ein Spültrog
Keystone / Christian Beutler

Die Toiletten am Arbeitsplatz sind nicht nur funktionale Räume, sondern verraten auch viel über die Kultur eines Unternehmens. Sie zeugen von der Wertschätzung, die den Mitarbeitenden entgegengebracht wird – unabhängig von ihrer Position in der Hierarchie.

Eine ganze Arbeitswoche: So viel Zeit verbringen Angestellte jedes Jahr auf der Toilette. Dennoch sind diese Orte oft eine Quelle des Unbehagens.

Das Phänomen der Parkopresis oder «Poop Shaming» – die Scham, in der Öffentlichkeit zu defäkieren – ist am Arbeitsplatz besonders präsent.

Geräusche und Gerüche sind zwar universell, erzeugen am Arbeitsplatz jedoch eine merkliche Angst vor Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzten.

Fabien Giuliani, Lehrbeauftragter an der Universität Genf und Managementexperte, erklärt, es gehe darum, sowohl das soziale Ansehen zu wahren als auch die grundlegenden körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen.

«Man muss diese beiden Anforderungen gleichzeitig erfüllen – also sowohl die körperlichen Bedürfnisse als auch die sozialen Regeln beachten, was besonders schwierig ist, weil dabei auch die Hierarchien im Büro eine Rolle spielen», sagt der Experte.

Toiletten als Oase

Toiletten sind in den Wüsten der Grossraumbüros eine Art Oase. Sie ermöglichen es, den ständigen Blicken zu entkommen, sich neu zu sortieren oder sogar eine kurze Pause zu machen.

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Der Zustand der sanitären Anlagen verrät ganz allgemein die Philosophie eines Unternehmens. Während einige den Komfort ihrer Angestellten durch saubere und einladende Toiletten erhöhen, scheinen andere alles daran zu setzen, dass die Angestellten so wenig Zeit wie möglich auf den Toiletten verbringen.

Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass man für eine Pinkelpause ausstempeln muss – was in der Schweiz legal ist –, oder dadurch, dass es zu wenige Toiletten gibt, sie nur ein fahles Licht haben oder selten gereinigt werden.

Kein Imageverlust!

Es wäre also von Vorteil, vor Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags die Toiletten zu besichtigen. «Der Zustand der Toiletten ermöglicht es, die Echtheit der Versprechen der Personalabteilung zu überprüfen, da es in diesem Bereich nicht um das Image oder die öffentliche Kommunikation geht”, sagt Giuliani.

Auch die Organisation der Räume ist aufschlussreich. Haben hochrangige Führungskräfte eine makellose VIP-Toilette in der Nähe ihres Büros? Müssen sich die anderen Mitarbeitenden mit einer Reihe von Urinalen begnügen? Werden bestimmte Personen als wertvoller angesehen als andere? Wie werden Reinigungskräfte behandelt?

Die Antworten auf alle diese Fragen geben Aufschluss über die Kultur eines Unternehmens.

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