The Swiss voice in the world since 1935

EU/Barroso auf Konfrontationskurs

STRASSBURG (awp international) – EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wehrt sich gegen Einmischung in seine Kompetenzen und geht auf Kollisionskurs zu den europäischen Regierungen. Vor dem Europaparlament sagte er, die Europäische Union brauche nicht mehr Zusammenarbeit zwischen den Hauptstädten, sondern vor allem europäische Lösungen.
Es sei eine Illusion zu glauben, man könne eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen Binnenmarkt mit «einem intergouvernementalen Herangehen» bekommen. Darunter werden in Brüssel Absprachen zwischen den Regierungen verstanden.
«Damit der Euro glaubwürdig bleibt, brauchen wir die wirkliche Gemeinschaftsmethode.» Dies bedeutet im EU-Sprachgebrauch, dass Initiativen von der Kommission und nicht von den Regierungen gemacht werden. Zudem muss das Europäische Parlament umfassend beteiligt werden.
Ohne die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach einer europäischen Wirtschaftsregierung ausdrücklich zu erwähnen, sagte er: «Innerhalb der EU-Kompetenzen ist die Kommission die Wirtschaftsregierung. Wir brauchen nicht noch mehr Institutionen dafür.»
Merkel und Sarkozy hatten vorgeschlagen, dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Euro-Gipfel leiten sollte. Barroso sagte, der Euro brauche eine «einzelne Vertretung nach aussen»: «Gemäss dem EU-Vertrag wird die Kommission dafür Vorschläge machen.» Die Kommission werde auch einen Rahmen für engere Zusammenarbeit zwischen den 17 Euro-Staaten und der gesamten EU machen: «Wir wollen nicht, dass die Eurozone unsere grosse Errungenschaft des Binnenmarktes aufbricht.»
Mehr denn je werde die «unabhängige Autorität» der Kommission bei der Kontrolle der Haushaltspläne der Mitgliedstaaten gebraucht. «Seien wir doch ehrlich: Das können die Regierungen nicht selbst machen. Und das kann auch nicht durch Verhandlungen zwischen den Regierungen gemacht werden», rief er unter lautem Beifall der Europa-Abgeordneten. «Die Kommission ist der Garant der Fairness.»
Barroso machte klar, dass er auch an dem in vielen Bereichen noch nötigen Zwang zur Einstimmigkeit rütteln werde. Eine Änderung des EU-Vertrages von Lissabon könne nötig werden. «Unser gemeinsames Tempo kann nicht durch den Langsamsten bestimmt werden.»
Der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz zeigte sich begeistert von der Rede des konservativen Barroso. «Wir haben es mit einem Rückfall in eine Hauptstadtdiplomatie zu tun, die Europa an den Rand des Zusammenbruchs führt», sagte Schulz. «Diese Patchwork-Demokratie, bei der am Ende der politische Opportunismus der Hauptstädte entscheidet, kann nicht die Zukunft Europas sein.»
Der liberale Fraktionschef und frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt forderte Barroso auf, nun die Regierungschefs von der Notwendigkeit von mehr Europa zu überzeugen: «Die intergouvernementale Methode und die Einstimmigkeit bringen Europa um.»
EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek begrüsste, dass Barroso «eine wirkliche Wirtschaftsunion mit der Kommission in ihrem Zentrum» vorgeschlagen habe. «Die Gemeinschaftsmethode ist der beste Weg voran.»/eb/DP/jha/

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft